KI im Mittelstand: Voraussehen, wann die Technik klemmt

    Interview

    KI im Mittelstand:Voraussehen, wann die Bustür klemmt

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    Künstliche Intelligenz bekommt mehr "Bodenhaftung", erklärt KI-Expertin Johanna Farnhammer. Schon 2024 werden die Tools in vielen Betrieben das neue Normal sein.

    Typical: KI
    Wie verändert KI die Arbeit mittelständischer Industrien?
    Quelle: Imago

    ZDFheute: Die meisten Menschen in Deutschland arbeiten in kleinen und mittleren Unternehmen: Was tut sich da gerade in Sachen Künstlicher Intelligenz?
    Johanna Farnhammer: Im Bereich KI zeigt sich gerade eine dynamische Entwicklung. Die entscheidende Veränderung besteht darin, dass sich nicht mehr ausschließlich Akademiker in mittelständischen Unternehmen mit KI beschäftigen.
    Durch die Vielzahl von Tools und bereits vortrainierten Modellen können mittlerweile alle Berufsgruppen, von der Buchhaltung über das Marketing bis hin zu den Servicetechnikern, mit KI arbeiten. Hinzu kommt, dass die Anwendungen immer benutzerfreundlicher werden.
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    ZDFheute: Wie reagieren die Unternehmen darauf?
    Farnhammer: Vor noch einem Jahr, als ich einen Vortrag über Künstliche Intelligenz auf einer Konferenz für mittelständische Unternehmen hielt, wurden danach keine Fragen gestellt. Das ist heute anders.
    Mittlerweile hören die Fragen nach meinen Vorträgen nicht mehr auf: Woher bekomme ich die Anwendung? Wie hoch sind die Kosten? Und so weiter.

    Johanna Farnhammer, Head of KI Transfer Plus bei der appliedAI Initiative GmbH.
    Quelle: Claudia Baumgartner

    ... ist promovierte Elektroingenieurin und Expertin für KI im Mittelstand. Sie ist Head of KI Transfer Plus bei der appliedAI Initiative GmbH, nach eigenen Angaben Europas größte Initiative für die Anwendung vertrauenswürdiger KI-Technologie in Unternehmen.

    ZDFheute: Was wird denn 2024 Standard sein, was es gestern noch nicht gab?
    Farnhammer: Dazu gehört zum Beispiel die sogenannte "predictive maintenance", die vorausschauende Wartung. Es gibt Tools, die vorhersagen können, wann beispielsweise die Tür eines Busses voraussichtlich defekt sein wird.
    Dadurch können präventive Reparaturarbeiten bereits im Vorfeld starten, bevor der Bus unerwartet ausfällt und Fahrten abgesagt werden müssen. Diese Vorgehensweise macht den Busbetrieb deutlich planbarer.
    ZDFheute: Wie genau sieht so ein Tool im Arbeitsalltag aus?
    Farnhammer: Stellen wir uns ein Unternehmen vor, das Gummidichtungen für Autotüren herstellt, also ein typischer mittelständischer Kfz-Zulieferbetrieb. Dort werden die Anlagen in der Regel alle drei Monate gewartet und viele Bauteile auf Verdacht hin ausgetauscht, damit sie nicht im laufenden Betrieb plötzlich ausfallen und die Reparatur dann die ganze Produktion aufhält.
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    Durch die Implementierung von "predictive maintenance" kann ein KI-Tool in die Anlage integriert werden, das kontinuierlich Geräusche und Temperaturen misst und aufzeichnet. Sollte an irgendeiner Stelle beispielsweise der Abrieb ungewöhnlich hoch sein, erkennt die Anwendung dies sofort.
    Das betroffene Bauteil wird ausgetauscht, und zwar nur das und nicht vorsorglich gleich alle. Das spart nicht nur Kosten, sondern reduziert auch den Abfall.
    ZDFheute: Mit dem Ausbau von Künstlicher Intelligenz ist gleichzeitig die Angst vor Arbeitsplatzverlust verbunden. Wie real ist die Gefahr aus Ihrer Sicht?
    Farnhammer: Das Gegenteil ist der Fall, Künstliche Intelligenz unterstützt uns in der Bekämpfung des Fachkräftemangels. Nehmen wir als Beispiel eine Firma, die Gabelstapler wartet. Auch in diesem Bereich fehlt es an qualifizierten Mechatronikern.
    Ein spinnenartiger kleiner Roboter mit vielen Kabeln und Drähten sitzt vor einer Keyboard-Tastatur und drückt mit einem seiner Greifarme auf eine Taste. Als Kopf hat er einen kleinen Bildschirm, auf dem sein lachendes Gesicht zu sehen ist. Der Hintergrund ist unscharf, auf einem Bildschirm ist eine bunte Computeranimation zu erkennen.
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    Intelligente Wissensdatenbanken können da tatsächlich einen Ausweg bieten. Denn auch Gabelstapler sind heute sehr komplexe, teils mechanische, teils digitale Geräte. Treten Probleme auf, ist es für den Mechatroniker entscheidend, in den Datenbanken das richtige Schlagwort zu finden. Das ist viel schwieriger, als es klingen mag.
    KI-Tools helfen dabei, das richtige Schlagwort und damit die Lösung des Problems zu finden. Und das führt wiederum dazu, dass Mechatroniker nicht mehr so hoch spezialisiert ausgebildet sein müssen wie bisher. Der Pool an Mitarbeitenden, die in der Lage sein werden, einen hochkomplexen Gabelstapler zu reparieren, wird dank KI in Zukunft größer sein.
    Das Interview führte Eva Schmidt.

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