Freie Presse in Bulgarien: Grenzwertig

    Geplanter Dreh im Grenzgebiet:Freie Presse in Bulgarien: Grenzwertig

    Britta Hilpert
    von Britta Hilpert
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    Ist Bulgariens Grenze zu durchlässig für Migranten? Korrespondentin Britta Hilpert wollte dieser Frage nachgehen - doch eine Dreherlaubnis bekam das ZDF nur mit Auflagen.

    Eine Grenzpolizist
    Bulgarisches Grenzgebiet: Kommen Migranten hier zu leicht durch? Archivbild
    Quelle: dpa

    Manchmal sind es die kleinen Geschichten, die viel erzählen über ein Land. Deshalb will ich diese kleine Geschichte erzählen über Bulgarien, ein wunderbares, vielfältiges Land, ein EU-Mitglied, das viel geschafft hat seit dem Beitritt 2007, aber auch nicht alles. Zum Beispiel nicht den Beitritt zum Schengen-Raum, der Grenzbarrieren fallen lässt, Handel erleichtert und die Wirtschaft ankurbelt.
    Österreich und die Niederlande blockieren Bulgariens Beitritt, unter anderem, weil angeblich Bulgariens Grenze zu durchlässig ist für Migranten. Die EU-Kommission sagt hingegen, Bulgarien habe seine "Schengen-Hausaufgaben" gemacht - was stimmt?

    Drehanfrage für bulgarische Grenze

    Da will man sich selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen, zumal am 9. Februar in Brüssel ein EU-Sondergipfel zum Thema Migration stattfindet. Das dachte sich wohl auch der österreichische Kanzler Nehammer kürzlich, als er an die bulgarische Grenze reiste.
    Vielleicht war er selbst ein wenig überrascht, als man ihn nur im Helikopter über die Grenze flog - das war sicher sehr schön, aber wenig zielführend. Auch wir stellten vor einiger Zeit eine Anfrage an das Innenministerium, um im Grenzgebiet zu drehen - im sicherheitssensiblen Grenzgebiet ist so etwas üblich.
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    Kein unabhängiger Ortsbesuch

    Gerade noch rechtzeitig vor dem EU-Gipfel am 9. Februar wurde uns nun eine Drehgenehmigung versprochen - für den übernächsten Tag und erst ab 18 Uhr. Den Hinweis, da sei es zu dunkel zum Drehen, konterte die Pressesprecherin mit Terminproblemen: Es ginge leider nur ab 18 Uhr, die Chefin der Grenzpolizei habe vorher Termine. Und ohne sie dürften wir nicht drehen.
    Man könne allerdings Bewegtbilder zur Verfügung stellen, die tagsüber gedreht wurden. Das ist natürlich alles andere als ein unabhängiger Ortsbesuch.

    Mitarbeiterin nicht willkommen

    Es kam nie zum Drehtermin, denn dem Innenministerium gefiel nicht, wer den Drehtermin machen sollte: unsere Kollegin Maria Cheresheva, die für uns seit Jahren fallweise als freie Mitarbeiterin arbeitet, hätte den kurzfristigen Termin mit einem bulgarischen Kameramann machen können.
    Zunächst schien das kein Problem, doch als ich dann den Namen durchgab, war es doch eines: Maria Cheresheva, die als freie Journalistin auch für andere unabhängige internationale und bulgarische Medien arbeitet, die Menschenrechtsverletzungen der bulgarischen Grenzpolizei aufdeckte, war nicht willkommen, denn "sie arbeite ja auch für bulgarische Medien". Und da könnten andere bulgarische Medien ja neidisch werden, so der Unterton, wenn Maria als Erste an die Grenze dürfe.
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    Einflussnahme nicht akzeptabel

    Dass sie diese Inhalte nur für das deutsche ZDF herstellt, dass sie damit deutsche Medien repräsentiert, das ließ die Sprecherin des Innenministeriums nicht gelten und nein, nein, es habe überhaupt nichts mit der Person Maria Cheresheva zu tun.
    Warum das Innenministerium überhaupt meint, bulgarische Medien nicht an die Grenze zu lassen, ausländische Medien aber schon - da kann man nur wild spekulieren. Tatsache ist: Deutschlands Wort hat Gewicht am EU-Gipfel-Tisch. Wir stellten klar, dass Einflussnahme auf die Wahl der Mitarbeiter für uns nicht akzeptabel ist. Wer für das ZDF arbeitet, bestimmt das ZDF und nicht eine Behörde oder die Vertreter einer Regierung.

    Keine Fortschritte an der Grenze zu vermelden

    Und so kam es nicht zu dem Drehtermin an der Grenze. Wir hätten gern berichtet, wie es nun aussieht an dieser Grenze, die ein Beleg sein soll für Bulgariens Fortschritt in Richtung EU. Erlebt haben wir aber auch so genug: Anscheinend gibt es etwas zu verbergen oder mindestens zu vermeiden.
    Anscheinend hat man eine andere Auffassung davon, wie unabhängige Berichterstattung läuft. Ich kann also nicht berichten, dass es in Bulgarien Fortschritte gibt an der Grenze, oder bei den EU-Werten. Leider eher im Gegenteil.
    Britta Hilpert ist Leiterin des ZDF-Studios Wien, zu dessen Berichtsgebiet auch Bulgarien gehört.

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