Feministische Bewegung: Der Aufstand von Israels Handmaids

    Feministische Bewegung:Der Aufstand von Israels Handmaids

    von Uri Schneider
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    Der feministische "Marsch der Mägde" ist während der Protestbewegung gegen die sogenannte Justizreform der Netanjahu-Regierung zum beeindruckendsten Symbol des Aufstands geworden.

    Protest der "Handmaids" in Israel
    Eine Gruppe von Frauen bringt im Kampf für Israels liberale Demokratie Margaret Atwoods "Handmaid's Tale" im "Marsch der Mägde" auf die Straße .27.03.2023 | 6:35 min
    Sie marschieren in Formation, die Köpfe gesenkt, in einer Stille, die den ohrenbetäubenden Lärm der Demonstranten um sie herum auszublenden scheint. Über ihnen: Drohnen, die die politische Kunstperformance in Bildern einfängt, die Tag für Tag die sozialen Medien Israels füllen.

    Vorlage ist der Bestsellerroman von Margaret Atwood

    Vorbild und Inspiration ist  "Der Report der Magd” der kanadischen Schriftstellerin Margaret Atwood. "The Handmaid's Tale“, wie der Bestsellerroman im Original heisst, ist eine Dystopie, in der Frauen in einer patriarchalischen Diktatur zu Gebärmaschinen degradiert werden. Mit der Fernsehserie wurden die roten Mägde mit den weißen Kappen weltweit zum Symbol unterdrückter Frauen.
    Der Protest der israelischen Mägde begann in Tel Aviv und verbreitete sich wie ein Lauffeuer in alle Städte, in denen meist israelische Frauen gegen die Netanjahu-Regierung demonstrieren. von London nach New York, von San Francisco nach Berlin. Margaret Atwood selbst nannte die Initiative der Frauen aus Tel Aviv in einem Tweet "erstaunlich“.
    Hinter der Aktion steht die Gruppe "Bonot Alternativa“, zu Deutsch etwa "Frauen bauen eine Alternative“. Hadas Ragolsky, Journalistin und eine der Initiatorinnen des Protests, sagt, dass sie beschlossen haben, das Bild der Mägde wegen seiner Popularität zu verwenden. "Jeder ist mit diesem Bild vertraut. Und es hat ungewöhnlich stark eingeschlagen."
    Marsch der Mägde in Berlin
    Auch in Berlin protestieren die Handmaids
    Quelle: Bonot Alternativa, Merav Maroody

    Bonot Alternative hat viel bewirkt

    Die Anführerin der Bewegung, Moran Katzenstein erinnert sich an die Anfänge der Bewegung. "Als wir unseren ersten Protestmarsch organisierten, hatte ich keinen Schimmer, was passieren würde. Wir hatten die ganze Nacht Kappen und Umhänge genäht und zogen mit 20 Frauen los.“

    Keine von uns hätte sich träumen lassen, was das bewirken würde.

    Moran Katzenstein, Anführerin der Bewegung

    Dank Bonot Alternativa ist Gewalt gegen Frauen längst kein Nebenschauplatz der Protestbewegung mehr, auch wenn im Zentrum des Aufstands die Initiative steht, die die Regierung als Justizreform und ihre Gegner als Staatsstreich bezeichnen.

    Netanjahu hat sich mit Ultraorthodoxen eingelassen

    Mit guten Gründen. Netanjahu droht eine Verurteilung wegen mutmasslicher Korruption in drei Fällen. Um eine mögliche Gefängnisstrafe zu verhindern, wollen er und seine Koalition das gesamte Justizsystem Israels radikal verändern, vor allem die Macht des Obersten Gerichtshofs einschränken. Da Israel keine Verfassung hat, die die Bürger vor politischer Willkür schützt, wäre dies das Ende der Gewaltenteilung und defacto eine Aushebelung der Demokratie.
    Um das durchzusetzen, liess sich Netanjahu mit Koalitionspartnern ein, die eine weitaus radikalere Weltsicht vertreten als er – auch was Frauenrechte anbelangt
    Marsch der Mägde in London
    Von London nach New York, von San Francisco bis Berlin zieht der Protest gegen die Netanjahu-Regierung.
    Quelle: Bonot Alternativa, Sharon Alkalai

    Ultraorthodoxe wollen Frauenrechte beschneiden

    Die ultraorthodoxe Partei Torahfahne fordert in einem Gesetzesentwurf Geschlechtertrennung in öffentlichen Räumen wie z.B. Schwimmbädern. Die Siedlerpartei Otzma Jehudit, Jüdische Macht, hat vergangene Woche dafür gesorgt, dass die Koalition einen Gesetzesentwurf der Opposition abschmettert, der gewalttätige Ehemänner zum Tragen elektronischer Überwachungsarmbänder verpflichten sollte. Das Gesetz würde "Männer diskriminieren“.
    Damit nicht genug. Die ultraorthodoxe Shas Partei forderte ein halbes Jahr Gefängnisstrafe für Frauen, die sich an der Klagemauer nicht züchtig genug kleiden würden, zog dann aber den Gesetzesvorschlag nach heftigem Protest zurück.
    "37°Leben - Ultraorthodox? Nein danke!": Oriya feiert den jüdischen Feiertag Schabbat.
    Das Leben in ultraorthodoxen Gemeinden ist hermetisch und streng geregelt. Viele junge Jüdinnen und Juden wollen aussteigen. Wie schaffen sie den Weg in die Freiheit?01.04.2022 | 26:59 min

    Boran Alternative "läutet die Alarmglocken"

    "So fängt es an“, beklagt Moran Katzenstein. "Züchtige Kleidung an der Klagemauer. Dann werden sie sagen: `Aber auch in Synagogen. Das muss auch Teil des Gesetzes sein. Und wenn schon in Synagogen, dann auch im Umkreis von Synagogen´. Das wird kein Ende nehmen.“
    Das Symbol der roten Mägde ist extrem und, so Katzenstein, keineswegs als Analogie zu den säkularen Frauen Israels zu verstehen. Noch lebten die in einer liberalen Demokratie. Doch das kann sich ändern.

    Wir läuten die Alarmglocken und sagen: Wir sind nicht bereit, auch nur auf unsere geringsten Rechte zu verzichten… obwohl genau das gerade geschieht.

    Moran Katzenstein

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