Chicago: US-Polizisten töten Schwarzen mit fast 100 Schüssen

    Verkehrskontrolle in Chicago:Fast 100 Schüsse: US-Polizei tötet Schwarzen

    |

    Wieder ist in den USA ein Schwarzer von der Polizei getötet worden. Die Aufsichtsbehörde untersucht den Fall. Klar ist, dass Dutzende Male auf den Mann gefeuert wurde.

    Fast 100 Schüsse gegen Schwarzen bei US-Verkehrskontrolle
    Der Vater des Getöteten spricht zu Reportern in Chicago.
    Quelle: dpa

    In den USA ist erneut eine Debatte über Rassismus und Polizeigewalt entflammt, nachdem Beamte bei einer Verkehrskontrolle in Chicago nahezu 100 Schüsse auf einen schwarzen Mann abgefeuert und ihn so getötet haben.
    Der Vorfall ereignete sich bereits am 21. März in einer Wohngegend, aber die Behörde für polizeiliche Rechenschaftspflicht in Chicago (COPA) veröffentlichte die Bodycam-Aufnahmen der beteiligten Polizisten erst am Dienstag (Ortszeit). Die Familie des getöteten 26-Jährigen fordert weitere Aufklärung. 

    Anwälte der Familie: Polizisten in Zivilkleidung

    Ersten Erkenntnissen von COPA zufolge feuerte der Mann zuerst selbst einen Schuss ab und traf einen Polizisten am Unterarm, nachdem ihn fünf Beamte angehalten hatten. Anwälte der Familie geben an, die Polizisten seien in Zivilbekleidung aufgetreten.
    Auf dem Videomaterial ist zu sehen, wie sie sich mit gezückten Waffen auf das Auto des Mannes zubewegen. Zunächst fordern sie ihn auf, sein Fenster herunterzukurbeln und dann, die Tür zu öffnen - nach Behördenangaben wurde er wegen eines nicht angelegten Sicherheitsgurtes angehalten.
    Die Bilder zeigen, wie der Mann offenbar nicht sofort den Anweisungen folgt, ein Schuss ist zu hören und die Situation eskaliert innerhalb kürzester Zeit.

    COPA: Etwa 96 Schüsse in 41 Sekunden

    Wie COPA mitteilte, feuerten die Beamten über 41 Sekunden hinweg ungefähr 96 Mal auf den Mann, auch dann noch, als er die Autotür geöffnet hatte und zu Boden fiel. Den Angaben zufolge wurde er in ein Krankenhaus gebracht und dort für tot erklärt.
    Auf seinem Beifahrersitz wurde demnach später eine Waffe entdeckt. COPA teilte weiter mit, die Ermittlungen dauerten an. Das FBI und das US-Justizministerium würden über den Verlauf informiert.
    Man habe zudem darum gebeten, vier Beamte vorerst von ihren polizeilichen Befugnissen zu entbinden. 
    In Polizeifahrzeug umgerüstetes ehemaliges Armeefahrzeug.
    Polizisten in den USA haben allein im Jahr 2017 fast 1.000 Menschen getötet. Handyvideos von brutalen Polizeieinsätzen kursieren im Netz. Die Ordnungshüter sind selbst zur Gefahr geworden.22.10.2020 | 43:56 min

    Umstände der Verkehrskontrolle werden diskutiert

    Die Familie des Getöteten stellte die Umstände der Verkehrskontrolle zur Diskussion. Die Beamten hätten sich nie zu erkennen gegeben, sagte ihr Anwalt am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Es habe sich um Polizisten in Kapuzenpullis und Baseballkappen gehandelt, auch das Polizeiauto sei nicht gekennzeichnet gewesen.

    Wir haben ein Problem mit der Polizeiarbeit in dieser Stadt.

    Anwalt der Familie

    Fünf Beamte seien "bewaffnet aus einem Auto gesprungen, für einen jungen Mann, der nicht angeschnallt war".

    Fall George Floyd löste Proteste aus

    In den USA kommt es regelmäßig zu tödlichen Polizeieinsätzen ähnlicher Art. Stellvertretend steht dafür der Fall von George Floyd, der vor wenigen Jahren nationale Proteste auslöste.
    Im Mai 2020 war der Afroamerikaner bei einem brutalen Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten.
    Der weiße Beamte Derek Chauvin presste dabei sein Knie gut neun Minuten lang auf Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Der Fall führte damals zu landesweiten Protesten gegen Polizeigewalt und Rassismus.
    Quelle: dpa

    Mehr zum Thema Polizeigewalt