Entschädigungsforderungen gegen Airlines blockieren Gerichte

    Entschädigungsforderungen:Klagen gegen Airlines blockieren Gerichte

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    Das Reisen per Flugzeug ist wieder wie vor der Pandemie möglich. Was die Airlines freut, wird für die Gerichte an den Standorten großer Flughäfen jedoch zum Problem.

    Archiv: Anzeigetafel mit annullierten Flügen
    Bei Gerichten an den Standorten größerer Flughäfen landen massenhaft Klagen wegen ausgefallener oder verspäteter Flüge.
    Quelle: dpa

    Die Flaute im Zuge der Corona-Pandemie ist beendet: Bei Gerichten an den Standorten größerer Flughäfen landen wieder massenhaft Klagen gegen Airlines.
    Nach Angaben des Deutschen Richterbundes sind die Zahlen 2022 um rund 40 Prozent auf mehr als 70.000 Fälle gestiegen - bei steigender Tendenz. Die Kunden verlangen meist Entschädigungen für ausgefallene oder verspätete Flüge.

    Höchstes Aufkommen am Amtsgericht Köln

    Mit knapp 18.000 Fällen gab es beim Amtsgericht Köln das höchste Aufkommen, wie eine Umfrage der "Deutschen Richterzeitung" ergab, auf die sich der Verband bezog. Es folgen Frankfurt/Main mit mehr als 11.300 und Düsseldorf mit knapp 9.000 solcher Klagen. Dahinter liegt das für den Hauptstadtflughafen BER zuständige Amtsgericht Königs Wusterhausen mit mehr als 7.000 Fällen.
    Im laufenden Jahr setzt sich der Trend nach Angaben von Amtsgerichtsdirektor Stephan Lehmann fort: Von den insgesamt 2.808 neuen Zivilklagen gehe es in etwa 90 Prozent der Fälle um Forderungen von Fluggästen. Ein Großteil dieser Fälle werde "professionalisiert eingeklagt", schilderte Lehmann.

    Überlastete Zivilgerichte: Abhilfe von Politik gefordert

    Auch der Richterbund sieht Portale, mit denen Passagiere ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetzen können, als wesentlichen Grund für die massenhaften Klagen. Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn verlangte Abhilfe von der Politik. Viele Zivilgerichte würden durch Massenverfahren auch zum Dieselskandal oder durch eine Flut gleichförmiger Verbraucherklagen teilweise blockiert.
    Angesichts von "Fließbandklagen", mit denen Anwaltskanzleien und Inkassodienstleister viele Gerichte überhäuften, seien flexiblere Vorschriften im Zivilprozessrecht nötig, betonte Rebehn.

    Vorschläge der Richterschaft für sinnvolle Rechtsänderungen liegen seit mehr als einem Jahr auf dem Tisch.

    DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn

    KI-Anwendung soll Richter entlasten

    Auch die Justiz sucht nach Lösungen: So läuft am Amtsgericht Frankfurt seit 2021 ein Software-Pilotprojekt, das die Richter bei gleich gelagerten Fällen mit Textbausteinen und Vorschlägen unterstützen soll.
    Nach der erfolgreichen Entwicklung des Prototyps "Frauke" läuft derzeit die Beschaffung einer entsprechenden KI-Anwendung, berichtete das hessische Justizministerium auf Anfrage. Es sei aber noch nicht klar, wann das System, das die letzte Entscheidung beim Richter belasse, für den Praxiseinsatz bereitsteht.

    Reisechaos im Sommer 2022

    Nach dem Corona-Jahr 2021 hat der Flugverkehr in Deutschland im vergangenen Jahr wieder deutlich angezogen. Zum Vorkrisenniveau des Jahres 2019 fehlten aber noch 34,1 Prozent der Gäste.
    Trotz des geringen Volumens kam es im Sommer zu einer Vielzahl von Flugausfällen und Verspätungen, weil Flughäfen, Airlines und andere Dienstleister für den Wiederanlauf nach der Pandemie zu wenig qualifiziertes Personal eingestellt hatten.

    25.660 Schlichtungsanträge in 2022

    Auch die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP), an die sich Kunden ohne Anwalt wenden können, spürte den holprigen Neustart des Luftverkehrs. 2022 gingen mit 25.660 Schlichtungsanträgen zum Luftverkehr mehr als doppelt so viele ein wie ein Jahr zuvor mit 12.175 Fällen, berichtet die SÖP in ihrem Jahresbericht.
    Der Anteil der Flugfälle am gesamten Antragsvolumen betrug 85 Prozent. Abgeschlossen wurden im vergangenen Jahr 15.466 Flug-Fälle. Knapp die Hälfte (43 Prozent) drehte sich um Annullierungen, 23 Prozent um Verspätungen und 9 Prozent um Probleme mit dem Gepäck.
    Quelle: dpa

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