Früherer ZdK-Präsident und Minister Hans Joachim Meyer tot

    Früherer ZdK-Präsident:Ex-Minister Hans Joachim Meyer gestorben

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    Hans Joachim Meyer erlebte den Fall der DDR und das Erstarken von AfD und Pegida im Osten. Nun ist der letzte DDR-Bildungsminister und erste ostdeutsche ZdK-Präsident gestorben.

    Hans Joachim Meyer, Sachsens ehemaliger Kulturminister und Sprecher der Freunde der St. Hedwigs-Kathedrale, ist tot.
    Ehemaliger ZdK-Präsident und langjähriger Wissenschaftsminister Sachsens: Hans Joachim Meyer
    Quelle: dpa

    Er wollte in keine Schublade gesteckt werden. "In keiner Schublade" lautete denn auch der Titel seiner elegant formulierten Autobiografie 2015. Hans Joachim Meyer hat turbulente Zeiten erlebt: als Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), aber auch als sächsischer Wissenschaftsminister und CDU-Politiker in den Kabinetten von Kurt Biedenkopf und zuvor als Bildungsminister der letzten, frei gewählten DDR-Regierung von Lothar de Maizière. Am Freitag starb der gebürtige Rostocker im Alter von 87 Jahren in Potsdam, wie seine Familie am Samstagabend mitteilte.
    Unabhängiges Denken und Hartnäckigkeit - diese Eigenschaften kamen dem Sohn eines Apothekers und einer Lehrerin schon zu DDR-Zeiten zugute. Das Jurastudium musste er 1958 aus politischen Gründen abbrechen, ein Jahr später durfte sich Meyer für Anglistik und Geschichte in Ost-Berlin einschreiben. Trotz Distanz zum SED-Staat schaffte er es zum Professor der Sprachwissenschaften.

    Meyer verleugnete nie sein "Ossi-Herz"

    Seit den 1970er Jahren engagierte sich der Katholik mit preußischer Ausstrahlung in der Kirche. Er lernte dort, "was eine freie und demokratische Debatte ist". Nach der Wende leitete Meyer den "Gemeinsamen Aktionsausschuss katholischer Christen in der DDR" und wurde ins ZdK berufen - das höchste Gremium des deutschen Laien-Katholizismus. In dieser Zeit begann auch seine politische Karriere. Lothar de Maizière (CDU) machte den unbelasteten Akademiker 1990 zum Wissenschafts- und Bildungsminister der letzten DDR-Regierung.
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    Meyer weinte der DDR keine Träne nach. Aber er verleugnete nicht seine Prägung, sein "Ossi-Herz", wie er selber schrieb. Und so konnte er das Dilemma beschreiben, das viele frühere DDR-Bürger noch heute empfinden:

    Wir wollten der Bundesrepublik beitreten und doch wir selbst bleiben.

    Hans Joachim Meyer

    Doch während viele Westdeutsche in ihrem Alltag von der Wiedervereinigung nur begrenzt berührt waren, wurde das Leben der Ostdeutschen komplett umgekrempelt.

    Meyer: Bildungswesen der DDR war "hochideologisiert"

    Das Übermaß der Westbestimmung, westdeutsche Arroganz und Besserwisserei habe die Wirklichkeit des Ostens entwertet, schrieb er. Dass es die Deutschen in der DDR waren, "die als erste jene Freiheit errangen", davon, so Meyer, "spricht und schreibt im Westen so gut wie niemand".
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    Auch als sächsischer Bildungsminister wehrte sich Meyer zu Beginn der 1990er Jahre dagegen, die Universitäten und Schulen der untergegangenen DDR zum Abbruch freizugeben. Das Bildungswesen der DDR sei zwar "hochideologisiert" gewesen, "aber in seinem fachlichen Kernbestand solide und anwendungsorientiert".

    Papst und Bischöfen nicht in allem gehorsam

    Von 1997 bis 2009 stand Meyer als erster Ostdeutscher an der Spitze des ZdK - das war noch vor dem Missbrauchsskandal, der die Koordinaten der Kirche stark verändern sollte. Den von Papst Johannes Paul II. durchgesetzten Ausstieg der Kirche aus der Schwangerenkonfliktberatung bezeichnete Meyer als bitterste Erfahrung seiner Amtszeit. Unbeirrt unterstützte er die Gründung des Vereins Donum Vitae, durch den prominente Katholiken die Beratung fortsetzen.
    Dialogbereitschaft, aber auch Hartnäckigkeit und eine bisweilen harsche Wortwahl zeichneten Meyer als ZdK-Präsidenten aus. Dem Papst und den Bischöfen in allem gehorsam zu sein, hielt er für "unkatholisch". Schließlich gehöre er nicht einer "Kommandokirche" an, betonte er.

    Meyer teilte in alle Richtungen aus

    Auch im Ruhestand blieb Meyer ein gefragter Redner und Interviewpartner. Dabei teilte er ohne ideologische Scheuklappen in alle Richtungen aus. So hielt er seinen ostdeutschen Landsleuten mit Blick auf die Erfolge von AfD und Pegida einen Mangel an Dialogfähigkeit und Weltoffenheit vor. Den Westdeutschen warf er dagegen ein unterentwickeltes Nationalbewusstsein vor, das dem Rechtspopulismus Auftrieb gebe.
    Quelle: KNA
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