"Weda Elysia": Rechte Siedler wollen in Kommunalpolitik

    "Weda Elysia" im Harz:Rechte Siedler streben nach Macht im Dorf

    von Julia Klaus
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    In einem Dorf im Harz wollen sich rechte Siedler in den Ortschaftsrat wählen lassen. Die Anhänger der Anastasia-Bewegung haben bereits den Gasthof gekauft. Was steckt dahinter?

    Haus Lindenquell: Anastasia-Anhänger feiern hier ein "Lindenfest"
    Geschlossene Gesellschaft: Anastasia-Anhänger und Unterstützer von Weda Elysia feiern im Innenhof ihr Lindenfest. Die Presse muss draußen bleiben. (Foto: 4.11.2023)
    Quelle: ZDF

    Er sei "stinksauer", sagt ein Mann in Daunenjacke. Eigentlich habe er nur ein Stück Kuchen essen wollen mit seiner Mutter, die heute Geburtstag habe. Nun steht er draußen vor der Gaststätte "Haus Lindenquell", seine Mutter ist drin - und er wirkt ratlos. Er sei extra angereist und habe nicht gewusst, was das für eine Veranstaltung sei, sagt er.
    Auf den ersten Blick wirkt der Gasthof in Wienrode im Harz harmlos. Am vergangenen Samstag pflanzten Menschen in Tracht hier eine Linde und tanzten um den Baum herum. Danach wurde - wie so oft am Wochenende - Kaffee und Kuchen serviert. Doch das Wochenmarkt-Gefühl sollte täuschen, denn das Anwesen gehört zur rechten Siedlungsbewegung "Anastasia". Ihre Anhänger wollen nun in der Dorfpolitik mitmischen. Am Sonntag werden drei Sitze im Ortschaftsrat nachbesetzt. Die Wahl ist ein Stimmungstest für das 800-Einwohner-Dorf - und hat über die Region hinaus Bedeutung.
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    Natur-Verklärung, Aussteiger-Fantasien und Antisemitismus

    Die Mitglieder von "Weda Elysia", wie das Projekt in Wienrode heißt, stehen der Anastasia-Bewegung nahe. Über ihren Onlineshop verkaufen sie Honig, Kerzen, Zedernöl - und auch die zehnteilige Anastasia-Buchreihe sowie eine selbst geschriebene Anleitung, um Familienlandsitze aufzubauen.
    Die Anastasia-Bewegung geht auf die gleichnamigen russischen Fantasy-Romane zurück. Die Hauptfigur Anastasia, eine Art Erleuchtete, lebt im Wald in der Taiga, kann mit Tieren kommunizieren und ernährt sich vor allem von Beeren und Nüssen. In den Büchern wird eine naturverbundene Lebensweise angeprisen - mit Familienlandsitzen als Rückzugsorten. Jede Familie solle sich auf einem Hektar Land selbst versorgen. Neben der Natur-Verklärung und den Aussteiger-Fantasien beinhalten die Romane knallharten Antisemitismus.
    So werden Jüdinnen und Juden als "Strippenzieher" im Hintergrund dargestellt, die Finanzen und die Presse kontrollieren würden. Immer wieder geht es darum, dass sie - im Gegensatz zu Anastasia - für das Böse in der Welt stünden. Sie würden Menschen gegeneinander aufstacheln, in Teilen wird ihnen die Schuld am Holocaust gegeben. Die Demokratie wird zudem als "gefährlichste Illusion der Menschenmassen" bezeichnet, ein gewisser "Dämon Kratie" habe die Welt zum Schlechten umgestaltet.

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    Wer steht hinter "Weda Elysia"?

    Seit diesem Jahr wird die Bewegung bundesweit vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall behandelt. Den Verein "Weda Elysia" im Harz stuft das Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt sogar als "gesichert rechtsextremistisch" ein. Zwanzig Grundstücke rechnet man dem Verein zu. Zur anstehenden Wahl schreibt das Amt auf Nachfrage von ZDF frontal:

    Der Verein ist bestrebt, die Kommunalpolitik im Sinne seiner rechtsextremistischen Ideologie zu beeinflussen oder zumindest sicherzustellen, dass der Ortschaftsrat keine Entscheidungen trifft, die den Interessen von 'Weda Elysia' entgegenstehen.

    Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt

    Die Köpfe hinter "Weda Elysia" sind vor allem das Ehepaar Maik und Aruna Schulz sowie Johannes Degel, ein ehemaliger Lehrer. Aruna Schulz und Degel treten am Sonntag zur Wahl an. Das Ehepaar Schulz hat den Familienlandsitz-Ratgeber geschrieben. Degel war als Waldorf-Lehrer entlassen worden, nachdem Schüler sich über ihn beschwert hatten. Der Geschäftsführer der Schule schreibt auf Nachfrage von ZDF frontal, "dass er unsere Werte im Hinblick auf eine offene Gesellschaft ohne Rassismus und ohne Festlegung auf ein traditionelles Familienbild und Zuschreibung von Geschlechterrollen usw. nicht teilt".
    Auf Nachfrage antwortet der Vereinsvorsitzende Maik Schulz per Mail, dass Johannes Degel keine rassistischen Einstellungen vertrete und nur deshalb aus der Schule entlassen worden sei, weil er im Vorstand von "Weda Elysia" sei. Die Anastasia-Bücher seien für sie zudem "keine Bibel und kein Dogma", schreibt Schulz. Man beziehe sich nicht auf die problematischen Stellen, sondern den Rest. Die Bücher seien ins Hebräische übersetzt, auch "Juden im Jordantal" würden Familienlandsitze aufbauen - und diese Menschen hätten "nichts Antisemitisches in den Büchern finden können", so Schulz.
    Ein Sympathisant von Weda Elysia greift einem Foto-Journalisten in die Kamera (links).
    Ein Sympathisant von Weda Elysia greift einem Foto-Journalisten in die Kamera (links), während sich Aruna Schulz bei einem Polizisten über die Pesse beschwert. (Foto: 4.11.2023)
    Quelle: ZDF

    Zerstochene Reifen und Neonazis zu Besuch

    "Weda Elysia" veranstaltet vor und in dem Gasthof regelmäßig Feste. Im August erst waren dazu Neonazis, Querdenker und ein AfD-Politiker aus der Region gekommen. Es bestanden zudem Kontakte zwischen Mitgliedern von "Weda Elysia" und dem mittlerweile verbotenen Neonazi-Verein "Artgemeinschaft", wie der Landesverfassungsschutz ZDF frontal bestätigt.
    Bei einem anderen Fest, im Jahr 2019, waren Anwohnern, die sich kritisch gegenüber der Bewegung geäußert hatten, die Reifen zerstochen worden. Die Täter konnten nicht ermittelt werden. Der rbb konnte sich 2019 in ein Seminar von "Weda Elysia" einschleusen, in dem Schulz gesagt haben soll: "Das ist der letzte Versuch, die Rasse noch zu retten".
    Damit konfrontiert antwortet Schulz per Mail, dass diese Aussage nicht gefallen und ihm stattdessen "via 'Gedächtnisprotokoll' in den Mund gelegt" worden sei.

    Peter Fitzek in Sachsen
    :Wie "Reichsbürger" nach Immobilien greifen

    Ein Fantasiestaat will sich ausbreiten: "Reichsbürger" um Peter Fitzek wollen einen Gutshof in Sachsen gekauft haben. Ein Fall von rechter Landnahme - doch das Dorf wehrt sich.
    von Julia Klaus
    Peter Fitzek im Gerichtssaal (Archivbild)

    Anastasia-Bewegung: Anschlussfähig für sehr viele

    Wienrode ist nicht das einzige Dorf, in dem sich Anastasia-Anhänger ausbreiten. Wie viele Familienlandsitze es bundesweit gibt, ist nicht klar, da Anhänger ihre Gesinnung oft verbergen und es keine formelle Mitgliedschaft gibt. In einer Telegram-Gruppe sind aber mehr als 5.000 Mitglieder. Eine Anastasia-Aussteigerin berichtet ZDF Frontal auch von vorwiegend privater Kommunikation in geschlossenen Chats.
    Der Sekten-Beauftragte Matthias Pöhlmann beobachtet die Szene seit Jahren und sagt gegenüber ZDF frontal:

    Man darf die Anastasia-Bewegung nicht nur für sich betrachten. Ihr Weltbild ist offen für Menschen mit ganz unterschiedlichen politischen Ansichten - auch AfD-Anhänger und Reichsbürger.

    Matthias Pöhlmann, Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern

    Tatsächlich hatte der selbst ernannte "König von Deutschland" Peter Fitzek die russischen Schetinin-Schulen gelobt, die in den Anastasia-Büchern als Vorbild dienen. Fitzek lässt mit seinem "Königreich Deutschland" derzeit vermehrt Grundstücke und Anwesen kaufen, um sein fiktives "Reich" auszubauen. Gemeinsame Aussteiger-Fantasien und antidemokratische Anknüpfungspunkte sind also vorhanden.
    In Wienrode wird sich zeigen, wie die Anastasia-Bewegung, deren Bücher die "Dämon Kratie" kritisieren, bei einer Wahl abschneidet. Es ist ein erster Stimmungstest - denn im nächsten Jahr wird der gesamte Ortschaftsrat neu gewählt.

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