Die Turonen: Thüringens braune Mafia und ihre Waffen

    Exklusiv

    Mehr als nur Drogenhändler:Thüringens braune Mafia und ihre Waffen

    von Michael Trammer und David Speier
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    Die Verfahren gegen die Neonazis der "Bruderschaft Thüringen" konzentrieren sich auf deren Drogenhandel. Recherchen legen nahe, dass sie auch im Waffenhandel aktiv sein könnte.

    Nahaufnahme eines männlichen Gesichts
    Kindheit und Jugend des Neonazi-Aussteigers - bis zur vollständigen Radikalisierung innerhalb der rechten Szene.10.05.2023 | 34:56 min
    Sie inszenieren sich wie eine Rockergruppe und agieren wie ein Drogenkartell: Die "Bruderschaft Thüringen", eine militante Neonazi-Gruppierung. Krypto-Handys, mehrere Kilogramm Marihuana und Crystal Meth, drei Handfeuerwaffen und 120.000 Euro Bargeld waren die Ausbeute mehrerer Großrazzien der Thüringer "Soko Gewinn" gegen die "Bruderschaft Thüringen".
    Sie besteht aus den "Turonen" als Führungsriege und der Unterstützungsgruppe "Garde 20". Auch ein anonymer Aussteiger, der unter dem Decknamen Michael in der neuen ZDF-Dokuserie "Geständnisse eines Neonazis" auftritt, bewegte sich im Kreis der Bruderschaft.

    Über Jahrzehnte war "Michael" in der rechten Szene, hat umfassendes Wissen aus dieser Welt. In der Dokuserie "Geständnisse eines Neonazis" packt "Michael" aus. Um seine Anonymität zu wahren, werden "Michael" und seine Erzählung virtuell animiert - eine Innovation. Den Dreiteiler finden Sie hier in der ZDFmediathek.

    Insider: Regelmäßiger Waffenhandel

    Laut Michael hat es noch andere Geschäfte gegeben, die nie aufgedeckt wurden. Regelmäßig seien Waffen vom Balkan über Österreich nach Deutschland, insbesondere nach Thüringen, geliefert worden.
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    Bisher sehen die Behörden im Fall der "Bruderschaft Thüringen" lediglich einen Verdacht des Handeltreibens mit Munition. Der Handel mit Waffen konnte nicht mit hinreichendem Tatverdacht nachgewiesen werden.
    Auf Nachfrage bestätigt der thüringische Verfassungsschutz, von entsprechenden transnationalen Waffenlieferungen zu wissen. Die zuständige Staatsanwaltschaft will sich zu dem Sachverhalt nicht äußern und verweist auf laufende Ermittlungen.
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    Wie Rechtsextreme die Krise nutzen25.10.2022 | 9:31 min

    Riesiger Prozess gegen braune Mafia

    Wegen anderer Delikte läuft in Erfurt seit fast einem Jahr ein Mammutprozess gegen die Neonazis. Zum Ermittlungserfolg hatten die "Soko Gewinn" die Kryptohandys geführt, über welche die Neonazis ihre kriminellen Geschäfte koordinierten.
    Ihnen wird der bandenmäßige Handel mit Betäubungsmitteln und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Zwangsprostitution sowie Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen.
    Gewaschen haben soll das Geld ein ehemaliger NPD-Kader und Szeneanwalt aus Hessen. Über eine Scheinbeschäftigung als IT-Techniker soll er auch den verurteilten NSU-Helfer Ralf Wohlleben unterstützt haben. Zu den Vorwürfen will dieser sich nicht äußern.

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    Jugenderholungszentrum Kiez Frauensee am Frauensee in Südbrandenburg

    Voriges Verfahren endete mit Deal für die Neonazis

    Spuren der angeklagten Neonazis lassen sich bis in die 90er Jahre in Medienberichten, Verfassungsschutz- und Ermittlungsakten finden. So spielt unter anderem einer der Anführer der Gruppe, Thomas W., in mehreren Rechtsrock-Bands.
    Kontakte unterhalten die Mitglieder der Bruderschaft zu dem verbotenen rechtsextremen Netzwerk "Blood and Honour" und deren militantem Arm "Combat 18".
    In den Fokus der Öffentlichkeit geriet die Gruppe um Thomas W. erstmals im Jahr 2014. Im thüringischen Ballstädt überfielen sie als Rache für ein eingeworfenes Fenster eine lokale Kirmesgesellschaft und verletzten zehn Personen teils schwer.
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    Der Prozess und das anschließende Revisionsverfahren zogen sich über sieben Jahre. Am Ende handelte die Staatsanwaltschaft einen Deal mit den Neonazis aus; sie kamen mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Nebenklage bezeichnete das Verfahren als Farce und verweigerte ein Plädoyer.

    Verbindungen zu österreichischer Gruppierung

    In dieser Zeit wurde die "Bruderschaft Thüringen" zum Rechtsrock-Großveranstalter. Als ihnen von den Behörden Steine in den Weg gelegt wurden, sahen die Neonazis sich nach neuen Geschäftsfeldern um.
    Wie der Aussteiger Michael berichtet, habe man dafür die österreichischen Kameraden von "Objekt 21" besucht und sich inspirieren lassen. In einem alten Bauernhaus betrieben Neonazis dort im Zeitraum 2010 bis 2013 einen Neonazi-Treffpunkt und nutzten diesen als Basis für ihre kriminellen Aktivitäten.
    "Objekt 21" übernahm "Handlanger-Tätigkeiten" wie etwa Brandstiftungen für das Rotlichtmilieu, an denen auch deutsche Neonazis beteiligt waren. 32 Urteile fielen in dem Komplex in Österreich, unter anderem gegen den Anführer der Gruppe Jürgen W.
    Obwohl er zu diesem Zeitpunkt bereits im Gefängnis saß, wurde er 2014 erneut wegen Waffenhandels und 2020 wegen illegalem Waffenbesitz verurteilt.
    In Thüringen baute die Bruderschaft in den vergangenen Jahren selbst ein kriminelles Netzwerk auf. Sie erwarb ein Bordell und handelte im großen Stil mit Drogen. In einem abgetrennten Verfahren wurde der Turone Marcel B. bereits wegen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und unerlaubtem Waffenbesitz zu elf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

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