Hessen: Lkw-Fahrer streiken trotz "Schlägertrupp" weiter

    Nach Vorfall mit "Schlägertrupp":Lkw-Fahrer: "Lassen uns nicht einschüchtern"

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    Ihr Streik hat Schlagzeilen gemacht - auch wegen des "Schlägertrupps", den ihr Chef vorbeischickte. Wie geht es für die Lkw-Fahrer auf der Raststätte jetzt weiter?

     Hessen, Weiterstadt: Die streikende LKW-Fahrer stimmen mit Handzeichen über ihre Forderungen ab.
    Die streikenden Lkw-Fahrer stimmen im hessischen Gräfenhausen mit Handzeichen über ihre Forderungen ab.
    Quelle: dpa

    Seit Tagen sind rund 50 Fernfahrer aus Georgien und Usbekistan auf einer Raststätte in Südhessen im Streik. Die Nächte werden langsam ungemütlich kalt, denn mit den zu Ende gehenden Diesel-Vorräten läuft auch die Standheizung in den Fahrerkabinen der streikenden Lastwagenfahrer nicht mehr.

    Wir haben bis jetzt durchgehalten, wir wollen weiterkämpfen. Wir haben keine Angst. Wir lassen uns nicht einschüchtern.

    Ruslan, Fernfahrer im Streik

    Die Fernfahrer einer polnischen Firma, die Ende März auf der Raststätte Gräfenhausen an der A5 in der Nähe von Darmstadt in Streik getreten sind, haben turbulente Tage hinter sich.

    Uniformierte Sicherheitsleute in gepanzerten Fahrzeugen

    Die meisten der Männer stammen aus Georgien und Usbekistan, sind nach Gewerkschaftsangaben Scheinselbstständige im Auftrag des polnischen Spediteurs. Die Fahrer, die nach eigenen Angaben seit Monaten auf ihr Geld warten, erhielten am Karfreitag ungebetenen Besuch vom Inhaber der Spedition - und er kam nicht allein.
    In drei Kleinbussen und zwei Fahrzeugen rückten 18 Mitarbeiter der "Patrol Rutkowski" an, eines Sicherheitsunternehmens, das der Spediteur angeheuert hatte. Einige der teils maskierten, schwarz gekleideten breitschultrigen Männer, die sich vor den Fernfahrern aufstellten, hatten Abzeichen um den Hals baumeln, die an Sheriffsterne erinnerten.
    Hessen, Weiterstadt: Ein gepanzerter Wagen des Sicherheitsdienstes steht nach einem Polizeieinsatz auf der Raststätte Gräfenhausen.
    Ein gepanzerter Wagen des polnischen Sicherheitsdienstes wird von der Polizei kontrolliert.
    Quelle: dpa

    Ein polnisches Kamerateam war mit angereist, anscheinend sollte die Entschlossenheit des Unternehmers auch dem heimischen Publikum demonstriert werden. Deutsche Gewerkschafter, die den Vorfall beobachteten, sprachen von einem "paramilitärischen Schlägertrupp".

    SPD in Hessen verurteilt Einschüchterung der Lkw-Fahrer

    Krzysztof Rutkowski, der Chef der schwarz gekleideten Security-Truppe, gibt sich in einem Interview des polnischen Online-Portals "Wirtualna Polska" harmlos und macht der deutschen Polizei Vorwürfe und behauptet, die Aktion am Karfreitag sei angemeldet gewesen, um mit den Streikenden "Verhandlungen" zu führen.
    Die Fahrer hätten seine Leute angegriffen, behauptet Rutkowski, der in seiner Heimat eine schillernde Figur ist. "Das, was am Freitag geschehen ist, darf sich ein Rechtsstaat nicht gefallen lassen", sagt der Fraktionsvorsitzende der SPD im hessischen Landtag, Günther Rudolph, am Sonntag.

    Es darf keine Selbstjustiz auf hessischem Grund geben.

    Günther Rudolph, SPD-Fraktionsvositzender in Hessen

    Solidarität von Gewerkschaften und Politikern

    "Was hier in Gräfenhausen passiert, das kann überall passieren - und oftmals sehen wir es nicht", sagt der rheinland-pfälzische Arbeitsminister Alexander Schweitzer (SPD). Das Gute am Streik sei: "Endlich schaut Deutschland mal hin und sieht, was passiert auf deutschen Straßen."
    Bei veganem Erbseneintopf und Halal-Würstchen erhalten die Fahrer am Sonntag Solidarität von Gewerkschaftern und Politikern. Hilfe kommt auch in Form von zusätzlichem Treibstoff, den die Gewerkschaft Verdi den Fahrern vorbeigebracht hat, damit sie in den Nächten nicht frieren müssen.

    Lkw-Fahrer aus Georgien: "Weihnachten war ich zuletzt zu Hause"

    Eine Familie bringt ein paar Kilo Nudeln und eine Palette Tomatensoße vorbei - immer wieder erfahren die Fahrer spontane Solidarität. In einem Lastwagen ist ein provisorischer Aufenthaltsraum mit Bierbänke aufgestellt worden, an denen die Streikenden sich zusammensetzen können.
     Eine Gebetskerze steckt am Ostersonntag in einem Brot auf einem provisorischen Tisch, an dem Lastwagenfahrer Zurab aus Georgien in einem LKW auf der Raststätte Gräfenhausen sitzt
    Eine Gebetskerze steckt am Ostersonntag in einem Brot auf einem provisorischen Tisch, an dem Lastwagenfahrer Zurab aus Georgien in einem LKW auf der Raststätte Gräfenhausen sitzt.
    Quelle: dpa

    Viele der anderen Fahrer waren oft seit Monaten nicht bei ihren Familien, lebten in ihren Wagen, obwohl die geltenden Vorschriften das nicht erlauben. Einer der streikenden Fahrer ist der Georgier Kakhaberi Maharadze. "Weihnachten war ich zuletzt zu Hause", sagt der Großvater von vier Enkelkindern.

    Mehrere Monate von der Familie getrennt

    Seit eineinhalb Jahren arbeitet Maharadze als Lastwagenfahrer, hoffte von einer Arbeit in Europa auf eine bessere Zukunft für seine Familie. "Eigentlich habe ich drei Jobs", sagt er. "Ich sitze nicht nur hinter dem Steuer, ich muss auch die Be- und Entladung machen und bin für die Sicherheit verantwortlich." Und trotzdem warte er seit Februar auf seinen Lohn.
    Quelle: dpa, Eva Krafczyk

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