Kirchenasyl für Honecker: DDR-Pfarrer Uwe Holmer gestorben

    Er gewährte Honecker Kirchenasyl:DDR-Pfarrer Uwe Holmer gestorben

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    Der Pfarrer und Theologe Uwe Holmer, der den ehemaligen DDR-Politiker Erich Honecker in seinem Pfarrhaus aufnahm, ist tot. Er starb in der Nähe von Rostock und wurde 94 Jahre alt.

    Mecklenburg-Vorpommern, Serrahn: Uwe Holmer, Theologe und Pfarrer, bei einem Spaziergang vor seinem Haus. Archivbild
    Die Zeit, in der Uwe Holmer Erich Honecker in seinem Pfarrhaus aufnahm, wurde 2022 auch verfilmt. (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Uwe Holmer war ein zutiefst bescheidener und frommer Mensch. Keiner, der Rummel um seine Person mochte. Doch den gab es. Im Januar 1990 stand er schlagartig im internationalen Rampenlicht: Als er und seine Ehefrau auf Bitten der evangelischen Kirchenleitung das Ehepaar Erich und Margot Honecker in ihrem Pfarrhaus im brandenburgischen Lobetal für zehn Wochen aufnahmen.
    Die Sache war nicht unumstritten. Doch Holmer schrieb damals mit seinem Sinn für Vergebung Geschichte.
    Am Montagabend starb der evangelische Theologe im Alter von 94 Jahren in Serrahn bei Rostock, wo er seit 1992 mit seiner Familie lebte.
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    Demos gegen das Kirchenasyl für Honecker

    Holmer leitete ab 1983 in Lobetal die diakonische Einrichtung Hoffnungstaler Anstalten, die größte Behinderteneinrichtung in der DDR. Im Januar 1990 war die Stimmung im Land aufgeheizt. Für den krebskranken Honecker und seine Frau fand sich keine andere sichere Bleibe als im Pfarrhaus auf dem Anstaltsgelände. Insgesamt zehn Wochen dauerte das ungewöhnliche Kirchenasyl.
    Nicht nur Journalisten belagerten das Gelände, auch zahlreiche Demonstrierende. Sie hielten Schilder mit der Aufschrift "Keine Gnade für Honecker" hoch. Die Anfeindungen richteten sich auch gegen Holmer. Viele ostdeutsche Christen hatten kein Verständnis dafür, dass der Pastor ausgerechnet den Mann aufnahm, unter dessen Repressalien auch Kirchenmitglieder gelitten hatten.
     Militärparade.
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    Holmers Familie von der Stasi beobachtet

    Holmers Familie hatte das selbst erfahren. Sie wurde von der Stasi bespitzelt. Für acht ihrer zehn Kinder stellten die Holmers einen Antrag auf den Besuch der Erweiterten Oberschule. Keines von ihnen sei angenommen worden, trotz guter und bester Zensuren, so Holmer.

    Wir haben jedoch darüber keine Bitterkeit im Herzen, da wir in der Nachfolge unseres Herrn wirklich vergeben haben.

    Uwe Holmer, Pfarrer aus der DDR

    "Auch haben wir erlebt, dass Gott unsere Kinder auch ohne Abitur freundlich geführt hat", schreibt Holmer in seiner Biografie mit dem Titel "Der Mann, bei dem Honecker wohnte".
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    Uwe Holmer setzte sich für Vergebung ein

    Die Frömmigkeit, die aus seinen Worten spricht, mag irritierend wirken. Doch sie ist es, die den Menschen Uwe Holmer ausmacht, der 1929 in Wismar zur Welt kam und der sein ganzes Leben versuchte, den Glauben immer als Richtschnur seines Handelns zu nehmen, auch wenn er dafür, wie er selber schreibt, "manches Mal angesehen wurde als 'armer, weltfremder Tropf'".
    Auch die Aufnahme der Honeckers in seinem Pfarrhaus resultierte aus seinen Glaubensüberzeugungen. So schreibt Holmer in seinen Lebenserinnerungen: "Wir bedachten, dass wir an jedem Sonntag in unserer voll besetzten Kirche im Vaterunser beten: 'Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.' Könnten wir das ehrlich weiterbeten, wenn wir das nicht auch praktizieren?"
    Noch etwas Anderes war ihm wichtig: "Dieses Argument, dass wir die neue Epoche in unserem Land nicht mit Hass und Streit beginnen sollten, weil es das Miteinander noch schwerer machen würde und weil die zentrale christliche Botschaft die Vergebung und Versöhnung ist, hat vielen geholfen, uns besser zu verstehen."
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    Gemeinsame Zeit mit Erich Honecker wurde verfilmt

    Nach seinem Theologie-Studium war Holmer zunächst bis 1967 Landpfarrer im mecklenburgischen Leussow, anschließend Direktor der Bibelschule Falkenberg in Berlin. 1983 wurde er dann Leiter der Hoffnungstaler Anstalten.
    Nach der deutschen Wiedervereinigung gehörte er zum Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, einem Netzwerk konservativer Protestanten. Im Ruhestand kehrte Holmer nach Mecklenburg zurück und engagierte sich in der diakonischen Rehaklinik für Suchtkranke in Serrahn. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete er erneut, eine Witwe mit fünf Kindern.
    Als im März 2022 das ZDF den Fernsehfilm "Honecker und der Pastor", das Regiedebüt von Jan Josef Liefers, ausstrahlte, richteten sich die Augen der Öffentlichkeit wieder auf Holmer. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte er damals, es gehe ja nicht direkt um ihn selber, "sondern um einen Film, der eine Sache darstellt, nämlich die Bedeutung von Vergebung als wichtige Bedingung für einen Neuanfang und ein konstruktives Miteinander".
    Sehen Sie den Film "Honecker und der Pastor" hier:
    Quelle: KNA

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