Volkskongress: China verschreibt sich Wirtschaftswachstum

    Vor Nationalem Volkskongress:China verschreibt sich Wirtschaftswachstum

    ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt
    von Elisabeth Schmidt, Peking
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    Trotz optimistischer Äußerungen Pekings sehen Experten Chinas Wirtschaft in ernsten Schwierigkeiten. Die Regierung will jetzt gegensteuern.

    Auf den Straßen vor dem größten Container-Hafen der Welt in Shanghai fahren wir an einem leeren Lkw nach dem anderen vorbei. Teilweise sind sie in Dreierreihen abgestellt, kilometerlang. Sie sind Zeugen dafür, dass auch in Chinas Mega-Wirtschaftsmetropole der Handel noch nicht so pulsiert wie vor der Pandemie.
    Neben den Lkw: viele arbeitslose Fahrer. "Momentan stehen hier immer so viele Lastwagen", erzählt uns einer.

    Es gibt kaum Aufträge. Früher gab es zwei am Tag. Jetzt sind wir froh, wenn wir einen ergattern.

    Fahrer

    Am Terminal stapeln sich leere Container. Nach dem "World Container Index" gibt es in Shanghai zurzeit 80 Prozent weniger Umschlag als im vergangenen Jahr.

    Folgen von Null-Covid-Politik immer noch sichtbar

    Die Auswirkungen von Chinas rigider Null-Covid-Politik sind deutlich sichtbar. Shanghais Lockdown dauerte 65 Tage, es war der härteste des Landes. Der Immobilien-Sektor in der Volksrepublik ist hoch verschuldet, Kommunen befinden sich in einer teils prekären Finanzlage, die Kaufkraft lahmt.
    Aus Sorge vor einer zweiten Covid-Welle und Einkommensunsicherheit halten sich die Menschen im Land noch mit größeren Ausgaben zurück.

    Bevölkerung: Sparen statt Konsum

    2022 haben sie so viel Geld angespart wie noch nie: Laut People’s Bank of China sparten die Haushalte knapp 18 Milliarden RMB und damit fast doppelt so viel Geld wie im Vorjahr. Es ist viel Vertrauen verloren gegangen.
    Ähnliches gilt für Unternehmen. Einige ausländische Firmen haben bereits große Teile ihrer Produktion ins Ausland verlegt: Sony 90 Prozent seiner Kamera-Produktion nach Thailand, Apple nach Indien. China befinde sich wirtschaftlich in einer schwierigen Situation, sagt die Sinologin Marina Rudyak gegenüber ZDFheute.

    Man kann durchaus von einer Wirtschaftskrise sprechen. Und ich glaube, dass die Regierung, nicht zuletzt durch die Demonstrationen, die Ende letzten Jahres stattfanden, sehr nervös ist.

    Marina Rudyak, Sinologin

    Gemeint sind die Massen-Demonstrationen gegen die strikten Anti-Covid-Maßnahmen der Zentralregierung. Zum ersten Mal seit den 1980er Jahren hatten Chinesinnen und Chinesen direkte Kritik am Kurs der Staatsführung geübt.
    ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer
    Die Staatsführung habe "die Gegenmaßnahmen hochgefahren", mit "massiver Polizeipräsenz" und Kontrollen, so ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer. Die leichten Lockerungen bedeuteten keine Abkehr von der Null-Covid-Politik.02.12.2022 | 2:30 min

    China wirtschaftlich unter Druck

    Peking steht unter Druck zu liefern. Zwischen fünf und sechs Prozent Wirtschaftswachstum wird die Staatsführung wohl auf dem Nationalen Volkskongress als Ziel für dieses Jahr herausgegeben - doppelt so viel wie im vergangenen Jahr.
    Unternehmerin Bettina Schön-Behanzin kennt den chinesischen Markt seit fast drei Jahrzehnten. Sie ist die Regionalrepräsentantin für Asien der Freudenberg Gruppe, die für die Automobil- und Maschinenbau- sowie die Textil- und Energieindustrie als Zulieferer tätig ist.
    Schön-Behanzin will in China weiter produzieren, der Markt sei schlicht zu wertvoll. Dennoch sagt auch sie:

    Durch die harte Null-Covid-Politik und Lockdowns hier in Shanghai ist viel Vertrauen verloren gegangen und das wird auch nicht über Nacht zurückkommen.

