Hauptversammlung der Bayer AG: Zeitenwende in Leverkusen?

    Hauptversammlung :Kurs der Bayer AG: Zeitenwende in Leverkusen?

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    von Ralph Goldmann
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    Glyphosat-Drama, Firmen-Aufspaltung: Bayer-AG-Chef Baumann muss den Posten im Juni abgeben. Nachfolger Anderson gibt sich lässig, schweigt aber erstmal zum künftigen Kurs.

    Bill Anderson
    Auf den neuen Bayer-Chef Bill Anderson warten viele ungelöste Probleme.
    Quelle: ZDF

    Den Anfang machte Jeff Ubben. Anfang des Jahres stieg der Amerikaner mit seinem Hedgefonds "Inclusive Capital" bei der Bayer AG ein und kaufte 0,8 Prozent der Aktien. Wenige Tage später empfahl er öffentlich, der Konzern möge sich doch bitte nach einem neuen Vorstandschef umsehen, am besten außerhalb des Konzerns.
    Einen Externen als Chef? Das hatte es in der mehr als hundertjährigen Geschichte bei dem Leverkusener Traditionsunternehmen erst einmal gegeben.

    Aufspaltung des Konzerns gefordert

    Weitere Großaktionäre und Investmentfonds meldeten sich zu Wort, obwohl der Vertrag des Amtsinhabers Werner Baumann noch bis 2024 laufen sollte. Einige forderten die Aufspaltung des Konzerns in die drei Teilbereiche:
    • Agrarchemie
    • Pharmageschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten
    • Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten
    So könne der Unternehmenswert deutlich gesteigert werden. Der war in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Viele Beobachter geben Werner Baumann dafür die Schuld, obwohl die Geschäfte eigentlich gut laufen. Die Anteilseigner freuen sich über eine Dividende von 2,40 Euro je Aktie.
    Fotomontage: Fallende Aktienkurve. Und das Bayer-Kreuz.
    Der Jahrhundert-Deal: 2016 kauft Bayer-Konzern den US-Saatguthersteller Monsanto und damit den Unkrautvernichter Glyphosat. 60 Milliarden zahlte Bayer. Eine teure Fehlentscheidung?22.12.2022 | 44:06 min
    Bayer war zuletzt immer wieder wegen eines Glyphosat-Streits in den Schlagzeilen:
    Anfang Februar schließlich zog der Aufsichtsrat die Reißleine. Baumann muss seinen Platz schon im Juni räumen. Er wolle ihm "für 35 Jahre im Dienst von Bayer, davon sieben Jahre als Vorstandsvorsitzender, herzlich danken", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Norbert Winkeljohann. Und weiter: "Wir wünschen Werner Baumann für die Zukunft alles erdenklich Gute." Der Aktienkurs sprang an diesem Tag sechs Prozent nach oben.
    Auf der Hauptversammlung sprach Baumann zum letzten Mal als Bayer-Chef zu den Aktionären. Er sagte:

    Vieles konnten wir gemeinsam in all den Jahren voranbringen und viele Erfolge feiern, einiges lief sicherlich enttäuschend und nicht so wie erhofft.

    Werner Baumann, Ex-Bayer-Vorstand

    Seine erste Amtshandlung war die 60 Milliarden Euro teure Übernahme des US-Unternehmens Monsanto gewesen - und damit die Übernahme der Risiken durch den Unkrautvernichter Glyphosat. Die rechtlichen Auseinandersetzungen ziehen sich seit Jahren.
    Der Aktienkurs fiel von über 100 auf rund 60 Euro. 2019 verweigerten die Aktionäre Baumann sogar die Entlastung.

    Der neue Chef Bill Anderson übernimmt

    Jetzt übernimmt der Texaner Bill Anderson vom Pharma-Konkurrenten Roche. Er sei "der ideale Kandidat", jubelte der Aufsichtsrat, der den Neuen, der seit April Vorstandsmitglied ist und den Chefposten im Juni übernimmt, auf der Hauptversammlung vorstellte. Seine ersten Worte richtete er an die Aktionäre auf deutsch: "Bayer ist ein faszinierendes Unternehmen und meine Vorfreude steigt, je mehr ich über die Innovationen und die Menschen bei Bayer lerne".
    Die Bayer-Pressestelle hatte den 56-Jährigen schon Anfang April in betont lockerer Runde ausgewählten Journalisten vorgestellt. Viel wollte oder konnte er da nicht verraten, doch es wurde schnell klar: Anderson tritt komplett anders auf als sein Vorgänger. Er ist der Gegenentwurf.

    Neuer Chef betont locker beim Medien-Treff

    Zum Medien-Treffen im Bayer-Kommunikationszentrum erschien er mit schwarzen Prada-Sneakern, schwarzer Jeans, leichtem Pulli und Sakko, dazu eine abgewetzte Ledertasche. Er erhoffe sich eine "spannende Zeit in einem großartigen Unternehmen", sagte Anderson. Deutschland bezeichnete er als "Heimat der großen Wissenschaft" und den Bayer-Konzern sogar als "Ikone".
    Er erzählte an diesem Abend in Leverkusen private Anekdoten, wie man sie von Baumann nie zu hören bekommen hätte: Von seinen Eltern, seiner Kindheit und der Familie. Wie sein Vater, als Bill fünf oder sechs war, mit ihm einen Deal machte: Wenn er bei der Ernte im Gemüsegarten helfen würde, dürfe er all die Tomaten und Gurken in der Nachbarschaft verkaufen.
    Natürlich tat er das und es habe ihn geprägt. Die Botschaft: Man müsse eben große Ziele haben, eigenverantwortlich handeln und immer alles besser machen wollen als andere.

    Wie geht es weiter bei Bayer AG?

    Bei der wirklich spannenden Frage aber blieb er kryptisch: Was er denn nun mit Bayer vorhabe und ob er sich dem Druck der Investoren beugen werde und den Konzern aufspalten wolle? Er werde jetzt erst einmal viel zuhören und sei dabei sehr aufgeschlossen.

    Ich werde mich auf alles konzentrieren, was den Fortschritt vorantreiben können und welche Optionen es gibt. Ich werde alles in Betracht ziehen.

    Bill Anderson, neuer Chef der Bayer AG

    Was das bedeuten könnte, werden Beschäftigte und Aktionäre wahrscheinlich im Laufe des Jahres erfahren.
    Ralph Goldmann ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen.

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