Grünen-Rebell: Boris Palmer bleibt Rathauschef in Tübingen

    Wahlsieg in Tübingen:Nahbar, provokant: Palmer will Palmer bleiben

    von Sven Class und Dominik Rzepka
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    Es ist ein fulminanter Wahlsieg von Boris Palmer, dem wohl bekanntesten Kommunalpolitiker Deutschlands - der im Wahlkampf politisch alles riskiert hat: Sieg oder Karriereende.

    Boris Palmer, der alte und neue Oberbürgermeister von Tübingen
    Boris Palmer, der alte und neue Oberbürgermeister von Tübingen.
    Quelle: Bernd Weißbrod/dpa

    Eigentlich hat der alte und neue Tübinger Oberbürgermeister heute einen freien Tag, trotzdem ist er am Vormittag auf dem Tübinger Marktplatz, direkt vor dem Rathaus, unterwegs. Ein Schwätzchen hier, ein kurzes Winken da. Er hört kritische Worte von manchen, aber auch Lob und Glückwünsche von seinen Tübingern.
    Viele schätzen genau diese Präsenz, das Ansprechbar-sein, die Nahbarkeit an Palmer. Wohl auch deshalb haben sie ihn am Sonntag wieder ins Amt gewählt, für weitere acht Jahre.
    Boris Palmer
    Der in seiner grünen Partei umstrittene Boris Palmer holte bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit mit 52,4 Prozent. Somit geht er in seine dritte Amtszeit als Oberbürgermeister.24.10.2022 | 2:03 min

    Palmer holt absolute Mehrheit im ersten Wahlgang

    Es ist ein fulminanter Wahlsieg für Boris Palmer: 52,4 Prozent der Stimmen, eine absolute Mehrheit bereits im ersten Wahlgang. Seine fünf Konkurrenten ließ er damit weit hinter sich. Am besten schnitt noch die Kandidatin der Grünen, Ulrike Baumgärtner, ab. Sie kam auf 22 Prozent der Stimmen, SPD-Kandidatin Sofie Geisel erreichte 21,4 Prozent. Beide lagen sie damit aber weit hinter dem streitbaren Palmer, der mit seinen Aussagen oft provoziert und polarisiert.
    Mitten in der Pandemie sagte er etwa in Bezug auf Ältere: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären."

    Partei-Ausschlussverfahren der Grünen gegen Palmer scheiterte

    In einem Post über den Fußballer Dennis Aogo verwendete er das rassistische N-Wort. Er beteuerte anschließend zwar, das ironisch gemeint zu haben. Seine grüne Partei startete dennoch ein Ausschlussverfahren gegen Palmer, der in seiner Partei immer wieder aneckte, dessen Aussagen viele Grüne ein ums andere Mal auf die Palme brachten.
    Das Verfahren endete im vergangenen April mit einem Kompromiss: Palmer lässt seine Mitgliedschaft noch bis Ende 2023 ruhen. Er trat deshalb zu dieser Wahl auch als unabhängiger Bewerber an, während die Grünen eine eigene Kandidatin ins Rennen schickten. Palmer triumphierte gestern Abend dennoch, auch gegen die eigene Partei.

    Reaktionen der Grünen: Glückwünsche und Ärger

    Nur wenige Stunden, nachdem der Wahlerfolg Palmers klar war, reagierte auf Twitter mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir ein prominenter Grüner und gratulierte: "Man kann’s ja so sehen: Über 70 Prozent wählen auf die ein oder andere Art in #Tübingen grün. Herzlichen Glückwunsch an den Wahlsieger #BorisPalmer. Als Ex-Tübinger wünsche ich der Stadt weiterhin viel Öko & mehr Zusammenhalt, zu dem alle ihren Beitrag leisten können."
    Cem Özdemir beglückwünscht "grünem" Boris Palmer
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    Der innenpolitische Sprecher der Berliner Grünen-Fraktion, Vasili Franco, hatte die Wahl Palmers dagegen scharf kritisiert: "Mit Boris Palmer hat Deutschland jetzt den ersten AfD Oberbürgermeister. Traurig", twitterte Franco. Eine ZDFheute-Anfrage ließ Franco am heutigen Montag unbeantwortet. Widerspruch gab es von Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz: "So ein Bullshit, lieber Vasili! Meine Güte."

    Grünen-Chef hofft auf "leisere Töne" von Palmer

    Auch Grünen-Chef Omid Nouripour distanzierte sich von dem Tweet Francos. Er sei "grottenfalsch" und inzwischen gelöscht worden. Er selbst habe Palmer inzwischen gratuliert - verbunden mit der Hoffnung, Palmer werde aus seinem Wahlsieg eine Lehre ziehen und künftig ähnlich wie im Wahlkampf "leisere Töne" anschlagen.
    Glückwünsche gab es dagegen vom Ex-Kanzlerkandidaten von CDU/CSU, Armin Laschet: "Als unabhängiger Kandidat ohne Unterstützung seiner Partei eine Wahl zu gewinnen, verdient Respekt und Anerkennung. Glückwunsch an #BorisPalmer und an die Studentenstadt #Tübingen, dass sie sich mit 62 Prozent Wahlbeteiligung nicht vorschreiben lassen, wen sie zu wählen haben."
    Armin Laschet gratuliert Boris Palmer
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    In Tübingen polarisiert Palmer weiterhin

    Und was sagen die Menschen in Tübingen am Tag nach Palmers Wiederwahl? Auch dort polarisiert der 50-Jährige nach wie vor. Die Stimmen reichen von: "Er hat eine Persönlichkeit, die ich nicht schätze, deshalb habe ich ihn nicht gewählt", über "ich fand seine Äußerungen oft provokativ, aber er macht sicher einen guten Job", bis zu:

    Ich hätte schon gefunden, dass 16 Jahre reichen. Aber jetzt ist es auch okay. Er hätte auch gefehlt, wenn er nicht mehr da gewesen wäre.

    Bürgerin auf Tübinger Marktplatz

    Palmer will Palmer bleiben

    Palmer selbst hat bereits angekündigt, seinem Stil treu bleiben zu wollen, wie er noch am Abend seines Wahltriumphs durchblicken ließ:

    Warum sollte ein Oberbürgermeister, der zum dritten Mal mit absoluter Mehrheit gewählt wird, seinen Stil ändern?

    Boris Palmer, Oberbürgermeister von Tübingen

    Was wohl auch den letzten in seiner Partei klar machen dürfte: Einen Boris Palmer ändert man nicht. Sein baden-württembergischer Landesverband gratulierte dann am Morgen auch höflich und dankte der Kandidatin der Grünen, Ulrike Baumgärtner, für ihren "engagierten Wahlkampf".
    Und verweist in Bezug auf Boris Palmer und seine Zukunft bei den Grünen auf die Beschlüsse des Schiedsverfahrens aus dem Frühjahr: Das enthalte neben dem Ruhen der Mitgliedschaft auch einen Passus über die Aufnahme von Gesprächen im kommenden Jahr.

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