Experte über Nato: Wie kam es zur Abhängigkeit von den USA?
Interview
Neitzel über Trump und Ukraine:Nato: Warum sind wir so abhängig von den USA?
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Was bedeutet der nordkoreanische Einsatz in Kursk? Hat Trump wirklich Interesse, die Nato zu verlassen? Und wie kam es zur US-Vormachtstellung in der Nato? Fragen an Sönke Neitzel.
Militärisch sind weder die Nato noch die EU auf Augenhöhe mit den USA. Sollte Donald Trump wie angekündigt die US-Hilfen künftig streichen, wäre die Ukraine massiv unter Druck.12.11.2024 | 8:50 min
ZDFheute: Herr Neitzel, können Sie zusammenfassen, wie die Lage für die Ukraine an der Front gerade aussieht und was das Land im Winter erwartet?
Sönke Neitzel: Die Ukraine ist nach wie vor unter starkem Druck der russischen Streitkräfte. Die Russen rücken langsam, aber stetig vor, unter sehr großen Verlusten. Und die Ukraine ist unter einem permanenten Druck, gerade mit Blick auf den Winter: Es gibt Angriffe auf die Elektrizitätswerke, die Kraftwerke, die Infrastruktur. Es ist nicht so, dass die Front zusammenzubrechen droht, soweit sind wir nicht. Aber der Druck ist sehr hoch und der Gegenangriff bei Kursk hat nicht dazu geführt, dass dieser permanente Druck der russischen Streitkräfte nachgelassen hätte.
Quelle: dpa
... ist Militärhistoriker und Inhaber des Lehrstuhls für Militärgeschichte und Kulturgeschichte der Gewalt an der Uni Potsdam. Davor lehrte er unter anderem an der University of Glasgow und der London School of Economics. Sein Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem bei der Militär- und Gewaltgeschichte der Moderne.
ZDFheute: In Kursk sollen nun Nordkoreaner an der Seite Russlands kämpfen. Was bedeutet ihr Einsatz?
Neitzel: Ich glaube nicht, dass der Einsatz nordkoreanischer Truppen ein Zeichen russischer militärischer Schwäche ist. In diesem Krieg kämpfen Hunderttausende Ukrainer und Russen gegeneinander. Da machen 10.000 nordkoreanische Soldaten keinen sehr großen Unterschied. Das ist nicht der große Gamechanger.
Ein Signal, dass Wladimir Putin nicht isoliert ist, dass er über weitere Ressourcen verfügt. Und jeder weiß, die nordkoreanische Armee ist riesig, die ist vielleicht nicht besonders leistungsfähig. Aber als Kanonenfutter eignen sie sich in jedem Falle. Putin spart das Leben der eigenen Soldaten und muss weniger Leute aus seinem Land einziehen. Darauf muss der Westen reagieren.
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ZDFheute: Der Westen muss aktuell auch auf die Wiederwahl Donald Trumps reagieren. Er signalisiert, dass die Europäer längerfristig alleine auf sich aufpassen sollen. Was wäre denn die Nato heute ohne die USA? Und was ist eine Folge, wenn Trump Zweifel an diesem Beistandspakt überhaupt sät?
Neitzel: Die Nato ohne die USA ist für mich nicht vorstellbar als Pakt, denn es heißt ja nicht umsonst North Atlantic Treaty Organization. Und wenn man die andere Seite des Nordatlantik rausnimmt mit den USA, dann ist die Nato tot.
Dann gäbe es wahrscheinlich ein europäisches Verteidigungsbündnis. Aber ohne bestimmte Fähigkeiten der USA, die eben auch nur die Vereinigten Staaten haben, ist das Baltikum nicht ernsthaft zu verteidigen.
Und wir sehen jetzt schon, wie lange es - trotz "Zeitenwende" - dauert, bis mühsam in kleinstem Umfang Fähigkeiten aufgebaut werden. Das ist ja nicht nur in Deutschland so, das ist auch in Italien, in Frankreich, in Großbritannien so.
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ZDFheute: Warum sind wir Europäer eigentlich seit dem Zweiten Weltkrieg so abhängig von der Schutzmacht USA?
Neitzel: Diese Abhängigkeit der Europäer von den USA war natürlich auch Teil einer amerikanischen Machtpolitik. Die USA haben versucht, die Verbreitung von Atomwaffen möglichst zu verhindern. Im begrenzten Maße haben sie es in Europa den Briten und Franzosen gestattet. Aber sie waren der Hegemon, der übrig geblieben ist, und die Europäer waren nach dem Zweiten Weltkrieg massiv geschwächt.
Das war das Ergebnis der Schwächung nach zwei Weltkriegen, der Selbstzerfleischung Europas in den Jahren von 1914 bis 1945. Die USA hatten keinen Krieg auf ihrem Territorium erlebt.
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Es ging auch darum, diesen Machtanspruch weiter aufrechtzuerhalten. Und die USA hatten im Kalten Krieg kein Interesse, Europa den Europäern zu überlassen und diese hätten ihre eigene Sicherheit gegen die Sowjetunion auch nicht garantieren können.
Für die Europäer war diese Rollenverteilung auch bequem. Denn es waren die USA, die finanziell die Hauptlast trugen und unglaublich viel in Sicherheit investiert haben. Und die Europäer haben dieses Geld eher in ihre Sozialsysteme, in die Renten, in die Infrastruktur investiert.
Das Interview führte Katja Belousova für ZDF frontal.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.