Umstrittene KI-Überwachung bei Olympischen Spielen‎

    Olympische Spiele 2024:Umstrittene KI-Überwachung in Frankreich

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    von Christoph Schneider
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    Frankreich geht einen neuen Weg bei der Videoüberwachung: Während der Olympischen Spiele 2024 können Videos von Überwachungssystemen "von Algorithmen ‎verarbeitet" werden.

    Eine Überwachungskamera (Archivbild)
    Eine Überwachungskamera (Archivbild)
    Quelle: dpa

    Dass es rund um Fußballstadien, größere Hallen und Arenen hierzulande Videoüberwachung gibt, ist nichts Ungewöhnliches. Regelmäßig weisen Schilder darauf hin, dass bestimmte Bereiche überwacht werden. Wichtigstes Argument: Sicherheit. Und die Auswertung erfolgt später durch Menschen. Aber nicht nur in und um Stadien - in vielen Innenstädten wird angekündigte Videoüberwachung durch Polizeibehörden eingesetzt.

    Überwachung in Frankreich

    Auch in Frankreich gibt es jede Menge Überwachungskameras im öffentlichen Raum - etwa eine Million sollen landesweit im Einsatz sein. 1991 wurden die ersten in einem Pariser Vorort installiert, 1995 die Videoüberwachung in Frankreich legalisiert und seitdem staatlich großzügig subventioniert. Immer im Hinterkopf: Kameras könnten die Kriminalität eindämmen.
    Doch wissenschaftliche Studien aus Frankreich und anderen Ländern zeigen, dass die Videoüberwachung weder signifikant zur Aufdeckung noch zur Prävention von Gewaltverbrechen, Drogendelikten oder Störungen der öffentlichen Ordnung im städtischen Raum beiträgt, so berichtet es die französische Tageszeitung "Le Monde".

    Geändertes Gesetz

    Die französische Regierung hat mit großer Mehrheit am 23. März im Windschatten der immer noch andauernden Proteste gegen die Rentenreform den Artikel sieben im Sicherheitsgesetz geändert: Danach können Videos, die von bestehenden oder neuen Überwachungssystemen, inklusive Drohnenkameras, aufgezeichnet werden, "von Algorithmen verarbeitet" werden.
    Im Klartext: Es ist eine Rechtsgrundlage geschaffen, die sich auf "künstliche Intelligenz" stützt, welche den Ton und die Bilder der Aufzeichnungen verarbeitet und auswertet, um bestimmte Situationen, Objekte und Menschen zu identifizieren.

    Knackpunkt biometrische Daten

    Doch genau diese durch KI gesteuerte Überwachung sorgt für riesige Kritik. Ein offener Brief von fast 40 eher linksgerichteten Mitgliedern des Europäischen Parlaments warnten die französische Regierung noch vor der Verabschiedung des Gesetzes, dass dies einen "Präzedenzfall für die Überwachung schafft, wie es ihn in Europa noch nie gegeben hat".
    Auch Amnesty International kritisiert das Gesetz: "Solche drakonischen Technologien der Massenüberwachung verletzen das Recht auf Privatsphäre und können zu Verstößen gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung führen", heißt es in einem Statement gegenüber dem Sport-Informationsdienstes (SID).

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    Besonders im Fokus: Werden tatsächlich keine sensiblen biometrischen Daten verarbeitet, wie es das Gesetz auch beschreibt und ein Sprecher des französischen Innenministeriums auch bestätigt? Denn nach der Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO, die in der Europäischen Union und damit auch in Frankreich gilt, sind diese Daten besonders geschützt.

    Legalisierung der biometrischen Massenüberwachung?

    Doch wie sollen die Daten sonst ohne biometrische Merkmale erhoben werden? Denn wenn der Zweck von algorithmusgesteuerten Kameras ist, bestimmte verdächtige Ereignisse in öffentlichen Räumen zu erkennen, werden sie zwangsläufig physiologische Merkmale und Verhaltensweisen von Menschen, die sich da aufhalten, erfassen und analysieren, beispielsweise Bewegung, Gang, Körperhaltung oder auch das Aussehen. Ist dann nicht der Artikel sieben eine gesetzliche Legalisierung der biometrischen Massenüberwachung?
    In Frankreich müsste man juristisch gegen dieses Gesetz vorgehen. Und vielleicht legt dann ein französisches Gericht die entscheidenden Fragen zu den geschützten biometrischen Daten dem Europäischen Gerichtshof, EuGH, zur Klärung vor. Fraglich nur, ob das noch bis zu den Olympischen Spielen im Juni 2024 abschließend entschieden werden kann.
    Christoph Schneider ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz
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