EZB-Zinsentscheidung: Bei der Inflation ist Land in Sicht

    Nach der EZB-Zinsentscheidung:Bei der Inflation ist Land in Sicht

    von Frank Bethmann
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    Die Zinsschritte der EZB werden kleiner, die Fed in den USA legt gar eine Pause ein. Der Grund: Die Preise steigen nicht mehr so stark. Doch Risiken für die Wirtschaft bleiben.

    Die Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) am frühen Morgen.
    Angesichts der weiter hohen Inflation im Euroraum hebt die EZB den Leitzins auf 4,0 Prozent an. Ziel sei es, die Inflation mittelfristig auf zwei Prozent zu drücken, so Lagarde.15.06.2023 | 0:19 min
    Im Kampf gegen die Inflation befinden sich die Notenbanken noch immer in schwerer See. Doch auf der Kommando-Brücke heißt es allmählich: Land in Sicht!
    Vor allem der Inflationsrückgang in den USA macht Hoffnung, dass sich der Sturm des Preistreibens nun beruhigt. Die US-Teuerungsrate ist im Mai auf vier Prozent zurückgegangen, nachdem sie im vergangenen Monat noch bei 4,9 Prozent gelegen hatte.
    Nach zehn Zinsschritten in Folge hat das die US-Notenbank Fed dazu bewegt, nun eine Zinspause einzulegen. Die Europäische Zentralbank hält gleichwohl Kurs und hat den Leitzins abermals um 0,25 Prozentpunkte erhöht.

    Inflationsbekämpfung hat oberste Priorität

    Auffällig also, dass die beiden großen Zentralbanken jetzt versuchen, mit unterschiedlichen Manövern ans Ziel zu kommen. Arthur Brunner, Anleihehändler der ICF-Bank, wundert das nicht. Dass die EZB weiter den Leitzins erhöht, befürwortet er: "Sie hat ja auch später als die Fed angefangen, die Zinsen zu erhöhen."
    Tatsächlich sind die Leitzinsen in den Vereinigten Staaten inzwischen bei 5,0 bis 5,25 Prozent angelangt, während die EZB für die Eurozone den Leitzins mit ihrem aktuellen Schritt erst auf 4,0 Prozent getrieben hat. Brunner, von Anbeginn an nie ein Freund einer allzu lockeren Geldpolitik, ist an dieser Stelle ganz klar:

    Die EZB hat noch Luft nach oben. Die Inflationsbekämpfung hat oberste Priorität.

    Arthur Brunner, Anleihehändler der ICF-Bank

    Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Lagarde, mit den ehemaligen Präsidenten Draghi und Trichet
    Mit einem Festakt hat die Europäische Zentralbank ihr 25-jähriges Bestehen gefeiert. EZB-Präsidentin Lagarde forderte weitere Einigungsschritte über die Währungsunion hinaus.25.05.2023 | 0:19 min

    Preise steigen nicht mehr so stark, auch Kernrate sinkt

    Doch längst ist die Situation nicht mehr so eindeutig wie vor einem Jahr, als die Inflation drohte, ins Galoppieren zu geraten. In Deutschland ist die Teuerung erstmals seit längerem wieder unter 7 Prozent gefallen.
    Auch die sogenannte Kernrate, das ist der Wert, der besonders schwankende Preise wie die für Energie und Lebensmittel ausklammert, ist gefallen - ein wichtiges Signal für Fachleute, die anhand der Kernrate die längere Entwicklung der Preise besser beurteilen können.
    Frank Bethmann im Schaltgespräch mit Moderator Wehrmann
    Die Preise im deutschen Großhandel sind zum zweiten Mal in Folge gefallen. Börsenexperte Frank Bethmann mit einer Einschätzung.14.06.2023 | 1:12 min

    Ökonomin: "EZB hätte besser eine Pause eingelegt"

    Deswegen sagt Silke Tober, Referatsleiterin des Bereichs "Makroökonomische Grundlagenforschung" mit Schwerpunkt Geldpolitik beim Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung: "Wir haben schon den letzten Zinsschritt für nicht erforderlich gehalten."
    Den aktuellen der Europäischen Zentralbank auf jetzt 4,0 Prozent hält sie für falsch, weil unnötig. Im Podcast Systemrelevant sagt die Ökonomin, die EZB hätte bereits vorher eine Pause einlegen sollen: "Und sehen, wie wirken denn diese massiven Zinserhöhungen, die jetzt schon durchgesetzt wurden, weil das dauert eben. Und wir haben schon eine relativ schwache Wirtschaft."

    Gefahr für Wirtschaft und Arbeitsplätze

    Tober analysiert die Geldpolitik der EZB in einer Studie und kommt zu dem Schluss, dass aktuell kein weiterer Handlungsbedarf bestünden hätte, sondern - im Gegenteil - weitere Leitzinserhöhungen erhebliche Risiken bergen. Die Gefahr sei da, dass sich der EZB-Rat zu sehr auf die Bekämpfung Teuerung konzentriere.

    Die Risiken sind halt nicht nur in Richtung hohe Inflation, sondern sie sind auch in Richtung wirklich erhöhte Arbeitslosigkeit, gedämpfte Wirtschaft.

    Silke Tober, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK)

    Preise entwickeln sich unterschiedlich - noch keine endgültige Entwarnung

    Tatsächlich zeigen sich bereits erste negative Folgen der Zinserhöhungen auf das Wachstum. Die Wirtschaft in der Euro-Zone ist sowohl Ende 2022 als auch Anfang 2023 geschrumpft.
    Doch andererseits kann auch nicht davon die Rede sein, dass die Inflationsprobleme gelöst sind. Denn schaut man genau auf die Preise, stellt man fest, nicht überall fallen sie.
    Während sich Heizöl beispielsweise weiter verbilligt, weisen viele Lebensmittel auf Jahressicht immer noch einen heftigen Preisanstieg auf. Von daher rechnen viele Experten, auch Arthur Brunner, damit, dass die EZB-Kurs halten wird.

    Konkret rechne ich damit, dass sie auch im Juli die Zinsen noch ein weiteres Mal um 0,25 Prozentpunkte anheben wird. Es gibt noch keinen Grund, jetzt den Fuß vom Gas zu nehmen.

    Arthur Brunner, Anleihehändler der ICF-Bank

    Und frühestens dann würde sie seiner Meinung nach eine Pause einlegen.

    Zinsen für Tagesgeld dürften weiter steigen

    Käme es so, hätte das vermutlich für Sparer einen erfreulichen Nebeneffekt. Horst Biallo von der gleichnamigen Verbraucherplattform geht nämlich davon aus, dass man dann bei den Tagesgeldzinsen in der Spitze die 4 Prozent vor dem Komma sehen würde.
    Und sollten zudem die Notenbänker mit ihren Manövern auf hoher See erfolgreich sein, sollten die Preise also auf breiter Front nachgeben, ja dann könnte eintreten, was es schon lange nicht mehr gab: Nämlich das es auf dem Sparbuch wieder Zinsen gibt, die mindestens so hoch sind wie die Inflation und nicht von dieser weggefressen werden.

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