Sexualisierte Gewalt: Familie als Tatort

    Aufklärungskampagne gestartet:Sexualisierte Gewalt: Familie als Tatort

    von Britta Spiekermann
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    Ein bis zwei Kinder pro Schulklasse sind von sexualisierter Gewalt betroffen. Täter kommen oft aus der eigenen Familie, sagt Ministerin Paus und fordert dafür mehr Bewusstsein.

    Es ist ein Paradox. 90 Prozent der Deutschen halten es für wahrscheinlich, dass sexualisierte Gewalt vor allem in Familien stattfindet. Aber nicht in der eigenen. Das nämlich halten 85 Prozent für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen. Das ist laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage.
    Paus fordert, aus der Umfrage Konsequenzen zu ziehen:

    Nur wenn ich den Gedanken zulasse, dass auch Kindern in meinem persönlichen Umfeld sexuelle Gewalt angetan wird, kann ich notfalls handeln.

    Lisa Paus, Bundesfamilienministerin

    Kampagne für mehr Bewusstsein gestartet

    "Die Vorstellung, dass sexuelle Gewalt woanders stattfindet, dient der eigenen Beruhigung - kann aber blind machen für möglichen Missbrauch im eigenen Umfeld", sagt auch die unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Kerstin Claus. Es gelte aber, Gefahren zu erkennen, sich zu informieren und so Kinder und Jugendliche besser vor Missbrauch zu schützen.
    Paus und Claus haben am Donnerstag in Berlin eine Aufklärungskampagne gestartet. "Schieb den Gedanken nicht weg", heißen die Spots, die Missbrauch in der eigenen Familie thematisiert. Die Kampagne soll laut Paus Zweifel säen, dass sexuelle Gewalt "woanders, aber nicht hier stattfinde".
    "Dunkelfeld - Kindesmissbrauch in Deutschland": Die Schatten von einem Mann und einem schaukelnden Kind fallen auf Sand auf einem Spielplatz.
    Kindesmissbrauch ist eines der schlimmsten Verbrechen, vor allem wenn die Täter zum engsten Umfeld gehören.20.05.2020 | 89:13 min

    Auch Eltern sind oft Täter

    Sexueller Kindesmissbrauch findet am häufigsten in der Familie statt. Das belegen Zahlen der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Knapp 70 Prozent aller Meldungen stammen aus diesem Kontext. Mit Abstand am häufigsten (44 Prozent) wurde von Eltern als Tätern und Täterinnen berichtet.
    Seit Jahren werden konstant tausende Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch zur Anzeige gebracht, im vergangenen Jahr waren es rund 15.000. Laut Familienministerium ist das Dunkelfeld allerdings größer. Schätzungen gehen davon aus, dass ein bis zwei Kinder pro Schulklasse von sexueller Gewalt betroffen sind.

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