FBI befragt AfD-Spitzenkandidat Krah zu Russland-Kontakten

    Exklusiv

    Spitzenkandidat für Europawahl:FBI befragte AfD-Mann Krah zu Russlandkontakt

    von D. Gebhard, J. Klaus, U. Stoll
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    Ein kremlnaher Politiker bot dem AfD-Funktionär Krah offenbar "Kompensationen" an. Das zeigen Recherchen von ZDF frontal und Spiegel. Krah bestreitet, Geld genommen zu haben.

    Maximilian Krah
    Das FBI hat den AfD-Politiker und Spitzenkandidaten zur Europawahl Maximilian Krah zu möglichen Zahlungen aus kremlnahen Quellen befragt. Der weist die Vorwürfe zurück.16.04.2024 | 9:50 min
    Als Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, im Dezember 2023 in die USA reist, will er einem Vorbild lauschen. Donald Trump, Präsidentschaftskandidat der Republikaner, spricht auf einer Veranstaltung des "New York Young Republican Clubs". Es fällt der Satz: "I want to be a dictator for one day." Auf Facebook schwärmt Krah später, wie "unvergesslich" der Abend für ihn gewesen sei. Bilder zeigen ihn im Smoking, mit Einstecktuch und Fliege. Doch auch die Ausreise aus den USA wird Krah wohl nicht vergessen.
    Am 10. Dezember ziehen FBI-Beamte den AfD-Spitzenfunktionär am Flughafen raus. Nach Recherchen von ZDF frontal und "Spiegel" befragen die amerikanischen Ermittler Krah zu seinen Russland-Kontakten und halten ihm brisante Chatnachrichten seines politischen Freundes Oleg Woloschyn vor. Der ukrainische Politiker ist in Kiew wegen Hochverrats angeklagt, hat sich aber offenbar nach Belarus abgesetzt. Die USA haben Krahs Freund sanktioniert, weil er die Ukraine destabilisiere.
    Aktivisten demonstrieren in Deutschland für Putins Politik.
    Der Krieg in der Ukraine wird nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Worten geführt. Propagandisten versuchen auch in Deutschland, die öffentliche Meinung zu manipulieren.10.03.2023 | 29:02 min

    Krah gibt FBI-Befragung zu - Chats ausgelesen

    Auf Nachfrage gibt Krah zu: "Ich wurde an der Grenze befragt, ob ich Herrn Woloschyn kenne und das habe ich bejaht. Offensichtlich hat man meine oder die von Herrn Woloschyns Chatverläufe überprüft." Die Chats stammen nach Krahs Erinnerung aus dem Jahr 2020 und sie werfen Fragen auf, für die sich nicht nur die US-Ermittler interessieren. So soll der pro-russische Politiker Oleg Woloschyn in einer Nachricht an Krah versichert haben: "We settled the issue of our compensation for your technical expenditures. From May on it will be as it used to be before February." Auf Deutsch:

    Wir haben das Problem unserer Kompensationen für Ihre technischen Ausgaben geklärt. Ab Mai werden diese wieder so sein wie vor Februar.

    Nachricht Oleg Woloschyn an Maximilian Krah

    Krah habe nie "auch nur einen Cent" von Woloschyn angenommen

    Hat der Spitzenkandidat der AfD für die Europawahl heimlich "Kompensationen", vielleicht gar verdeckte Zahlungen erhalten - und das über längere Zeit? Maximilian Krah weist das im Interview mit ZDF frontal vehement zurück:

    Ich habe zu keinem Zeitpunkt auch nur einen Cent von Herrn Woloschyn an Geld angenommen, auch keine Reisespesen oder sonstige vorverauslagte Kosten.

    Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für Europawahl

    "Ich kann Ihnen auch nicht sagen, was er gemeint hat", versucht Krah den Chat zu erklären. Er habe auf diese Nachricht nicht geantwortet, möglicherweise sei der Chat "eine Fehlleitung", also an jemand anderen gerichtet, spekuliert der AfD-Funktionär.
    Oleg Woloschyn antwortete zunächst nicht in der gesetzten Frist, teilte später aber in sehr gutem Englisch mit, er könne sich an die Nachricht an seinen "alten Freund Maximilian Krah" nicht mehr genau erinnern. Es könne darum gegangen sein, den AfD-Politiker für seine Reiseaufwendungen zu entschädigen, die ihm als Teilnehmer eines geplanten Gesprächsformats zwischen europäischen und ukrainischen Parlamentariern hätten entstehen können. Dazu sei es aber wegen der Pandemie nicht gekommen.*

    frontal
    Quelle: ZDF

    Mehr zu dem Thema sehen Sie am Dienstag bei frontal. Am 16. April um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.

