So ungleich ist der Zugang zu Kita-Plätzen

    Studie zu Betreuungsangeboten:So ungleich ist der Zugang zu Kita-Plätzen

    von Petra Otto
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    Kita-Plätze in Deutschland sind laut einer Studie ungleich verteilt. Kinder aus sozial benachteiligten Familien haben schlechteren Zugang und damit schlechtere Bildungschancen.

    Garderobe in einer Kita.
    Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass es in Deutschland zu wenig Kitaplätze gibt. Die wenig verfügbaren sind zudem auch noch ungleich verteilt.22.11.2023 | 1:33 min
    Es geht nicht erst bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche los: Auch viele Kitas bevorzugen Kinder mit deutschklingenden Namen. Das belegt ein Experiment mit gefakten Kita-Bewerbungen. Mal war der Absender vermeintlich deutsch, mal mit Migrationshintergrund. Die Kinder mit ausländischem Namen bekamen seltener einen Platz und auch das Antwortschreiben war oft weniger aufmunternd.  
    Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat jetzt im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung genau untersucht, wie es um Kita-Plätze in Deutschland steht. Wo es fehlt und was getan werden muss, um Ungleichheiten wieder ins Gleichgewicht zu bringen. 

    Die Unterschiede sind bei Kindern im Alter von zwei und drei Jahren am größten, zeigen sich aber teilweise bis zum Schuleintritt. Die von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung vorgestellte Studie ergibt:

    • Insgesamt nutzen fünf von zehn Kindern im Alter zwischen einem und unter drei Jahren einen Kita-Platz.
    • In armutsgefährdeten Familien sind es mit 26 Prozent nur halb so viele.
    • In Familien, die überwiegend kein Deutsch sprechen, haben nur drei von zehn Kindern einen Kita-Platz.
    • In Familien ohne akademischen Hintergrund haben vier von zehn Kindern einen Kita-Platz.

    61 Prozent der Familien mit ungedecktem Bedarf geben an, dass sie eine Kita bei einem Platzangebot auch nutzen würden. Mit 54 Prozent hätte mehr als die Hälfte einen Platz genommen, wenn er kostenlos gewesen wäre. Zudem geben 45 Prozent der Familien mit ungedecktem Betreuungsbedarf an, dass die Betreuungszeiten passender sein müssten.

    Für 43 Prozent müsste die Kita näher liegen. 35 Prozent geben an, dass die Kitagruppen kleiner sein müssten, für 17 Prozent wären mehrsprachige Erzieherinnen eine Voraussetzung. Die Studie zeigt aber auch, dass Familien zum Teil den Nutzen eines Kita-Platzes weniger sehen oder Informationen fehlen.

    Quelle: AFP

    Studie liefert besorgniserregende Ergebnisse 

    Katharina Spieß, Direktorin des Instituts für Bevölkerungsforschung, ist überrascht, wie gravierend die Unterschiede bei der Verteilung sind.

    Die Not ist am größten zum einen für armutsgefährdete Familien, für Familien, die zuhause kein Deutsch sprechen, und auch für Familien aus bildungsferneren Gruppen. 

    Katharina Spieß, Institut für Bevölkerungsforschung

    Dabei ist es so offensichtlich, was Kinder in der Kita lernen. Von anderen Kindern und von gut ausgebildeten Erziehern und Erzieherinnen. Im evangelischen Kindergarten Waldpforte in Mannheim zum Beispiel. Hier spielen 65 Kinder aus allen sozialen Schichten zusammen: Kinder von Alleinerziehenden, aus gut situierten Familien, aber auch aus Familien, bei denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird.
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    "Die Kinder spüren soziale Unterschiede nicht. Wir wohnen da und du wohnst dort, das ist kein Thema", sagt Berivan Ok, die Leiterin der Tagesstätte. In Mannheim hat fast die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger Migrationshintergrund. Hier achten sie seit Jahren darauf, dass Kita-Plätze gerechter verteilt werden. 

    Kosten und Online-Bewerbungen als Hürde

    In Mannheim wie auch in vielen anderen Städten man sich im Internet um einen Platz. Sozial Schwache werden hier oft vorgezogen, genauso wie Geschwisterkinder. Aber Online-Bewerbungen sind nicht jedermanns Sache. Auch da tun sich Familien mit Migrationshintergrund besonders schwer, stellt die Leiterin vom Mannheimer Kindergarten Waldpforte fest.

    Die Eltern kommen dann eher persönlich vorbei, fragen nach einem Kita-Platz und wissen vielleicht nicht, was das Registrierungssystem ist, und dann erhalten sie bei mir vor Ort die Hilfe, die sie benötigen.

    Berivan Ok, Kindergarten Waldpforte Mannheim

    Viele Familien geben auch an, dass ihnen ein Kita-Platz schlicht zu teuer sei. Man kann es drehen und wenden, wie man will - Leidtragende sind meistens Kinder aus sozial schwachen Familien. 
    Auf dem Bild sieht man Kinder die ein Brettspiel spielen.
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    Frühkindliche Bildung - für sozial Benachteiligte besonders wichtig 

    Nicht umsonst gibt es seit nunmehr zehn Jahren einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem zweiten Lebensjahr. Passiert ist seither nicht allzu viel. In Ostdeutschland ist das Problem weit weniger gravierend, aber bundesweit geht im Schnitt jede fünfte Familie leer aus, obwohl sie Bedarf hätte.
    "Bei bestimmten Gruppen wie zum Beispiel Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen, ist es mehr als jede dritte Familie. Da sind die Unterschiede wirklich sehr groß", sagt Katharina Spieß. Sprache sei die Voraussetzung für den weiteren Bildungsweg, schon bei der Einschulung.

    Und wenn diese Kinder in einem deutschen Umfeld mit aufwachsen, dann ist es für sie sehr viel leichter.

    Katharina Spieß, Institut für Bevölkerungsforschung

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    Kein Kita-Platz - kein Job für Frauen 

    Es könnten zudem viel mehr Frauen arbeiten gehen, wären ihre Kinder tagsüber aufgehoben. Bei Familien, die überwiegend kein Deutsch sprechen oder armutsgefährdet sind, würden laut Studie rund 20 Prozent mehr Frauen einer Arbeit nachgehen. Daraus folgt: Das Einkommen bleibt niedrig, viele Familien rutschen ohne Kindergarten noch weiter ab.  
    Mehr Erzieherinnen und Erzieher braucht es, mehr Einrichtungen, mehr Räumlichkeiten, längere oder flexiblere Öffnungszeiten. "Wir müssen uns darum kümmern, dass jedes Kind mitgenommen wird und gute Bildungschancen hat, damit wir auch nachhaltig und in 20 Jahren die Fachkräfte haben, die wir brauchen", so fasst Katharina Spieß ihre Studienergebnisse zusammen.
    Denn frühkindliche Bildung kommt nicht nur den Kindern zugute, sondern auch den Müttern und der ganzen Gesellschaft.  
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