Digitalexperte Sascha Lobo: "KI mit voller Kraft umarmen"

    Interview

    Digitalexperte Sascha Lobo:"KI mit voller Kraft umarmen"

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    Künstliche Intelligenz durchdringt immer mehr unser Leben. Wohin geht die Reise? Digitalexperte Sascha Lobo über Chancen von KI - und Risiken, wenn wir die Entwicklung verschlafen.

    Sascha Lobo
    Der Digitalexperte und Influencer Sascha Lobo zu den Chancen und Fallstricken von KI.
    Quelle: pa/dpa / Jan Woitas

    Sascha Lobo sieht im Gespräch mit dem ZDF in der fortschreitenden Entwicklung der Künstlichen Intelligenz nicht nur Gefahren - sondern auch Chancen.
    ZDF: Der amerikanische KI-Experte Eliezer Yudkowsky hat gerade in einem Gespräch mit dem "Time"-Magazine die Angst geäußert, dass die Menschheit aussterben könnte. Teilen Sie diese Angst?
    Sascha Lobo: Bei jeder neuen Technologie gibt es immer Apokalyptiker, die vor dem unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang warnen. Ich glaube aber, dass Angst gar nicht die richtige Gefühlsregung ist, um eine Technologie besser zu verstehen und einzuschätzen, wo die tatsächlichen Gefahren liegen.

    Sascha Lobo wünscht sich von Facebook mehr Verantwortung.
    Quelle: Karlheinz Schindler/dpa-Zentralbild/dpa

    ... schreibt Bücher, eine wöchentliche Kolumne und erklärt regelmäßig in Talkshows wie das Internet funktioniert.

    ZDF: Bei KI wird häufig von einer "disruptiven" Technologie gesprochen. Wie sehr und wie schnell wird diese Technologie unsere Gesellschaft verändern?
    Lobo: Die allermeisten Menschen unterschätzen noch immer die unglaubliche Kraft, mit der Künstliche Intelligenz die Gesellschaft durcheinanderwirbeln wird. Ich spreche von Durcheinanderwirbeln, weil es positive wie negative Veränderungen geben wird. Meiner Ansicht nach ist das größer als die Veränderung, die zum Beispiel durch das Smartphone entstanden ist - also etwa auf einem Niveau mit der Industrialisierung. KI wird in unseren Alltag Einzug halten in vielerlei Gestalt.

    Ich glaube, dass in zehn Jahren der Alltag der ganz normalen Menschen völlig anders aussehen wird. Und zwar durch und mit KI.

    Sascha Lobo

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    ZDF: Haben Sie denn da ein Beispiel oder eine konkrete Idee, was in zehn Jahren völlig anders sein könnte durch KI als heute?
    Lobo: Ein konkretes Beispiel für diesen Wandel im Alltag durch KI, das auf der Hand liegt, ist, dass in jedem Smartphone ein persönlicher Assistent, eine persönliche Assistentin wohnen wird. Mit der kann man alles besprechen, der kann man alle Aufträge geben, wie: "Du, ich muss übermorgen nach Frankfurt. Plane doch mal bitte eine Reise."
    Und die dann nicht nur die Reise plant, denn das gibt es in Ansätzen schon, sondern auch Termine verschiebt und mit anderen persönlichen Assistenten kommuniziert, um am Ende ein Gesamtpaket, das man einfach so in Anspruch nehmen kann, herzustellen. Und ich glaube, dass viele Menschen unterschätzen, wie nah wir da schon dran sind.

    Das sind nicht Technologien, die es erst in 10, 15, in 20 Jahren gibt. Das sind Technologien, die es heute schon gibt, die nur miteinander verbunden werden müssen, um so wirkmächtig zu sein.

    Sascha Lobo

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    ZDF: Wie gut sind wir hier speziell in Deutschland darauf vorbereitet, also in einem Land, das leider noch nicht einmal flächendeckenden Internetempfang garantieren kann?
    Lobo: Einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste Bereich im gesellschaftlichen Umgang mit Künstlicher Intelligenz ist natürlich die Wirtschaft. Denn dort wird sich eine Transformation ergeben, die die digitale Transformation, die schon im Gang ist, noch übertreffen wird.

    Konkret heißt das, wenn wir in 15 oder 20 Jahren noch ein reiches Land sein wollen in Deutschland, dann müssen wir jetzt KI mit voller Kraft umarmen. Und die Voraussetzungen dafür sind in Teilen nicht schlecht.

