EZB-Tagung:Was bringen Leitzinserhöhungen?
von Frank Bethmann
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat eine Zinserhöhung um weitere 0,75 Prozentpunkte beschlossen. Aber hilft das gegen die hohe Inflation?
Die Notenbanken heben die Leitzinsen in nie gekannter Geschwindigkeit an, merken tun wir davon bislang aber nicht viel. Im Gegenteil, die Preise drohen jetzt im Winter sogar noch weiter zu steigen.
Larry Summers kennt sich aus, nicht nur mit schwierigen geldpolitischen Entscheidungen. Der ehemalige US-Finanzminister und Ex-Chefökonom der Weltbank bewies neulich eine für einen Politiker und Professor der Wirtschaftswissenschaften erstaunliche Gabe: die Gabe Komplexes einfach zu erklären.
In einer Podiumsdiskussion, in der es um die Sorge ging, die jüngsten Zinserhöhungen der Zentralbanken würden gegen die hohe Inflation jetzt im Herbst und Winter nicht viel bewirken, bemühte Summers das Bild eines in die Jahre gekommenen Hotels. Er sprach über die Wasserhähne an den Duschen. Wenn man an denen drehe, verändere sich die Temperatur leider auch erst mit Verzögerung - eine Erklärung, die manch einer auch als Seitenhieb verstehen konnte. Die Notenbanken erhöhen zwar jetzt die Leitzinsen, doch sie haben zu spät damit begonnen.
Leitzinserhöhungen sind erst später spürbar
Es könne bis zu einem Dreivierteljahr dauern, ehe Leitzinsentscheidungen durchschlagen auf die Zinsen am Markt, also jenen, die für die Verbraucher entscheidend sind. In manchen Fällen - wie beispielsweise bei den Hypothekenzinsen - spielen noch andere Faktoren hinein; Veränderungen der Renditen für Staatsanleihen.
Quelle: Imago
Das wichtigste Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die Stabilität der Gemeinschaftswährung. Als Zielvorgabe gilt eine Inflationsrate von zwei Prozent. Die wichtigsten Stellschrauben in der Geldpolitik sind die drei Leitzinssätze der EZB, die wegen der anhaltend hohen Inflation zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate erhöht wurden.
Die Zinssätze der EZB sind das wichtigste Instrument der Zentralbank, um die Geldmenge im Eurosystem zu steuern. Dies geschieht, indem die Zentralbanker über die verschiedenen Leitzinsen die Kosten festlegen, die für Geschäftsbanken im Euroraum anfallen, wenn diese sich Geld bei der EZB leihen oder es dort hinterlegen wollen.
Bei niedrigen Leitzinsen können Banken billig Geld leihen - auch die Kredite für Privatpersonen und Unternehmen werden dann günstiger, die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöht sich. Umgekehrt sorgen höhere Leitzinsen für höhere Kreditkosten und somit mittelbar für eine Abnahme der Geldmenge.
Bei niedrigen Leitzinsen können Banken billig Geld leihen - auch die Kredite für Privatpersonen und Unternehmen werden dann günstiger, die im Umlauf befindliche Geldmenge erhöht sich. Umgekehrt sorgen höhere Leitzinsen für höhere Kreditkosten und somit mittelbar für eine Abnahme der Geldmenge.
Beim Hauptrefinanzierungssatz der EZB handelt es sich um den wichtigsten Leitzins. Dieser legt fest, zu welchem Zinssatz sich Banken Geld von der Zentralbank leihen können. Die Mindestlaufzeit beträgt hier eine Woche. Dabei gilt: Steigt der Zins, so steigen auch die Kosten für die Banken und somit für die Verbraucher in Form höherer Zinsen auf Privatkredite.
Umgekehrt sorgt ein niedriger Hauptrefinanzierungssatz für billiges Geld und somit für günstige Kredite. Der Hauptrefinanzierungssatz lag von März 2016 bis diesen Juli bei null Prozent, stieg dann auf 0,5 Prozent und nun auf 1,25 Prozent.
Umgekehrt sorgt ein niedriger Hauptrefinanzierungssatz für billiges Geld und somit für günstige Kredite. Der Hauptrefinanzierungssatz lag von März 2016 bis diesen Juli bei null Prozent, stieg dann auf 0,5 Prozent und nun auf 1,25 Prozent.
Der Spitzenrefinanzierungssatz legt fest, zu welchen Kosten Geschäftsbanken kurzfristig Geld bei der EZB leihen können. Zwar können sich Banken auch untereinander kurzfristig Geld leihen - diese Kredite müssen aber zwangsläufig niedriger verzinst sein als der Spitzenrefinanzierungssatz der EZB, da sich das Leihgeschäft der Banken untereinander im Vergleich zur Kreditaufnahme bei der EZB ansonsten nicht lohnen würde.
De facto stellt der Spitzenrefinanzierungssatz also eine obere Zinsgrenze für das Tagesgeld dar. Er wurde im Juli von 0,25 auf 0,75 Prozent angehoben, und nun auf 1,5 Prozent.