    Geburtstagsparty in Kiew, Ball in Sankt Petersburg

    Das FBI hatte Woloschyn bereits im Jahr 2021 an einem Flughafen befragt und sein Handy ausgelesen, wie er später gegenüber Journalisten des Time Magazin sagte. "Sie haben mein Handy genommen", zitierte die Zeitschrift Woloschyn. "Und sie haben alle Informationen ausgelesen." Das FBI lehnte eine Stellungnahme zu den Vorgängen ab.
    Maximilian Krah stößt 2021 mit Oleg Voloshyn in Kiew auf dessen Geburtstag an.
    Krah und Woloschyn in Kiew: "Happy birthday, dear Oleg!"
    Quelle: Instagram

    Krah und Woloschyn sind alte Freunde. Krah reiste 2021 zu dessen Geburtstagsparty nach Kiew, postete ein Foto auf Instagram und schrieb dazu: "Happy Birthday, dear Oleg!" Im September 2019 stießen die beiden bei einem Ball in Sankt Petersburg an. Gegenüber ZDF frontal mutmaßt Krah, dass Woloschyn ihm von diesem Abend noch Geld schulden könnte: "Ich habe damals die Karten vorfinanziert für den Opernball und das ist noch offen zwischen uns beiden." Eine Karte kostete laut Krah 2.000 Euro pro Person, er habe damals den ganzen Tisch gehabt.
    Krah sagt gegenüber ZDF frontal auch:

    Ich halte ihn für einen sehr klugen Mann und ich lasse mir von politischen Entwicklungen nicht die Freunde vorschreiben. 

    Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für Europawahl 

    Unvorbereitet auf Putins hybriden Krieg?
    Ranghohe Luftwaffenoffiziere im Gespräch über Taurus, abgehört von Russland. Sicherheitsexperte Frank Umbach erklärt bei ZDFheute live, was Deutschland im hybriden Krieg droht.04.03.2024 | 31:07 min

    Woloschyns Verbindungen zu Putin-Freund Wiktor Medwedtschuk

    Woloschyn saß seit 2019 als Abgeordneter der pro-russischen Partei "Für das Leben" im ukrainischen Parlament. Kurz vor Kriegsbeginn floh er laut Medienberichten aus der Ukraine, wahrscheinlich nach Belarus, dort trat er im Staatsfernsehen auf. Im Mai 2023 erhoben ukrainische Strafverfolger Anklage gegen ihn und warfen ihm Hochverrat vor. Vorsitzender der mittlerweile verbotenen Partei "Für das Leben" war Wiktor Medwedtschuk, ein langjähriger Putin-Freund und Oligarch.
    Medwedtschuk soll auch hinter dem Medienportal "Voice of Europe" stehen, das antiukrainische Propaganda in Europa verbreitet. Tschechien setzte Medwedtschuk und die Nachrichtenseite Ende März auf die Sanktionsliste. Neben Krah hatte auch Petr Bystron, Nummer zwei der AfD für die Europaliste, Interviews bei "Voice of Europe" gegeben. Laut dem "Spiegel" und der tschechischen Zeitung "Denik K" soll über "Voice of Europe" Geld aus Russland an rechte Politiker geflossen sein - angeblich auch an AfD-Politiker. Tonbandaufnahmen sollen den AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron belasten. Bystron bestreitet, Geld oder andere Zuwendungen erhalten zu haben. Auch Krah hat dementiert, dass Geld oder andere Zuwendungen für Interviews geflossen seien.
    FILES-GERMANY-EU-RUSSIA-AFD-FARRIGHT
    Vorwürfe, er habe Gelder von einem prorussischen Netzwerk erhalten, weist der AfD-Europawahlkandidat Bystron zurück. Der Bundesvorstand seiner Partei steht vorerst hinter ihm.08.04.2024 | 3:14 min

    Prorussische Einmischungsnetze - was tun die Staatsanwaltschaften?

    Mittlerweile ermitteln in Belgien Staatsanwälte wegen russischer Einflussoperationen auf Europa-Politiker. Brüssels Regierungschef Alexander De Croo sagte, die Geheimdienste des Landes hätten "die Existenz prorussischer Einmischungsnetzwerke mit Aktivitäten in mehreren europäischen Ländern und auch hier in Belgien bestätigt." Das Ziel Moskaus sei klar: russlandtreue Kandidaten in das Europäische Parlament zu wählen.
    Auch die deutsche Justiz prüft, ob Verfahren einzuleiten sind. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Vorermittlungen aufgenommen. Krah teilte auf Anfrage mit, dass seine Immunität bislang nicht aufgehoben worden sei und er keine Ermittlungen gegen ihn kenne.

