Abtreibung in Österreich immer schwieriger

    Safe Abortion Day:Abtreibung in Österreich immer schwieriger

    von Laura Meyer
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    Auch in Österreich wird der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen immer schwieriger. Ein Lagebericht.

    Gynäkologischer Stuhl
    Gynäkologischer Untersuchungsraum
    Quelle: Colourbox.de

    Wer im österreichischen Vorarlberg schwanger wird und sich entschließt, das Kind nicht zu bekommen, ruft in der Praxis der Hostenkamps an. Es ist die einzige gynäkologische Praxis im gesamten Bundesland, die Schwangerschaftsabbrüche durchführt.
    Ende des Jahres soll damit Schluss sein: Gynäkologe Benedikt-Johannes Hostenkamp und seine Frau Monika-Maria Hostenkamp wollen nach mehr als 25 Jahren Tätigkeit in Bregenz mit 71 in Ruhestand gehen. Seit 2018 sind sie auf der Suche nach einem Nachfolger, bislang vergeblich.

    Wir haben bisher weitergearbeitet, um eine für die betroffenen Frauen akzeptable Lösung zu finden, aber wir hören zum Jahresende definitiv auf.

    Monika Maria Hostenkamp, Praxis-Managerin

    Zwei Demonstranten, links Frau, rechts Mann, mit Plakaten "In Deutschland wird alle 5 Minuten ein Kind abgetrieben" "Ab wann haben Menschen Rechte?"
    Auch in Deutschland sinkt jährlich die Zahl der Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. In manchen Regionen gibt es keinen einzigen mehr. Grund dafür ist der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches.06.06.2023 | 9:57 min

    Proteste gegen Abtreibung in Kliniken in Voralberg

    Dass sie nun wirklich aufhören möchten, hat im Ländle, wie Vorarlberg in Österreich genannt wird, für Aufruhr gesorgt, denn es fehlt eine Alternative. Die Überlegung, Schwangerschaftsabbrüche im Landeskrankenhaus durchzuführen, führte zu Protesten und wurde schließlich aufgegeben.
    Aktuell im Gespräch ist eine private Praxis direkt neben dem Bregenzer Krankenhaus. Die soll aber erst Ende 2024 fertiggestellt werden. Wie der Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für betroffene Frauen dann ab Januar 2024 sichergestellt werden soll, ist aktuell noch unklar.

    Demonstranten auf den Straßen von Chattanooga, Tennessee in den USA. Eine Person hält ein Schild mit dem Text "Abortion is Health Care.".
    Quelle: dpa

    ... - also der Tag des sicheren Schwangerschaftsabbruchs - ist ein weltweiter Aktionstag, um auf den Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen aufmerksam zu machen. Zahlreiche Bündnisse und Vereine sowie die WHO (Weltgesundheitsorganisation) nutzen den Tag, um auf das Thema hinzuweisen.

    Zugang zu Abtreibungen in Teilen Österreichs besonders schwierig

    Dabei ist in Österreich bereits seit 50 Jahren Abtreibung straffrei möglich. Ähnlich zum deutschen Strafrecht ist eine Abtreibung unter bestimmten Voraussetzungen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten möglich.
    Anders als in Deutschland besteht in Österreich aber keine Beratungspflicht vor der Durchführung eines Abbruchs.

    Ultraschall eines Embrios
    Wann, beziehungsweise bis zu welchem Zeitpunkt ein Schwangerschaftsabbruch in Europa möglich ist, ist ganz unterschiedlich geregelt. Viele Länder, darunter Deutschland und Österreich, haben die sogenannte Fristenlösung, die besagt, dass eine Schwangerschaft bis zu einem bestimmten Zeitpunkt "alleine" auf Verlangen der Schwangeren beendet werden kann. Nur in Malta gibt es ein komplettes Verbot für Abtreibungen. Auch in Polen gibt es ein sehr restriktives Abtreibungsrecht, als besonders liberal gelten die Niederlande und Großbritannien.

    Eine offizielle Statistik, wie viele Frauen einen Schwangerschaftsabbruch in Österreich durchführen, gibt es nicht. Klar ist aber: Die Lage ist regional sehr unterschiedlich, so Barbara Maier, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) und Chefärztin für Gynäkologie an der Klinik Ottakring in Wien.

    Jenseits von Wien ist der Zugang zu Abreibungen oft problematisch. Österreich ist aber auch insgesamt schlecht versorgt, was den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen angeht.

    Barbara Maier, Österreichischer Verband für Familienplanung

    In manchen Bundesländern nur ein einziger Arzt für Abbrüche

    Auf Anfrage verweist das österreichische Sozialministerium auf Daten der österreichischen Organisation "Changes for women" und des ÖGF: in Tirol wie auch in Vorarlberg seien keine Abbrüche in öffentlichen Spitälern möglich, in anderen Bundesländern gebe es teilweise nur einen Arzt bzw. Ärztin, die Abbrüche durchführen.
    Im ostösterreichischen Bundesland Burgenland gebe es "keine Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch". Die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch lägen bei 350 bis 600 Euro.
    Die Plattform "Pro Choice Austria" spricht auf Anfrage von Kosten von bis zu 940 Euro, je nach Art des Schwangerschaftsabbruchs, und diese werden in der Regel nicht von der Krankenkasse übernommen.

    Abtreibungen nur in Ausnahmen von Kassen finanziert

    Eine Kostenübernahme seitens der Krankenkassen gibt es in Österreich nur, wenn ein Abbruch medizinisch notwendig ist, etwa wenn Lebensgefahr für die schwangere Frau besteht.
    Teilweise können Frauen in besonderen finanziellen Notlagen in Gemeinden Anträge auf Kostenübernahme stellen, auch private Organisationen bieten Kostenübernahmen an.
    Schwangerschaftsabbruchmethoden Deutschland CC
    Welche Methoden für Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland zulässig?17.10.2022 | 3:00 min
    Der Bund weist die Verantwortung von sich: "Es ist Aufgabe der Bundesländer, einen einfachen, flächendeckenden Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen, da der Bund rechtlich nicht für die Schaffung von Versorgungsangeboten zuständig ist."

    Abtreibungsdebatte: ethisch und politisch aufgeladen

    Manchen Bundesländern gelingt dies besser, anderen schlechter. Im nächsten Jahr wird in Österreich gewählt - und das Thema Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen hat durchaus Potential, Wahlkampfthema zu werden. Eines zeigt die Debatte aber: Das Thema Abtreibung ist auch in Österreich ethisch und politisch aufgeladen.
    Auffällig ist: Tirol, Vorarlberg und auch Salzburg sind seit Jahren von der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) regiert - und dort ist der Zugang zu Abbrüchen besonders schwierig.
    Plakat §219a
    Frauenärzte, die öffentlich darüber informierten, mit welchen Methoden ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt wird, drohte Gefängnis. Erst im März 2022 wurde der Paragraph in Deutschland gekippt.09.03.2022 | 28:05 min

    Studien zu Motiven für Abbrüche in Planung

    In Salzburg will die Koalitionsregierung aus ÖVP und Freiheitliche Partei (FPÖ) laut Regierungsabkommen sogar eine Kampagne "zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch ausarbeiten".
    Sowohl in Salzburg als auch in Tirol sind nun Studien zu den Motiven für einen Schwangerschaftsabbruch in Planung - was von der Opposition kritisiert wird. In Vorarlberg jedenfalls geht die Suche nach einer Nachfolge für die Praxis Hostenkamp weiter.
    Laura Meyer berichtet aus dem ZDF-Studio in Wien.

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