    Bettina Schön-Behanzin, Unternehmerin

    Unternehmerin: Planbarkeit und Verlässlichkeit fehlen

    Es fehle derzeit an Planbarkeit und Verlässlichkeit. Sie hofft, dass die Staatsführung "wieder mehr auf Reform und Öffnung setzt, auf fairen Marktzugang und Abbau regulatorischer Hürden".
    An den Börsen herrscht dagegen bereits Aufbruchstimmung: Industrie und Handel in China bereiten sich auf das von der Staatsführung verordnete Wirtschaftswachstum vor. Der so genannte Einkaufsmanagerindex für die Industrie stieg im Februar um 2,5 auf 52,6 Punkte und erreichte damit den höchsten Wert seit April 2012.
    ZDF-Korrespondentin Elisabeth Schmidt
    Nach einer Null-Covid-Politik hat China sich wieder geöffnet. Das hat auch Auswirkungen auf die Weltwirtschaft - drei Beispiele.16.02.2023 | 1:39 min
    Doch wie schnell Chinas Wirtschaft wieder in Schwung kommt, wird maßgeblich auch davon abhängen, ob es gelingt, das Vertrauen von Konsumenten und Investoren wiederherzustellen. Auch daran wird Xis neue Regierung gemessen werden.

    Chinas Volkskongress will auf seiner vom 5. bis zum 13. März dauernden Jahrestagung die geplante Neubildung der chinesischen Regierung billigen. Dazu sind 2.977 Delegierte nach Peking gekommen. 26 Prozent von ihnen sind Frauen. Regierungschef Li Keqiang wird die Plenarsitzung des Parlaments in der Großen Halle des Volkes am Sonntag mit seinem letzten Rechenschaftsbericht eröffnen. Der nach zwei Amtszeiten ausscheidende 67-jährige Premier dürfte ein Wachstumsziel für dieses Jahr von voraussichtlich rund fünf Prozent oder sogar etwas mehr vorgeben.

    Im vergangenen Jahr waren ähnlich rund 5,5 Prozent angestrebt worden. Unter dem Druck der erst im Dezember aufgegebenen Null-Covid-Politik mit Lockdowns, Zwangsquarantäne und Massentests hatte die zweitgrößte Volkswirtschaft aber nur drei Prozent erreicht. Es war die zweitschlechteste Wachstumsrate seit 1976 und nur etwas besser als 2020 zu Beginn der Pandemie mit 2,2 Prozent.

    Zu Beginn der Sitzung soll auch der neue Haushalt vorgelegt werden. Vor dem Hintergrund gewachsener Spannungen mit Taiwan rechnen Beobachter erneut mit einem überdurchschnittlich starken Zuwachs der Militärausgaben von möglicherweise rund sieben Prozent.

    Im Mittelpunkt der Tagung steht die - nur alle zehn Jahre erfolgende - weitgehende Neubildung der Regierung. Der allmächtige Staats- und Parteichef Xi Jinping soll für eine beispiellose dritte Amtszeit als Präsident bestätigt werden. Der 69-Jährige hatte sich bereits auf dem Parteitag im Oktober über frühere Alters- und Amtszeitbegrenzungen hinweggesetzt.

    Neuer Ministerpräsident soll der frühere Parteichef von Shanghai, Li Qiang, werden. Der 63-Jährige hat eine lange Karriere hinter sich, die er vor allem an der wohlhabenden Ostküste Chinas verbracht hat. Ihm wird wirtschaftlicher Sachverstand und eine freundliche Haltung gegenüber privaten Unternehmen nachgesagt.

    Quelle: dpa, ZDF

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