Kommunalpolitik: "Müssen mit Morddrohungen rechnen"

    Drohungen an Kommunalpolitiker:"Fantasien, wie sie mich mit Axt zerstückeln"

    von Felix Rappsilber
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    Landrat Olaf von Löwis berichtet, wie ihn eine Bürgerversammlung zum Zittern brachte. Oberbürgermeister René Wilke spricht von einer "Spirale der Härte".

    Markus Lanz vom 26. März 2024: Markus Lanz, Sibylle Keupen, René Wilke, Olaf von Löwis, Gerald Knaus
    Sehen Sie hier die Sendung "Markus Lanz" vom 26. März in voller Länge.26.03.2024 | 75:19 min
    Anfang Februar stand die bayerische Gemeinde Warngau plötzlich im bundesweiten Fokus. Eine Flüchtlingsunterkunft soll dort errichtet werden, eine Bürgerversammlung zu diesem Thema geriet beinahe außer Kontrolle.
    Bei Markus Lanz beschrieb Olaf von Löwis, Landrat des Landkreises Miesbach, die damalige Stimmung als "sehr aufgeheizt", das Sicherheitspersonal als "unsicher". Eine auch für ihn persönlich gefährliche Mischung.

    Landrat von Löwis: "Ich habe gezittert"

    Von Löwis habe versucht, die Fragen der Bürgerinnen und Bürger "sehr sachlich abzuarbeiten", trotz der Pfiffe zur Begrüßung und der Buhrufe im Saal.
    Schriftzug: Hass
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    Die Polizei habe den Landrat daraufhin "in einen gewissen Korridor" genommen, ihn über den "Hintereingang aus dem Saal geführt" und in ein Polizeiauto gesetzt. "Ich habe gezittert", sagte von Löwis.
    Die Polizei habe "sehr schnell und sehr professionell reagiert":

    Dann sind aber Traktoren, die auch vor dem Saal gestanden sind und bei den Protesten mit aktiv waren, auf dieses Polizeiauto zugefahren.

    Olaf von Löwis, Landrat des Landkreises Miesbach

    Von Löwis und die Polizisten seien "etwas beunruhigt" gewesen. Dennoch sei es gelungen, "aus dem Ort einigermaßen sauber und gefahrlos rauszukommen".

    Von Löwis: Zuhörer durch Foren aufgehetzt

    "Aus einem gewissen Abstand" analysierte von Löwis: Eine Gruppe der Zuhörer sei "durch Foren aufgehetzt" und "aufgefordert" worden, "mir Angst zu machen, um den Landrat in seiner Entscheidung zu beeinflussen".
    Bisher seien Geflüchtete in drei Turnhallen des Landkreises untergebracht worden. Nun sei eine Container-Siedlung zur Unterbringung von bis zu 500 Personen geplant - im "kleinen Ort" Warngau, in dem etwa dreieinhalbtausend Menschen leben.
    "#Hass" ist zu lesen
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    Von Löwis versuche, "jetzt noch mehr als vielleicht vorher die Sorgen und Ängste, die diese Bürger haben, ernst zu nehmen". Angesichts der Anfeindungen gestand er ein: "Anstatt dass man eine dickere Haut bekommt, wird die Haut eher dünner."

    Gefährdungslage für Kommunalpolitiker

    René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder), entgegnete:

    Als Amtsträger muss man heutzutage irgendwie damit rechnen, dass auch mal Morddrohungen kommen.

    René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder)

    Das sei ein "schlimmer Satz" und "kein Zustand", aber eine gewisse "theoretische und praktische Gefährdungslage" sei existent: "Es gab Leute, die mir Fantasien geschickt haben, wie sie mich mit der Axt zerstückeln."
    Während einer Diskussionsveranstaltung habe Wilke "Prügel angeboten" bekommen - von Menschen, die sich verbal "als Mitglieder oder Nahestehende der AfD" geäußert hätten. Andere Anwesende seien "dazwischengegangen".
    Inzwischen fahre er "seltener" allein mit dem Fahrrad zu offiziellen Terminen.
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    Wilke: Kommunalpolitik in Mithaftung

    Wilke sprach von einer "Spirale der Härte" und einer "Spirale der Lautstärke" im politischen Diskurs. Stattdessen bräuchte es "mehr Differenziertheit" und "etwas mehr Milde" im Umgang miteinander.

    Aber mittlerweile werden wir auch in Mithaftung genommen für allerlei Themen, mit denen wir gar nichts zu tun haben.

    René Wilke, Oberbürgermeister von Frankfurt (Oder)

    Er werde in Briefen dazu gefordert, sich an Demonstrationen "zum Thema Gaza", "zum Thema Israel" und "zur Ukraine und zu Russland" zu beteiligen.
    "Bei all dem Verständnis dafür, dass das die Leute natürlich beschäftigt", sei die Kommunalebene eine, "wo wir sowieso schon ein Pensum haben, das per se nicht leistbar ist und nicht schaffbar ist".
    Politik müsse immer priorisieren und könne dafür kritisiert werden. "Dann aber noch das Entladen von all dem, was auf anderen Ebenen stattfindet, auf unsere Ebene, das macht es plötzlich schwierig", merkte Wilke an.

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