Lehrermangel: Warum Sachsen auf ukrainische Pädagogen setzt
Kampf gegen Lehrermangel:Sachsen setzt auf ukrainische Pädagogen
von Steffi Moritz-Müller
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Sachsen sucht weiter nach Lösungen gegen den eklatanten Lehrermangel. Dazu sollen die Hürden für Seiteneinsteiger gesenkt werden, auch für Lehrkräfte aus dem Ausland.
In Sachsen arbeiten bereits aus der Ukraine Geflüchtete als Lehrkräfte.21.03.2023 | 2:35 min
Über 600 ukrainische Lehrkräfte unterrichten in Sachsen, bisher fast ausschließlich ukrainische Kinder. Doch jetzt kam der sächsische Kultusminister auf eine Idee: Was, wenn man den ukrainischen Lehrern unbefristete Verträge anbietet und sie so weiterbildet, dass sie auch deutsche Kinder unterrichten könnten?
Mehr als 1.200 Lehrer fehlen derzeit in Sachsen, immer öfter fällt Unterricht aus, die Kinder müssen wieder vieles zu Hause selbstständig erarbeiten. Diese immer größer werdende Lehrerlücke könnten zum Teil nun Pädagogen aus der Ukraine füllen.
Arbeitsangebot als Chance für Pädagogen aus der Ukraine
Viktoriia Isaulenko ist eine von ihnen. Die 36-Jährige floh schon in der zweiten Kriegswoche aus Kiew mit ihrer Familie, lebt seitdem in Chemnitz und suchte sich auch sofort eine Arbeit:
Kaum Nachwuchs und ausgebrannte Lehrkräfte - laut Experten fehlen in Deutschland zehntausende Pädagogen. Quereinsteigern fehlen meist die pädagogischen Fachkenntnisse.18.03.2023 | 4:47 min
In Kiew lehrte sie an der Universität Deutsch und Englisch, Fächer, die sie nun seit einem Jahr am Sportgymnasium in Chemnitz unterrichtet.
Ihr Vertrag würde zum Schuljahresende im Sommer auslaufen, doch ihr Schulleiter Jörg Bretschneider will sie gern behalten: "Als ich von der Idee erfuhr ukrainischen Lehrern unbefristete Verträge anzubieten fiel mir sofort Frau Isaulenko ein. Sie macht sehr gute Arbeit, ist beliebt und hilft auch nach der Schule den Kindern und ihren Familien."
Keine Lehranstellung ohne Sprach- und Hochschulnachweis
Allerdings sind diese Vertragsangebote an Bedingungen geknüpft: "Sie brauchen einen pädagogischen Hochschulabschluss, der nachweisbar ist, und wichtig ist natürlich auch die deutsche Sprache", so Sachsens Kultusminister Christian Piwarz.
Seit den Winterfreien im Februar laufen die Gespräche mit unerwartet positiver Resonanz, so Piwarz: "Wir erhoffen uns mit den Maßnahmen und entsprechender Sprachqualifizierung 150-200 Personen dauerhaft für uns gewinnen zu können, was ich eine ganz gute Ausbeute finde." Der Kultusminister fügt hinzu:
GEW: Anerkennungsverfahren ist notwendige Voraussetzung
Auch die Lehrergewerkschaft GEW sieht die Umsetzung von befristeten in dauerhafte Verträge skeptisch wegen des kurzen Zeitplans, denn ein zertifiziertes Sprachniveau und ein Anerkennungsverfahren für die betreffenden Lehrkräfte seien eine notwendige Voraussetzung.
Grundsätzlich jedoch unterstützt sie die Idee von Piwarz. Die sächsische GEW-Vorsitzende Uschi Kruse dazu: "Das Vorhaben hat nicht nur etwas mit dem Lehrermangel zu tun. Wir brauchen auch Menschen, die den gleichen kulturellen Hintergrund haben wie die ukrainischen Schulkinder."
Ab dem neuen Schuljahr Unterricht auch für deutsche Kinder
Das sieht auch Viktoriia so: "Das ist ein großer Vorteil. Wir haben alle einen ähnlichen Hintergrund, ich kenne die Gefühle der Kinder. Wir haben alle Heimweh, haben Freunde zurückgelassen in der Ukraine, das hilft uns gemeinsam. Mit meiner Erfahrung kann ich die Kinder unterstützen."
Die ukrainischen Schülerinnen und Schüler sind happy über ihre Lehrerin Viktoriia: "Sie ist wie eine Freundin für uns", sagt Vera. Dascha liebt ihre nette und freundliche Art und Veronika mag sehr ihre spielerischen Ideen im Unterricht.
Bundesweit klagen Schulen über zu wenig Lehrpersonal. Denn dadurch wird nicht nur die individuelle Förderung der Schüler unmöglich, auch die Lehrkräfte stehen unter enormen Stress.31.10.2022 | 1:14 min
Viktoriia ist glücklich, dass sie auch im neuen Schuljahr weiter unterrichten kann, und dann nicht mehr nur ukrainische Kinder:
Nicht alle ukrainischen Lehrkräfte werden in Sachsen bleiben
Wie lange sie in Deutschland bleiben will, weiß sie noch nicht. Das Heimweh ist groß und zurück nach Kiew will sie irgendwann auf jeden Fall. Dass das bei vielen ukrainischen Lehrern so sein könnte, weiß man auch im sächsischen Kultusministerium:
"Aber es bleibt ja leider zu befürchten, dass es Gründe gibt weiterhin hier zu bleiben. Und die, die dauerhaft bleiben wollen, die sind herzlich willkommen", so Piwarz weiter.
Viktoriia weiß auch: Wenn sie in den Regelunterricht wechselt warten hohe Anforderungen auf sie. Darauf will sie sich vorbereiten und geht schon jetzt an die Uni in Chemnitz, um sich weiterzubilden.
Steffi Moritz-Müller ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Sachsen.