Partygate: Politische Karriere von Johnson vor dem Ende?

    Partygate im Parlament:Johnsons politische Karriere vor dem Ende?

    Yacin Hehrlein
    von Yacin Hehrlein, London
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    Das britische Parlament hat Ex-Premier Johnson erneut zur "Partygate"-Affäre befragt. Der räumt ein, die Unwahrheit gesagt zu haben, unwissentlich. Ihm droht der Mandats-Verlust.

    Boris Johnson am 22.03.2023 in London
    Boris Johnson vor dem Parlament.
    Quelle: AP

    Einen Tag vor der Befragung von Ex-Premier Boris Johnson durch den sogenannten Privilegien-Ausschuss des britischen Unterhauses zum Dauerbrenner Partygate-Skandal hat die Tageszeitung "The Times" eine Karikatur veröffentlicht, auf der ein Bär zu sehen ist, der im Wald auf einem Klo sitzt und Zeitung liest. Auf der Titelseite der vermutlich bei Bären beliebten "Backwoods (Hinterwald) Times" prangt die Frage "Hat Boris das Parlament belogen?"
    Dies erscheint dem Karikaturisten offensichtlich so klar wie die Tatsache, dass Bären in den Wald scheißen. Die Redewendung ist das englische Pendant zur deutschen Frage: "Ist der Papst katholisch?" Ein renommiertes Blatt, dass drastisch zum Ausdruck bringt, was viele im Land denken, nämlich dass Boris Johnson ein Lügner ist - zu anderen Zeiten wäre das vielleicht Grundlage für eine Verleumdungsklage gewesen. Eine solche wird Johnson allerdings kaum anstrengen.
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    Johnson hat Täuschung des Parlaments eingeräumt

    Zum einen, weil er in einem am Dienstag veröffentlichten Verteidigungs-Dossier inzwischen eingeräumt hat, dass er das Parlament tatsächlich getäuscht habe. Und zwar mit im Unterhaus geäußerter Aussage, bei den Partys im Regierungssitz Nr. 10 Downing Street zu Lockdown-Zeiten sei zu keiner Zeit gegen Corona-Regeln verstoßen worden.
    Zum anderen, dass er dies aber nicht absichtlich oder auf leichtfertige Art und Weise getan habe. Auf letztere beiden Punkte wird es ankommen, wenn die Abgeordneten des Untersuchungsausschusses ihr Urteil fällen.

    Ex-Premier Johnson will wieder politische Karriere machen

    Gegner des Ex-Premiers werfen an dieser Stelle ein, dass solche juristischen Spitzfindigkeiten doch irrelevant seien in Anbetracht der Tatsache, dass Johnson nachweislich auf mehreren der besagten Partys persönlich zugegen war. Und der gesunde Menschenverstand ihm doch hätte deutlich machen müssen, dass diese gegen genau jene Regeln verstießen, die er selbst der Bevölkerung des Landes zuvor auferlegt hatte.
    Im Juli vergangenen Jahres musste Johnson als Premierminister zurücktreten, nachdem der innerparteiliche Druck im Zuge dieses und anderer Skandale zu groß geworden war.
    Trotz seines unrühmlichen Abgangs geistert der Ex-Premier jedoch noch immer durch die politische Landschaft. Seine Anhängerschaft innerhalb der Partei ist weiterhin stattlich und den Gedanken an ein Comeback scheint er nicht aufgegeben zu haben. Gerade erst wurde Johnson in seinem Wahlkreis, dem Londoner Vorort Uxbridge, als Kandidat für die kommenden Parlamentswahlen nominiert.
    Ein Highlight der Veranstaltung gab es gleich zu Beginn: Boris Johnson schwor auf die Bibel, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Und Johnson wäre nicht Johnson, wenn man ihn hier nicht kämpferisch erlebt hätte.
    So startete er eine Frontalattacke auf die Vorsitzende des Ausschusses, die Labour-Abgeordnete Harriet Harman, und beschuldigte sie aufgrund früherer Äußerungen in der Sache nicht neutral zu sein. Diese konterte, sein Argument er habe sich auf das Urteil seiner Berater, dass keine Regeln verletzt worden seien, verlassen, sei "windig". Zumal es sich bei diesen Beratern nicht um die zuständigen obersten Regierungsbeamten handelte, sondern um seine Pressesprecher.
    Am Ende war es ein dreistündiges Hin und Her, bei dem mal diese, mal jene Party diskutiert wurde. Das Hauptargumente Johnsons blieben die gleichen: Im engen Umfeld von Nr. 10 Downing sei man sich beim Versuch, das Land vor Corona zu retten, permanent gegenseitig auf die Füße getreten. Dass einige Zusammenkünfte da nicht den Regeln entsprachen, habe er wirklich nicht so empfunden - zumindest zu dem Zeitpunkt, als er dies vor dem Parlament attestierte. "Hand aufs Herz!"
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    Anhörung vor Parlamentsausschuss könnte politisches Aus bedeuten

    Allen zukünftigen politischen Ambitionen Johnsons könnte der siebenköpfige Parlaments-Ausschuss einen Riegel vorschieben. Sollte er gegen ihn befinden, könnte er mehrere Sanktionen empfehlen, über die dann im Parlament abgestimmt wird.
    Allerdings hat Johnsons konservative Partei dort wie auch in dem Ausschuss selbst die Mehrheit. Eine mindestens zehntägige Suspendierung des Abgeordneten Johnson würde allerdings eine Petition über den Entzug seines Parlamentssitzes nach sich ziehen, falls zehn Prozent der dort registrierten Wähler diese unterschreiben sollten. Verlöre er die darauffolgende Nachwahl, dürfte seine politische Karriere dann endgültig beendet sein. Aber danach hat es zuvor schon so häufig ausgesehen.
    Yacin Hehrlein ist Korrespondent im ZDF-Studio London.

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