Polens neues außenpolitisches Selbstbewusstsein

    Polens Verhältnis zu Nachbarn:Neues außenpolitisches Selbstbewusstsein

    von Thomas Dudek
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    Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist das außenpolitische Selbstbewusstsein und Ansehen Polens gestiegen. Ob dies nachhaltige Effekte haben wird, ist fraglich.

    Annalena Baerbock, Zbigniew Rau
    Deutschland im Austausch mit Polen: Annalena Baerbock Anfang Dezember 2022 zu Besuch beim polnischen Außenminister, Zbigniew Rau.
    Quelle: ap

    Bei dem vergangene Woche stattgefundenen Weltwirtschaftsforum in Davos war Polens Anwesenheit unübersehbar. An einem der zentralen Punkte des Forums stand das 'Polnische Haus'. Auch die Präsenz ranghoher Politiker konnte sich sehen lassen. Neben Staatspräsident Andrzej Duda waren unter anderem auch Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Finanzministerin Magdalena Rzeczkowska vor Ort.
    "Ich freue mich sehr, dass Polen hier so stark vertreten ist", resümierte Duda noch in der Schweiz. "Man kann sagen, dass wir hier alle politischen Themen abdecken", fügte er nicht ohne Stolz hinzu und betonte dabei besonders die Unterstützung für die Ukraine.

    Leopard-Panzer-Lieferung ist Symbol für Polens neue Stärke

    Es sind Worte eines Präsidenten, der wie die gesamte polnische Regierung in den letzten Monaten sehr selbstbewusst auf der außenpolitischen Bühne auftritt. Und zum aktuellen Symbol dieses neuen Selbstbewusstseins wurde mit dem Leopard 2 ausgerechnet ein deutscher Panzer.
    Zwei Wochen lang war es Polen, welches wegen der Lieferung der Kampfpanzer an die Ukraine, für die es für Zweitstaaten eine Genehmigung Berlins braucht, besonders Druck auf Deutschland ausübte. Auch wenn Polen erst am gestrigen Mittwoch für seine 14 angekündigten Leopard-2-Panzer in Berlin eine Genehmigung beantragt hat - und erhielt.
    Panzer
    Die Entscheidung ist gefallen: Deutschland und andere NATO-Partner werden schwere Panzer an die Ukraine liefern.25.01.2023 | 2:31 min

    Zentrale Rolle Polens als Unterstützer der Ukraine

    Das neue Selbstbewusstsein der polnischen Regierung mag auf den ersten Blick überraschen. Wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit liegt Polen seit Jahren mit Brüssel im Clinch. Selbst die Beziehungen mit den USA erreichten 2021 wegen einem von der PiS geplanten Mediengesetz einen Tiefpunkt.
    Angeblich soll Washington Warschau damals sogar mit Sanktionen gedroht haben. Andrea Gawrich, Professorin für Politikwissenschaft an der Uni Gießen und Vize-Direktorin des dortigen "Gießener Zentrums Östliches Europa", sieht das so:

    Polens neues außenpolitisches Selbstbewusstsein ist ein Ergebnis des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine

    Andrea Gawrich, Politikwissenschaftlerin Uni Gießen

    "Das Land spielt eine zentrale Rolle bei der Aufnahme und Verteilung ukrainischer Flüchtlinge, gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine und ist ein wichtiger Knotenpunkt für die militärischen und humanitären Hilfslieferungen des Westens. Das ließ das Selbstbewusstsein steigen", erklärt die Expertin.

    Buras: Warschau "grenzt sich bewusst von Berlin und EU ab"

    "Auch Polens Einsatz für weitreichende Sanktionen der EU gegen Russland stärkte die außenpolitische Rolle des Landes", erläutert Piotr Buras, Leiter des Warschauer Büros des Thinktanks "European Council on Foreign Relations".

    Nicht vergessen sollte man auch die derzeitige Modernisierung der polnischen Armee. Das macht Polen zu einem wichtigen Partner der USA, auch wenn Deutschland weiterhin für Washington eine zentrale Rolle spielt.

    Piotr Buras, Politikwissenschaftler "European Council on Foreign Relations"

    Das neue außenpolitische Selbstbewusstsein Polens, das schon vor dem Krieg Deutschland Naivität bezüglich Russland vorwarf, hat jedoch eine besondere Prägung:
    "Die polnische Regierung grenzt sich bewusst von Berlin und der EU ab. Bereits die Flüchtlingskrise an der Grenze zu Belarus 2021 offenbarte dies, als man die Hilfe der EU ablehnte und damit zeigte, dass man die Verantwortung selbst übernimmt. Für Polen und die EU-Außengrenze", sagt Gawrich.
    polnische Mauer als Grenzschutz vor Migranten aus Belarus
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    Polen durch Rechtsstaatlichkeitsprobleme in EU weiter in Außenseiterrolle

    Fraglich ist, ob das jetzige außenpolitische Selbstbewusstsein auch nachhaltige Effekte haben wird. "Seine aktuelle Position hat Polen nicht genutzt, um beispielsweise Konzepte für die EU-Erweiterungsverfahren der Ukraine oder Moldaus vorzustellen. Auch nicht bezüglich der EU-Verteidigungsinitiative PESCO. Dabei hätte Polen heute dazu die moralische Autorität", urteilt Gawrich.
    "Polen wird auch nicht gemeinsam mit Berlin und Paris zu einem Motor der EU-Politik", glaubt wiederum Buras und macht dafür nicht nur die Außenseiterrolle verantwortlich, die das Land wegen der Rechtsstaatlichkeitsprobleme innerhalb der EU hat.
    "Das deutsch-französische Verhältnis ist einfach zu stark", meint Buras und prophezeit:  

    Polen wird daher die Partnerschaften zu den baltischen, skandinavischen und ostmitteleuropäischen Ländern ausbauen.

    Piotr Buras, Politikwissenschaftler "European Council on Foreign Relations"

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