Holger Görg: China weiter Stütze des deutschen Exports

    Interview

    Aktuelle Exportzahlen:China weiter Stütze des deutschen Exports

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    Politisch will sich Deutschland aus dem China-Risiko lösen. Aber die aktuellen Exportzahlen zeigen, wie eng weiterhin die wirtschaftliche Verflechtung ist.

    Containerschiffe liegen an einem Containerterminal im Hamburger Hafen
    Die Nachfrage nach deutschen Waren schwächelt überraschend. Die Exporte sind gesunken, Gründe sind unter anderem die hohe Inflation und das gestiegene Zinsniveau.04.07.2023 | 1:51 min
    Spätestens seit dem Ukraine-Krieg sucht Deutschland nach einer neuen China-Strategie. Das Ziel: weniger Abhängigkeit, mehr Menschenrechte. Die aktuellen Exportzahlen zeigen jedoch, wie stark die deutsche Wirtschaft weiterhin mit China verflochten ist.
    Holger Görg, Leiter des Forschungsbereichs Internationaler Handel und Investitionen am Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) ordnet die Angaben des Statistischen Bundesamtes zu Deutschlands Exporten im ZDFheute-Interview ein.
    ZDFheute: Bei den Exportzahlen für Mai wurde ein Plus erwartet, am Ende war es ein Minus von 0,1 Prozent. Viele sprechen von enttäuschenden Zahlen - Sie auch?
    Holger Görg: Nein, der Rückgang ist geringfügig, solche Schwankungen sind ganz normal. Interessanter ist, was hinter den Zahlen steht: Problematisch finde ich, dass die Exporte in die EU und in die USA gesunken sind. Dagegen sind die Zahlen nach China signifikant gestiegen, es gibt nach wie vor ein munteres Wachstum beim Handel mit der Volksrepublik.

    Holger Görg
    Quelle: IfW Kiel / Michael Stefan

    ... ist Professor für Volkswirtschaft an der Uni Kiel und Leiter des Forschungsbereichs Internationaler Handel und Investitionen am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

    ZDFheute: Ist das nicht auch problematisch vor dem Hintergrund des "De-Risking", also der Strategie, sich von China unabhängiger zu machen?
    Holger Görg: Nicht nur die Exporte, auch die Importe aus China sind gestiegen. Denn es gibt nach wie vor einen wachsenden chinesischen Markt und handfeste wirtschaftliche Interessen auf Seiten der deutschen Unternehmen. Zudem vergibt die Bundesregierung weiterhin Exportkreditgarantien bei China-Geschäften, das heißt, viele Unternehmen sind in ihrem China-Engagement relativ gut abgesichert.
    ZDFheute: Das heißt, "De-Risking" ist nur eine Floskel, Deutschland verharrt weiterhin in hoher Abhängigkeit zu China?
    Holger Görg: Es ist noch zu früh, von einem echten Trend zu sprechen. Aber wir müssen feststellen, dass die China-Skepsis von vielen Unternehmen in Deutschland nicht geteilt wird.
    Die Diskussion, wie wir mit politisch schwierigen Märkten umgehen, wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen. Das ist eine bittere Lektion aus dem Ukraine-Krieg. Und wenn die Bundesregierung die Loslösung aus der Abhängigkeit von China ernst nimmt, sollte sie auch über ihre Kreditgarantien nachdenken.
    ZDFheute: Schauen wir auf die USA und die EU: Wie bewerten sie die deutschen Exporte in diese Märkte?
    Holger Görg: Die Zahlen in die USA haben mich überrascht, weil sie sich mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nicht erklären lassen. Der Rückgang in die EU war allerdings erwartbar. Frankreich, Polen und Österreich sind wichtige deutsche Handelspartner, allen Ländern geht es nicht gerade rosig.
    Die gesamte EU leidet wirtschaftlich unter dem Krieg in der Ukraine, das bedeutet Inflation und Rückgang der Kaufkraft.
    Zu sehen sind Fertiggerichte in einem Supermarktregal.
    Unter anderem weil weniger gekauft wird, befindet sich Deutschland erstmals seit Corona-Beginn offiziell in einer Rezession. Die Wirtschaft schrumpfte das zweite Quartal in Folge.25.05.2023 | 2:08 min
    ZDFheute: Der deutsche Wohlstand ist stark an die Exportkraft der Unternehmen gekoppelt. Wie gut sind wir da für die Zukunft aufgestellt?
    Holger Görg: Grundsätzlich gut. Denn die Exporte sind breit gefächert, es gibt keine Abhängigkeit von einem einzelnen Markt. Nicht nur China, Asien läuft, die Märkte dort wachsen, die deutsche Wirtschaft kann davon profitieren und die Schwäche in Europa ausgleichen. Ein Rückgang von 0,1 Prozent beim Export ist plus minus Null, die aktuellen Zahlen würde ich daher nicht überbewerten.
    Das Interview führte Eva Schmidt
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