    Sascha Lobo

    Wir haben zwar eine erbärmliche digitale Infrastruktur und unsere Haltung gegenüber der Digitalisierung ist auch nicht immer optimal. Aber wir haben eine vergleichsweise gute Grundlagenforschung in Deutschland, was KI angeht.
    Wo es noch hapert, ist tatsächlich die Umsetzung, also diese wissenschaftlichen Erkenntnisse in Deutschland auch in ganz konkrete Unternehmungen, in ganz konkrete Anwendungen zu übersetzen. Und das müssen wir aber mit Vollgas unternehmen. Sonst verpassen wir wieder einmal den Wandel. Und diesmal wäre das, glaube ich, wirklich tragisch.
    ZDF: Wie sehen Sie den Punkt der Freisetzung von Arbeitskraft durch KI? Werden diese Menschen alle mit neu entstehender Arbeit versorgt werden können oder haben wir dann alle mehr Freizeit?
    Lobo: Die Geschichte der Technologie ist eine Geschichte der Automatisierung. Aber das wirklich Neue bei Künstlicher Intelligenz ist, dass inzwischen auch die geistigen Tätigkeiten und sogar kreative Tätigkeiten automatisierbar sind. Texte aller Art zu schreiben, ist kein Problem. Bestimmte Bilder zu erstellen, für die man früher Grafiker*innen gebraucht hätte, ist auch kein Problem.

    Ich schätze, und da geben mir viele Fachleute recht, dass 30 bis 40 Prozent der heutigen Büroarbeiten in kürzester Zeit, wir reden hier von Monaten, ersetzbar wären durch Künstliche Intelligenz und das heißt automatisch, es wird eine Wirkung auf den Arbeitsmarkt geben.

    Sascha Lobo

    Wir haben zwar einen Fachkräftemangel, und er kann zum Teil behoben werden durch Künstliche Intelligenz. Aber erfahrungsgemäß zeigt sich, dass einige Menschen, die mit Technologie konkurrieren, in dem, was sie tun, dann davon profitieren.

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    Die werden dann besser bezahlt, auch weil sie KI instrumentell anwenden können. Und eine Vielzahl von den anderen - die werden vielleicht nicht arbeitslos, aber die werden früher oder später deutlich schlechter bezahlt als das, was ihr Fähigkeits-Set eigentlich hergibt. Und das heißt, die Schere spreizt sich weiter auf.

    Wir sehen nicht sofort, dass Menschen arbeitslos werden. Das kann passieren, wird aber nicht das Hauptmerkmal sein.

    Sascha Lobo

    Meiner Ansicht nach wird aber eines der wichtigsten Merkmale sein, dass immer mehr Menschen unter ihrer Qualifikation arbeiten. Und einige wenige, die mit KI arbeiten, können sehr viel mehr Geld verdienen.
    ZDF: Wenn die Welt durch die KI doch nicht untergeht - gibt es etwas, worauf Sie sich freuen, was Sie optimistisch stimmt in der Frage der Künstlichen Intelligenz?
    Lobo: Ich bin schon, weil ich zwei sehr kleine Kinder habe, notorischer Optimist - also bis ins Unangenehme hinein Optimist. Als solcher möchte ich aber nicht den Blick dafür verstellt wissen, dass wir eine regelmäßig anwendbare Grundweisheit in der Technologie haben. Und die lautet: Die schlimmen und die schwierigen Sachen, die schlechten Folgen der Technologie, die kommen von ganz allein. Und für die guten Folgen der Technologie müssen wir lange und hart arbeiten. Und das ist auch der Grund, warum ich glaube, dass wir die KI umarmen müssen.
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    Wir als Gesellschaft gerade in Europa und in Deutschland haben eine Mitverantwortung, die positiven Folgen der KI uns selbst zu erarbeiten, gemeinschaftlich mit dem Rest der Welt natürlich. Aber ich glaube schon, dass die europäischen Werte, die quasi das Fundament der EU bilden, dass die mit Eingang finden sollten, in die Weiterentwicklung der KI.
    Und das passiert nicht, wenn man das zum Beispiel großen Konzernen überlässt. Und da ist mir auch egal, ob die jetzt aus China kommen oder aus anderen Teilen der Welt, weil da ganz häufig, das haben wir in der Vergangenheit gesehen, nach anderen Regeln gespielt wird, als wir das in Europa für richtig halten.
    Das Interview mit Sascha Lobo führte Norbert Polster.
    Quelle: ZDF

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