Sondersitzung: Serbien und Kosovo ringen um Einigung

    Sondersitzung zu Friedensplan:Serbien und Kosovo ringen um Einigung

    Britta Hilpert
    von Britta Hilpert
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    Bei der Sondersitzung zum Kosovo und dem deutsch-französischen Friedensplan gab es Tumulte im serbischen Parlament. Dabei wird klar: Der Weg zu normalen Beziehungen ist noch weit.

    Abgeordnete am 02.02.2023 in Belgrad
    "Kein Ultimatum!" - Die Nationalisten im serbischen Parlament protestieren gegen den Friedensplan, der die Beziehung zum Kosovo normalisieren soll.
    Quelle: Reuters

    Wenn in Serbien um eine Einigung gerungen wird, dann kann das durchaus wörtlich gemeint sein: Es wurde gerungen im Parlament, es wurde handgreiflich und laut in der Sondersitzung zum Kosovo, in der Präsident Aleksandar Vučić erklärte, wie seine Regierung zum deutsch-französischen Friedensplan steht.
    "Ich habe nichts unterschrieben, nichts paraphiert", betont er da, und auch, dass er gezwungen sei durch die EU, sich schrittweise mit dem Plan zu befassen. Ansonsten drohe die EU damit, Fördermittel und Investitionen abzuziehen.

    Beziehung zum Kosovo normalisieren

    Vučićs widerwillige Erklärungen zum Friedensplan werden von der eigenen Partei mit minutenlangem Applaus quittiert, die Nationalisten aber protestieren. "Kein Ultimatum!" steht auf manchen Schildern, "Betrug!" auf anderen.
    Im Plan geht es um die "Normalisierung der Beziehungen" zum Kosovo - von Anerkennung des kleinen Staates, der sich nach einem blutigen Krieg mit Serbien 2008 unabhängig erklärte, ist da gar nicht die Rede. Trotzdem wittern viele nationalistische Serben die Gefahr der Anerkennung des unabhängigen Staates Kosovo mit - und das wollen die Nationalisten in Serbien keinesfalls.

    Schaukelpolitik zwischen Ost und West

    Aleksandar Vučić macht seit Jahren eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West: Serbien ist EU-Beitrittskandidat und EU-Unternehmen sind wichtige, wenn nicht die wichtigsten Arbeitgeber im Land. Auf der anderen Seite pflegte Vučić bis kurz vor dem Angriffskrieg in der Ukraine offen die Freundschaft zu Wladimir Putin.
    Russen und Serben stehen sich nicht nur kulturell nah, Russland war im Kosovo-Krieg auch das einzige Land, das die Nato-Luftangriffe auf Serbien verurteilte. Und so erklärt sich auch, warum 80 Prozent der Serben Sanktionen gegen Russland ablehnen.

    EU erwartet klare Positionierung

    Doch das Sitzen zwischen den Stühlen von Ost und West lässt sich nach dem 24. Februar 2022 kaum aufrechterhalten: In Zeiten eines russischen Angriffskrieges erwartet die EU ein klares Signal, auf welcher Seite Serbien steht. Da reichte es nicht, dass Präsident Vučić sich nun nicht mehr mit Putin zeigt, und auch nicht, dass er die Rekrutierungsversuche der russischen Wagner-Gruppe in Serbien verurteilte.
    Die EU erwartet ernsthafte Schritte, nachdem es um den Jahreswechsel herum im Kosovo gefährlich nach Eskalation roch: Im Norden des Kosovo, in Mitrovica, bauten Serben Straßenblockaden, es fielen sogar Schüsse.

    Friedensplan: Gegenseitige Anerkennung der Grenzen

    Ein weiteres blutiges Problem ist das Letzte, was die EU jetzt auf dem Balkan braucht, und so verstärkte sie ihre diplomatischen Bemühungen und den Druck - und Vučić reagierte, sichtlich widerwillig.
    Der deutsch-französische Plan liegt nicht offiziell vor, doch Einzelheiten sind durchgesickert: Serbien und Kosovo sollen einander formell zwar nicht anerkennen, jedoch ihre staatliche Existenz in den gegenwärtigen Grenzen wechselseitig akzeptieren. Serbien soll außerdem die Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen wie der UN nicht mehr verhindern.

    Langer Weg bis zur Umsetzung des Plans

    Das ist für nationalistische Serben schwer zu schlucken. Aber auch für das Kosovo sieht der Plan einige Kröten vor: Der serbische Gemeindeverband im Norden des Kosovo, der seit 2013 vereinbart ist, soll nun vom amtierenden Ministerpräsidenten Albin Kurti akzeptiert werden. Der aber listet erst einmal sechs Vorbedingungen auf, darunter: Serbiens Anerkennung des Kosovo.
    Es ist also ein Plan, der Beharrlichkeit von der EU erfordert, und viel Kompromissbereitschaft aufseiten der Kontrahenten - Kompromissbereitschaft, die man auf beiden Seiten bisher kaum gezeigt hat. Der deutsch-französische Plan wäre auch nur eine Etappe auf dem Weg zur Aussöhnung. In der Parlamentsdebatte rief Vučić gleich mehrfach: "Ich werde Kosovo nicht anerkennen!" Es ist also ein langer Weg - und die gute Nachricht ist eigentlich nur, dass er begonnen wurde.

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