Brände in Kanada: Rückkehr nach Kelowna und ins Ungewisse

    Verheerende Brände in Kanada:Rückkehr nach Kelowna - und ins Ungewisse

    ZDF-Reporter David Sauer in Edmonton/Kanada
    von David Sauer
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    Die kanadische Provinz British Columbia glich zuletzt einem Flammenmeer, etliche Menschen mussten fliehen. Nun dürfen die ersten zurückkehren und wissen nicht, was sie erwartet.

    Waldbrand in Kanada
    Mehr als 1.000 Brände wüten in Kanada. Die Regierung von British Colombia spricht von der schlimmsten Waldbrandsaison aller Zeiten.23.08.2023 | 5:57 min
    Als Chris Burton am Mittwochmorgen um 1 Uhr durch die Tore seiner Stadt fährt, weiß er noch nicht, ob er sein Leben so fortsetzen kann, wie er es fünf Tage zuvor abrupt hatte unterbrechen müssen. Er und seine sechzehnjährige Tochter gehörten zu den vielen tausend Bewohnern von Kelowna in der kanadischen Provinz British Columbia, die vergangene Woche vor den wütenden Waldbränden flüchten mussten.
    Vergangenen Freitag war das, die Feuerwehr hatte mehrere Stadtviertel wegen der herannahenden Flammen evakuiert.

    Viele waren bei Freunden und Familie untergekommen

    Die Regierung von British Columbia hatte die Evakuierungsanordnung für Teile von Kelowna und benachbarte Orte zu Mitternacht von Dienstag auf Mittwoch schließlich aufgehoben.
    Dieser Mittwoch war deshalb der Tag der großen Rückkehr nach Kelowna. Viele Bewohner waren einige Tage bei Freunden oder Verwandten untergekommen, in sicherer Entfernung.
    20.08.23 Kanada, Waldbrände in der Nähe des Downton Lake im südlichen Teil von British Columbia
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    Auf einer Fähre über den Upper Arrow Lake saßen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch viele Rückkehrer. Auf den Ladeflächen ihrer Pickup-Trucks haben einige das verstaut, was sie nicht zurücklassen wollten - Fahrräder, Möbel, Kleidung. Einige gehen ein paar Meter mit ihren Hunden spazieren. Unter ihnen sind auch Chris Burton und seine Tochter.

    Starker Wind trug das Feuer über den Lake Okanagan

    Chris öffnet auf seinem Handy Videos von den Bränden, die er in der Nacht vor der Flucht selbst aufgenommen hat. Sie zeigen, wie die Flammen sich über die Bergkuppe fressen und scheinbar unaufhaltbar auf die Wohngebiete zukommen.
    Kelowna ist eine zweigeteilte Stadt, getrennt durch einen See. Chris filmte von seinem Haus am Ostufer, wie West Kelowna auf der gegenüberliegenden Seite brennt.
    In der Nacht leuchtet das Feuer in den Videos grell, durch die Luft fliegen große Funken und brennende Teilchen, die der starke Wind über den Lake Okanagan bläst.

    Das Feuer wurde so auch auf unsere Seeseite getragen. Dabei dachten wir eigentlich, dass das Wasser es aufhalten würde.

    Chris Burton

    Dann entscheidet Chris, zu flüchten: "Wir wussten, dass wir nicht mehr bleiben können."

    Wer zurückkehrt, weiß nicht, ob sein Zuhause noch da ist

    Fünf Tage verbrachten sie in Calgary, der nächsten großen Stadt. Natürlich haben sie dort die Nachrichten verfolgt, die täglichen Pressekonferenzen der Verantwortlichen. Fast 200 Häuser seien in der Region zerstört worden, hieß es da zuletzt. Ob das eigene dazu zählt, erfährt man nicht. Die Feuerwehrleute in Kelowna haben ganze Arbeit geleistet und viele tausend Häuser vor den Flammen bewahrt. Dass es aber keine Toten gibt, ist ihr größter Verdienst.
    Für die Burtons gibt es zur Rückkehr gute Nachrichten: Ihr Haus und ihre Nachbarschaft sind unversehrt. Die Feuerwehrleute konnten die Brände rechtzeitig stoppen. Für andere Familien wird an diesem Tag klar, dass ihr bisheriges Leben, ihr Haus, den Flammen zum Opfer gefallen ist. Sie stehen vor dem Nichts.
    Ein Haus, das von den Flammen verschont wurde, steht auf einem Hügel in Kelowna, Kanada.
    Einige Häuser blieben dank der Arbeit der Feuerwehrleute von den Flammen verschont.
    Quelle: ZDF

    Regen verbessert die Lage, der Brandgeruch bleibt

    Die Betroffenen sollen nicht aus dem Fernsehen erfahren, dass ihr Zuhause nicht mehr steht, auch deshalb lassen die Polizisten an den Straßensperren keine Presse zu den abgebrannten Gebieten. Am Hang ist jedoch deutlich zu sehen, wo die Flammen gewütet haben. Schwarz-weiß sind die verbrannten Flächen auf den sonst so grünen Hügeln von West Kelowna am Lake Okanagan.
    Der Wind hat nachgelassen, geregnet hat es auch in dieser Nacht, endlich wieder. Die lange Dürrephase hatte die schier endlos großen Wälder von British Columbia zu Zunder gemacht. Mit dem Regen verzogen sich auch die Rauchschwaden, die sich von den Hängen schon seit Tagen über die Stadt gelegt hatten. Der Brandgeruch ist zwar noch allgegenwärtig, das Atmen fällt aber wieder leichter. Und weil die Sicht sich gebessert hat, können die Löschhubschrauber wieder eingesetzt werden.
    ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen in Washington
    "Es sind etwa 14 Millionen Hektar bisher abgebrannt bei über 5.700 Feuern, die derzeit brennen", es wüten "immer noch 1.000 verschiedene Waldbrände, davon sind ein Drittel außer Kontrolle", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen zu den Waldbränden in Kanada.21.08.2023 | 3:42 min

    Feuerwehr: Bislang keine Todesopfer

    Es scheint, als sei der Kampf gegen die Flammen in der Region um Kelowna vorerst gewonnen. Zwar würden die Feuer womöglich noch Monate lodern, erklärt Chief Jason Brolund vom West Kelowna Fire Department am Donnerstag auf der täglichen Lagepressekonferenz.

    Heute kann ich nach bestem Wissen und Gewissen und unter Einsatz der besten uns zur Verfügung stehenden Mittel mitteilen, dass bis heute niemand gestorben ist.

    Jason Brolund, West Kelowna Fire Department

    Zehntausende mussten ihre Häuser verlassen

    Kanada erlebt derzeit die schlimmste Waldbrandsaison aller Zeiten. 15 Millionen Hektar Waldfläche sind in diesem Jahr bereits verbrannt. Der menschengemachte Klimawandel hat die Wahrscheinlichkeit solcher Extremereignisse erhöht, die Bedingungen für die Katastrophe ermöglicht.
    In der vergangenen Woche waren mehr als 50.000 Menschen, darunter die gesamte Bevölkerung der Hauptstadt der Northwest-Territories, Yellowknife, gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. Auch dort, 2.000 Kilometer nördlich, erhielten die Feuerwehrleute etwas Hilfe durch Regen und nachlassende Winde.

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