Nach Beleidigung per WhatsApp: Ist eine Kündigung rechtens?

    Wie privat ist eine Chatgruppe?:Beleidigung per WhatsApp: Kündigung möglich

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    Wegen Beleidigungen über den Chef in einer privaten WhatsApp-Gruppe hat eine Firma Mitarbeiter entlassen. Laut Bundesarbeitsgericht kann das unter Umständen rechtens sein.

    Symbolbild: Ein Jugendlicher tippt auf einem Smartphone
    Was hat es für Folgen, sollten Beleidigungen von Kollegen oder Chefs öffentlich werden?
    Quelle: dpa

    Pöbeleien und böse Beleidigungen treffen auch Manager und Arbeitnehmer im Internet. Wenn solche Schmähungen durch Kollegen öffentlich sind, drohen außerordentliche Kündigungen. Aber wie öffentlich oder privat sind ehrverletzende Äußerungen in geschlossenen Chatgruppen?
    Nun hat sich das Bundesarbeitsgericht in Erfurt mit der Frage beschäftigt und klar gestellt: Unter Umständen können auch krasse Beleidigungen in privaten Chats eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Es komme auf die Größe der Chatgruppe und deren Zusammensetzung an.

    Ausgangsfall: Chatgruppe mit sieben Arbeitskollegen

    Der Entscheidung liegt ein Fall aus Niedersachsen zugrunde. Bis zu sieben befreundete Arbeitskollegen einer Fluggesellschaft, darunter zwei Brüder, bildeten über Jahre eine Gruppe bei WhatsApp und tauschten fleißig Nachrichten über ihre privaten Smartphones aus. Ihr Arbeitgeber geriet in Turbulenzen, Umstrukturierungen standen an.
    Mitglieder der Chatgruppe sollten 2022 in eine Transfergesellschaft wechseln. Monate davor wurde ein Teil ihres Chat-Verlaufs mit wüsten Beschimpfungen gegen einen ihrer Chefs kopiert und gelangte zunächst an den Betriebsrat und dann an den Personalchef - immerhin ein 316-seitiges Dokument.
    Dessen Echtheit bestätigte einer der Beteiligten schriftlich, wie aus dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen von Dezember 2022 hervorgeht. Hintergrund soll ein Arbeitsplatzkonflikt gewesen sein.
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    Arbeitgeber reagiert mit außerordentlicher Kündigung

    Dem Personalchef des Unternehmens wurde beim Lesen einiges zugemutet: Die Chats enthielten beleidigende, rassistische, teilweise menschenverachtende und sexistische Äußerungen sowie Aufrufe zu Gewalt. Unter anderem ist von "in die Fresse hauen" die Rede.
    Der Arbeitgeber reagierte mit außerordentlichen Kündigungen, denen der Betriebsrat zustimmte. Die Betroffenen zogen vor Gericht - bis in die letzte Instanz.
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    Vorinstanzen: Äußerungen in privaten Chatgruppen sind schutzwürdig

    Das Arbeitsgericht Hannover und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen gaben den Klagen der pöbelnden Arbeitnehmer statt. Der Arbeitgeber sollte ihnen Gehalt nachzahlen.
    Das Landesarbeitsgericht, das eine Revision zuließ, begründete seine Entscheidung so:

    Äußerungen in einer privaten Chatgruppe genießen als Ausdruck der Persönlichkeit und Bedingung ihrer Entfaltung verfassungsrechtlichen Schutz, der dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgeht, wenn der Äußernde auf die Wahrung der Vertraulichkeit vertrauen durfte.

    Urteilsbegründung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen

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    Bundesarbeitsgericht sieht Möglichkeit für Kündigung

    Dem hat das Bundesarbeitsgericht nun widersprochen. Auf die Vertraulichkeit der Kommunikation könne man sich bei größeren Chatgruppen nur im Ausnahmefall berufen. In einer Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts heißt es:
    "Sind Gegenstand der Nachrichten - wie vorliegend - beleidigende und menschenverachtende Äußerungen über Betriebsangehörige, bedarf es einer besonderen Darlegung, warum der Arbeitnehmer berechtigt erwarten konnte, deren Inhalt werde von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben."
    Auch beleidigende Äußerungen in geschlossenen WhatsApp-Gruppen mit Arbeitskollegen können also unter Umständen arbeitsrechtliche Konsequenzen mit sich bringen.
    Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall nun zur weiteren Klärung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Die soll sich erneut mit dem Inhalt der ausgetauschten Nachrichten sowie der Größe und personellen Zusammensetzung der Chatgruppe beschäftigen.

    Fristlose Kündigung nur mit wichtigem Grund möglich

    Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Kollegen landen immer wieder vor Arbeitsgerichten, insbesondere solche Äußerungen, die öffentlich in soziale Netzwerken eingestellt werden. Eine fristlose Kündigung ist dann grundsätzlich möglich.
    Es muss allerdings immer ein wichtiger Grund vorliegen, sagt ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich. Das heißt: Der Betriebsfriede muss so nachhaltig gestört sein, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine weitere Zusammenarbeit bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist unzumutbar ist.
    Quelle: ZDF-Redaktion Recht und Justiz, dpa

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