    Seit 2019 sitzt Maximilian Krah für die AfD im EU-Parlament, ist dort unter anderem Mitglied im Handelsausschuss. Protokolle belegen, dass er in den letzten 12 Monaten an keiner einzigen Abstimmung teilgenommen hat. Krah verteidigt sich gegenüber ZDF Frontal: "Da ging es nicht um Fragen, die in irgendeiner Form kontrovers waren. In allen entscheidenden Sitzungen war ich entweder selbst anwesend oder habe meinen wissenschaftlichen Mitarbeiter geschickt, was absolut zulässig ist."

    Außerdem sitzt Krah im Unterausschuss für Menschenrechte. Mehr als 70 mal tagte der Ausschuss seit 2019. Tatsächlich war Krah in vier Jahren an nur sieben Tagen dabei und selbst dann meist per Video zugeschaltet. Die Grünen-Abgeordnete Hannah Neumann sagte ZDF Frontal: "Maximilian Krah war in seiner ganzen Karriere im Menschenrechtsausschuss genau sieben Mal da und wenn er sich überhaupt äußert, dann mit stark populistischen Statements, die, glaube ich, eher auf die Zuhörerschaft bei Tiktok abzielen als, darauf, hier wirkliche Arbeit im Parlament zu machen."

    Krah: "Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher!"

    AfD-Mann Krah ist nicht nur wegen seiner Nähe zu kremlnahen Politikern und seinen Äußerungen zum Krieg in der Ukraine umstritten. Regelmäßig verbreitet er seine ganz eigene geschichtsklitternde Wahrheit.
    In einem Tiktok-Video behauptete er:

    Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher. Wir haben allen Grund, stolz auf unser Land zu sein und auf die Menschen, die es aufgebaut haben (...). Krieg' mal raus, was Opa, Oma, Uroma und Uropa gemacht haben, wo sie herkamen, was sie gekämpft und gelitten haben. 

    Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für Europawahl 

    ZDF frontal wollte wissen, wofür Krahs Opa gekämpft hat. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Dresden erzählt er, sein Großvater Martin Krah sei im Ersten Weltkrieg Frontarzt gewesen, danach "nach Oberschlesien gegangen, weil er das Deutschtum im Osten verteidigen wollte". Er sei dann 1945 vertrieben worden. Eine Frage von ZDF frontal, ob sein Großvater Mitglied in Hitlers NSDAP war, verneint AfD-Politiker Krah.
    Christiane Hübscher mit einer neuen Folge von Inside PolitiX zur Frage, was ein AfD-Verbot bringt.
    Die AfD ist auf dem Vormarsch - obwohl sie in drei Bundesländern als "gesichert rechtsextrem" gilt. Sollte die Partei verboten werden?22.12.2023 | 14:26 min

    NSDAP-Mitgliedschaft von Opa Krah: Mitgliedsnummer 5.557.685

    Doch Recherchen im Bundesarchiv belegen das Gegenteil. Dort findet sich der Aufnahmeantrag von Dr. Martin Krah in die Nazi-Partei. Bereits kurz nach Hitlers Machtübernahme wollte er der NSDAP beitreten. Am 1.April 1933 wird eine Mitgliedskarte erstellt. Weil er umzieht, kann diese nicht zugestellt werden und er muss sich gedulden. Schließlich wird er offiziell am 1. Mai 1937 NSDAP-Mitglied, Mitgliedsnummer 5.557.685.
    Frühling
    NSDAP-Mitgliederkartei von Martin Krah
    Quelle: Bundesarchiv

    NSDAP-Mitglied Martin Krah lebte und wirkte in Hindenburg, dem heutigen polnischen Zabrze. In der Reichspogromnacht 1938 zündeten die Nazis die Synagoge an. In Hindenburg betrieben die Deutschen ein Außenlager des KZ-Auschwitz, auch hier wurden Juden deportiert. Was genau der Nazi-Großvater des AfD-Spitzenkandidaten damals trieb, ist offen. Aus den Akten geht jedenfalls hervor, dass seine NSDAP-Vorgesetzten Martin Krah bescheinigen: "Genannter hat sich aktiv im Sinne der Bewegung betätigt."

    Historiker: Martin Krah ein "überzeugter Anhänger" der NSDAP

    Der Historiker David Hamann hat die Akten gelesen. Darin steht außerdem, dass Großvater Krah in der NS-Ärzteschaft war und in Hindenburg freiwillig als Arzt der Hitlerjugend tätig gewesen sei.

    Und all das lässt darauf schließen, dass er mehr war als ein kleiner Mitläufer, sondern durchaus ein überzeugter Anhänger der nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei.  

    David Hamann, Historiker 

    Maximilian Krah fordert sein Publikum zur Ahnenforschung auf, obwohl er die Nazi-Vergangenheit seines Großvaters offenbar nicht kennt. So lässt sich leichter behaupten: Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.
    *Antwort von Oleg Woloschyn am 17.4.2024 ergänzt.

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