Höcke wieder vor Gericht:SA-Parole: Der Geschichtslehrer und sein Chor
von Daniel Heymann
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Vertrautes Bild für Björn Höcke: Wieder sitzt der AfD-Rechtsaußen auf der Anklagebank im Landgericht Halle. Darum geht es in dem zweiten Strafprozess.
In Halle an der Saale hat ein weiterer Prozess gegen den Thüringer AfD-Vorsitzenden Höcke begonnen.24.06.2024 | 0:24 min
Dieselbe Strafkammer in derselben Besetzung, sogar derselbe Saal - es wirkt wie ein Déjà-vu: An diesem Montag hat der zweite Strafprozess gegen Björn Höcke vor dem Landgericht Halle begonnen.
Dort musste sich der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende bereits im April und Mai wegen des Vorwurfs der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verantworten. Am Ende stand damals eine - noch nicht rechtskräftige - Verurteilung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 130 Euro, insgesamt 13.000 Euro. Höckes Verteidiger haben gegen das Urteil Revision eingelegt, sodass der Fall nun beim Bundesgerichtshof liegt.
Läuft es jetzt genauso wie im ersten Verfahren? Das lässt sich nicht ohne Weiteres sagen, denn trotz aller Parallelitäten weichen die Fälle im Detail voneinander ab.
"Alles für Deutschland" in Merseburg
Wie unterscheiden sich die Vorwürfe? Im ersten Verfahren ging es um eine Rede des AfD-Politikers in Merseburg. Diese schloss Höcke mit den Worten: "Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland." Beim letzten Teil dieses Dreiklangs handelt es sich um den Leitspruch der Sturmabteilung (SA), des paramilitärischen Arms der NSDAP. Die Parole fällt unter den Straftatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) und ist verboten - sofern man durch ihre Benutzung bewusst an die NS-Zeit anknüpft.
Das Landgericht Halle hat den AfD-Politiker wegen des Verwendens einer verbotenen NS-Parole zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.14.05.2024 | 2:20 min
Im ersten Verfahren ging es daher zentral um die Frage: Kannte Höcke den Hintergrund der Parole? Das Gericht erhob hierzu Beweise, auch der Angeklagte selbst sagte aus und stritt seine Kenntnis ab. Dem folgte das Gericht aber nicht - in seiner Urteilsverkündung zeigte sich der Vorsitzende Richter, Jan Stengel, vom Vorsatz des ehemaligen Geschichtslehrers überzeugt:
Sie sind ein redegewandter, intelligenter Mann, der weiß, was er sagt.
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Jan Stengel, Vorsitzender Richter
Dieselbe Kammer wird sich nun mit anderen Rechtsfragen beschäftigen müssen. Denn im aktuellen Verfahren hat der AfD-Politiker die SA-Losung gar nicht gesagt - zumindest nicht vollständig. Bei einer Veranstaltung in Gera erzählte er von der Anklage wegen des Vorfalls in Merseburg, war sich also der möglichen strafrechtlichen Relevanz bewusst.
"Alles für…" und Höckes Chor in Gera
Höcke wiederholte seinen Dreiklang, ließ allerdings im dritten Teil das Wort "Deutschland" weg. Dafür animierte er die Zuhörenden mit einer Armbewegung, den Satz zu vollenden. Das Publikum folgte der Aufforderung und rief im Chor "Deutschland".
Ob das eine Verwendung im Sinne des Paragrafen 86a StGB darstellt, muss nun das Gericht entscheiden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt den Begriff bislang weit aus und lässt jeglichen Gebrauch des Kennzeichens genügen, der es optisch oder akustisch wahrnehmbar macht.
Auf den Kontext kommt es an
"Man darf ja nichts mehr sagen" - so oder so ähnlich lautet vor allem in sozialen Netzwerken häufig der Tenor zum Debattenklima in Deutschland. Eine Umfrage vom vergangenen Dezember hat ergeben, dass 44 Prozent der Befragten glauben, man sollte bei politischen Meinungsäußerungen besser vorsichtig sein.
Thüringens Ministerpräsident Ramelow mit Blick auf die AfD: "Höcke will in Zeit vor 1945 zurück."
24.05.2024 | 5:01 min
Einige von ihnen könnten sich bestätigt sehen, wenn nun ein Politiker zum zweiten Mal für den Satz "Alles für Deutschland" verurteilt wird. Eine schwarze Liste der strafrechtlich verbotenen Begriffe und Ausdrücke gibt es aber nicht - der Zusammenhang ist immer entscheidend. Wenn zum Beispiel Bundestrainer Julian Nagelsmann vor dem nächsten EM-Spiel ankündigt, die Akteure werden "alles für Deutschland" geben, wird die Staatsanwaltschaft keine Ermittlungen aufnehmen.
Kalkuliertes Vorgehen
Diese grundgesetzlich garantierten Spielräume reizt der frühere Geschichtslehrer bewusst aus - so sah es zumindest das Landgericht Halle bei der Verurteilung im ersten Verfahren: Höcke habe, so der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsverkündung, den Deckmantel der Meinungsfreiheit arg strapaziert und teste, wie weit er gehen könne.
Ob der AfD-Politiker die Grenze des Sagbaren ein weiteres Mal überschritten hat, wird die Strafkammer an zwei Verhandlungstagen klären. Das Urteil wird für Mittwoch erwartet.
Daniel Heymann ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.
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