"Meine Mitarbeiterin wurde abgeschlachtet"

    Interview

    Augenzeuge aus Sderot:"Meine Mitarbeiterin wurde abgeschlachtet"

    von B. Spiekermann und D. Rzepka
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    Robert Albin kommt aus Sderot im Süden Israels. Den Anschlag der Hamas hat er nur knapp überlebt, er kennt viele Opfer. Sderot sei eine tote Stadt.

    Israel, Sderot: Eine zerstörte Polizeistation in Sderot
    Sderot: Eine zerstörte Stadt
    Quelle: dpa

    ZDFheute: Herr Albin, Sie leben in Sderot. Dort haben Sie den Angriff der Hamas überlebt. Können Sie die Ereignisse beschreiben?
    Robert Albin (atmet tief durch): Im Süden Israels, direkt neben dem Gaza-Streifen, sind viele Menschen von Hamas-Terroristen abgeschlachtet worden. Am Samstagmorgen hat eine regelrechte Invasion stattgefunden.
    Die Terroristen haben Babys, Mütter und ältere Frauen gefangen genommen, ich weiß gar nicht wie viele. Einige wurden getötet.

    Auch meine Mitarbeiterin wurde in ihrem Büro regelrecht abgeschlachtet, ihr Ehemann, ihre zwei Töchter, 19 und 20 Jahre alt, und ihr 80-jähriger Vater. Das passierte am Samstagmorgen. Ich bin sehr, sehr traurig.

    Robert Albin, Philosophie-Professor an der Sapir Academy

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    ZDFheute: Und wie ist die Situation jetzt im Moment? Was wird Ihnen berichtet?
    Albin: Es sind immer noch Terroristen in der Stadt. Jetzt, in diesem Moment, während wir uns unterhalten, gibt es immer noch Schüsse auf den Straßen. Die Menschen sind in ihren Häusern, müssen ruhig sein, das Licht auslassen, um nicht von den Terroristen, die draußen sind, entdeckt und ermordet zu werden.

    Es ist wie bei Anne Frank während des Holocaust. Sie musste ebenfalls ruhig in ihrer Wohnung ausharren, damit die Soldaten sie nicht hören und wahrnehmen.

    Robert Albin, 60 Jahre alt

    Das ist die Situation, mit der wir es zu tun haben. Seit Samstag und Sonntag und immer noch in Sderot. Am Montag bin ich geflüchtet. Sderot ist gerade einmal zwei Kilometer vom nördlichen Gaza-Streifen entfernt.
    Auf der anderen Seite liegt die palästinensische Stadt Beit Hanoun. Ganz nah. Von dort kamen die Terroristen. Sie haben Menschen auf den Straßen gesucht, um sie zu erschießen. Das machen sie immer noch.

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    ZDFheute: Und das passiert immer noch?
    Albin: Ja, auch jetzt in diesem Moment wird noch geschossen. Die Menschen verbarrikadieren sich in ihren Wohnungen, suchen dort Schutz, lassen das Licht aus, machen keinerlei Geräusche.

    Sderot gleicht einer toten Stadt. Die Stadt ist geschockt.

    Robert Albin

    Die Hamas-Terroristen wollen nichts anderes als Kriegsverbrechen begehen - gegen Zivilisten, Babys, Kinder und Frauen jeden Alters. Meine Mitarbeiterin wurde ermordet mit ihren Kindern, ihrem Mann, ihrem Vater. Es ist einfach unvorstellbar. Ich kann es nicht verstehen, dieses Ausmaß an Grausamkeit.
    ZDFheute: Wo genau sind Sie jetzt?
    Albin: Ich bin seit Montag in der Nähe von Tel Aviv. Bei einem Freund, der sich gut um mich kümmert. Hier in der Nähe wohnen auch meine Tochter, ihr Mann und ihr Baby, meine Enkelin. Sie sind ganz nah.
    ZDFheute: Wie konnten Sie fliehen aus Sderot?
    Albin: Ich lebe im sechsten Stock und hatte Angst, zu meinem Auto runterzugehen. An jeder Ecke in den Straßen hätten Terroristen sein können. Ich habe dann israelische Soldaten in den Straßen von Sderot gehört und dann meine Chance genutzt.
    Ich bin zu meinem Auto gelaufen und habe gehofft, nicht erschossen zu werden. Ich habe es irgendwie geschafft.

    Auf dem Weg zu meinem Auto habe ich zwei andere Wagen mit zerschossenen Scheiben gesehen. Da waren israelische Soldaten. Dann bin ich geflohen. Ich bin schnell gefahren. So schnell wie ich konnte.

    Robert Albin über seine Flucht aus Sderot

    Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Und dass Sie meinen Zeugenbericht veröffentlichen.
    Das Gespräch führte Britta Spiekermann aus dem ZDF-Hauptstadtstudio.
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    ZDFheute Infografik
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