Nach AfD-Erfolg: Lindner lässt mit Linken-Aussage aufhorchen

    Bürgerdialog nach Sonneberg-Wahl:Lindner lässt mit Linken-Aussage aufhorchen

    von Torben Heine
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    Bundesfinanzminister Lindner (FDP) überrascht nach dem AfD-Wahlerfolg in Sonneberg bei einem Bürgerdialog mit Worten zur Linkspartei. Im Anschluss relativiert er seine Aussage.

    Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).
    FDP-Chef Christian Lindner äußerte sich bei einem Bürgerdialog in Weimar zur Landratswahl in Sonneberg.
    Quelle: AFP

    Christian Lindner (FDP) lässt aufhorchen. Bei einem Bürgergespräch im thüringischen Weimar am Montagnachmittag geht es um die Stärke der AfD, die nach der Kommunalwahl in Sonneberg mit Robert Sesselmann erstmals einen Landrat stellt. In diesem Zusammenhang sagt der Bundesfinanzminister dann diesen Satz:

    Es tut mir in der Seele weh es zu sagen, aber im Notfall könnte man noch die Linkspartei wählen.

    Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister

    Worte über die Linke, die so von Liberalen selten bis nie zu hören sind. In Weimar vor rund 120 Zuhörern sorgt die Aussage nur kurz für Erstaunen, die Reaktionen in den sozialen Medien im Nachgang sind weitaus lauter: Hat der Chef der FDP hier tatsächlich eine Wahlempfehlung für die Linke ausgesprochen? Wie kam es zu diesem Satz?

    Sonneberg-Wahl auch in Weimar Thema

    Die Veranstaltung in Weimar war Teil der sogenannten "Dialogtour", die Lindner seit Mai durch Deutschland unternimmt. Dabei geht es um Themen, die das Land aktuell beschäftigen.
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    Unausweichlich also, dass der Minister in Weimar auch zum politischen Beben im rund 70 Kilometer entfernten Sonneberg befragt werden würde. Den Wahlkampf vor Ort hatten vor allem bundespolitische Themen bestimmt.
    Rund eine halbe Stunde nach Beginn des Bürgerdialogs fragt ein junger Teilnehmer nach Lindners Einschätzung zu einer Mitschuld der Bundesregierung an dem Wahlsieg der AfD in Sonneberg.

    Lindner: Ampel-Diskussionen im Sinne der "Pluralität"

    Der holt zunächst lange aus. "Der Erzählung, die Diskussionen innerhalb der Ampel-Koalition würden die AfD stark machen, widerspreche ich", so Lindner.
    Es sei "vielleicht sogar eher ein Dienst im Sinne der demokratischen Pluralität", über Gesetzesvorhaben wie beispielsweise das Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zu diskutieren, anstatt es anstandslos durchzuwinken. Vor allem die FDP hatte erste Entwürfe des Gesetzes deutlich kritisiert.
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    Lindner sieht AfD als "größtes Standortrisiko für Ostdeutschland"

    Beim Bürgerdialog in Weimar zählt Lindner zahlreiche Maßnahmen auf, mit denen die Bundesregierung versuche, die Bürger in der Region zu unterstützen - Wohngelderhöhung, Inflationsausgleich, Kindergelderhöhung. Aber Lindner sagt auch: "Es gibt Grenzen, wo der Staat nicht mehr mit zusätzlichem Geld Probleme lösen kann."
    Dann sei es wichtig, "dass die regionale Wirtschaft funktioniert und es gut bezahlte, sichere Arbeitsplätze gibt".

    Das größte Standortrisiko für Ostdeutschland, dass nicht noch mehr Großunternehmen mit gut bezahlten Arbeitsplätzen kommen, ist die AfD.

    Christian Lindner (FDP), Bundesfinanzminister

    FDP-Chef will Aussage nicht als Wahlempfehlung verstanden wissen

    Und dann fällt der Satz, über dessen Brisanz sich Lindner in diesem Moment durchaus bewusst zu sein scheint, denn er schickt vorweg: "Ich bin ja nicht Bundesminister einer Partei, sondern für den Staat und Sie." Niemand müsse aus sozialpolitischen Gründen AfD wählen. "Es tut mir in der Seele weh, es zu sagen, aber im Notfall könnte man noch die Linkspartei wählen", so Lindner.
    Die leichte Unruhe im Publikum veranlasst ihn zu einer direkten Klarstellung: "Im Notfall! Bitte zitieren Sie mich da nicht, das ist keine Wahlempfehlung, ganz im Gegenteil. Aber im Notfall ist man nicht gezwungen, die AfD zu wählen."
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    Hälfte der Thüringer könnte laut Umfragen Linke oder AfD wählen

    Viele verstehen die Aussagen Lindners im Nachgang als Empfehlung einer Wahl der Linken, obwohl der Minister diese ausdrücklich nicht gegeben hatte.
    Vielmehr scheint es, als suche der FDP-Chef nach einer Strategie für den Umgang seiner Partei mit den Linken und der AfD, die zusammen laut Umfragen in Thüringen mehr als die Hälfte der Wähler überzeugen könnten. Eine Abgrenzung von beiden Parteien macht das mit Blick auf mögliche Koalitionen schwierig.

    Lindner lässt Aussage relativieren

    Lindner schob zur Erklärung aber schon am Dienstagvormittag ein Statement bei Twitter nach, stichelte dabei gegen die Linken.
    Tweet auf Christian Lindners Social-Media-Team
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    Auch eine FDP-Sprecherin äußert sich auf Nachfrage von ZDFheute: "Die Worte von Herrn Lindner werden bewusst verdreht. Er hat ausdrücklich und wörtlich keine Wahlempfehlung gegeben. Herr Lindner hat lediglich in lockerer Formulierung im Zusammenhang mit Wahlmotiven für die AfD darauf hingewiesen, dass die AfD nicht allein populistische Sozialpolitik anbietet, sondern auch die Linkspartei."
    Lindner und seine Partei sind bemüht, die Aussagen aus Weimar über die Linke schnell wieder einzufangen. Von dem Bürgerdialog bleibt eines trotzdem: die Bezeichnung der AfD als "Standortrisiko" für den Osten. Hier muss Lindner offenbar nicht nachbessern.

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