De facto stellt der Spitzenrefinanzierungssatz also eine obere Zinsgrenze für das Tagesgeld dar. Er wurde im Juli von 0,25 auf 0,75 Prozent angehoben, und nun auf 1,5 Prozent.
Der Einlagensatz legt fest, zu welchem Zinssatz Banken überschüssiges Geld bei der EZB einlagern können. Ähnlich wie beim Spitzenrefinanzierungssatz können Banken auch untereinander kurzfristig Geld anlegen. Da aber kein Geldhaus einen niedrigeren Zinssatz als den Einlagenzins der EZB akzeptieren wird, handelt es sich bei diesem Leitzins de facto um eine untere Zinsgrenze für das Tagesgeld.
Im Juni 2014 senkte die EZB den Einlagensatz erstmals in den negativen Bereich, auf minus 0,1 Prozent. Banken mussten danach Geld bezahlen, wenn sie Liquidität bei der EZB anlegen wollten. Im September 2019 wurde der Einlagensatz auf minus 0,5 Prozent abgesenkt. Ab Juli lag er bei null Prozent, ab Donnerstag nun bei plus 0,75 Prozent.
Quelle: AFP
Im Juni 2014 senkte die EZB den Einlagensatz erstmals in den negativen Bereich, auf minus 0,1 Prozent. Banken mussten danach Geld bezahlen, wenn sie Liquidität bei der EZB anlegen wollten. Im September 2019 wurde der Einlagensatz auf minus 0,5 Prozent abgesenkt. Ab Juli lag er bei null Prozent, ab Donnerstag nun bei plus 0,75 Prozent.
Quelle: AFP
Lange bevor der Krieg in Europa angefangen und die Notenbänker die Zinswende einleiteten, stiegen bereits eben jene Renditen und so zogen – von vielen zunächst eher unbemerkt – auch die Bauzinsen bereits frühzeitiger als andere Kreditkosten an.
Inflation in den USA dürfte eher zurückgehen
Doch wie konsequent und effizient Notenbanken mit steigenden Leitzinsen Inflation bekämpfen können, hängt letztendlich vor allem von der Frage ab: Was sind denn die Ursachen für den starken Preisauftrieb?
- Eine heiß laufende Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen
- verbunden mit steigenden Preisen
- weil Hersteller mit der Fertigung ihre Produkte gar nicht mehr hinterherkommen
- weil in Folge der guten Auftragslage der Arbeitsmarkt fast leergefegt ist
- gute Leute nur noch für deutlich bessere Löhne zu bekommen sind
- was wiederum die Produktion verteuert und dadurch die Erzeuger- und Ladenpreise hochtreibt
Gas, Strom, Lebensmittel: Das Leben in Deutschland hat sich stark verteuert. Die Inflationsrate ist im September auf zehn Prozent gestiegen und damit so stark wie seit etwa 70 Jahren nicht mehr.13.10.2022 | 1:38 min
So eine Teuerung, wie wir sie gerade in den USA erleben, ist schulbuchmäßig durch das Anheben der Leitzinsen zu bekämpfen. Steigende Leitzinsen machen Geld teurer, die Menschen kaufen weniger, die Preise gehen zurück.
Europas Kampf gegen die Teuerung ist schwieriger
Anders die Situation in Europa: Hierzulande fing zunächst alles mit steigenden Energiepreisen an, die im Übrigen bereits vor Ausbruch des Krieges anzogen. Gleichzeitig kämpft die Wirtschaft hier sehr viel stärker mit fehlenden Vorprodukten, infolge von bis heute und pandemiebedingt gestörten Lieferketten.
Das Problem für die Europäische Zentralbank: Auf die Gründe für die drastisch gestiegenen Energiepreise hat sie kaum Einfluss. Ebenso kann sie mit ihrer Geldpolitik keine gestörten Lieferketten reparieren. Fast alles was zuletzt zur Verfestigung der Inflation in Europa geführt hat, ist mit Leitzinserhöhungen nicht zu heilen.
Tatenloses Zusehen falsches Signal
Europas Inflation ist also eine andere. Den Menschen auf der Straße aber ist es egal, warum Brot, Käse, Fleisch oder Sprit teurer werden. Sie erwarten eine Geldpolitik, die die Kaufkraft stärkt und die Vermögenswerte stützt. Auch Letztere werden durch die Inflation angegriffen. Die EZB wird daher weiter die Zinsen erhöhen, zunächst auch in großen Schritten. Tatenloses Zusehen wäre jetzt das absolut falsche Signal.
Die Währungshüter müssen jetzt unter Beweis stellen, dass sie alles unternehmen, um die Teuerung zu stoppen. Aus Sorge davor, dass morgen alles noch teurer wird, halten nämlich viele Bundesbürger längst ihr Geld zusammen. Von der neuen "German Angst" ist bereits die Rede - eine Angst, die allerdings inzwischen viele Europäer mit uns teilen.
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