Nach einem Urteil dürfen US-Bundesstaaten jetzt über das Recht auf Abtreibung entscheiden. Die fackeln nicht lange und führen strenge Regeln ein. Die Angst unter Frauen geht um.
Durcheinander, Unsicherheit und Angst. Das ist das Ergebnis der jüngsten Entscheidung des Obersten US-Gerichts zur Abtreibung. Vor rund zwei Wochen kippte der Supreme Court das Recht darauf, eine Schwangerschaft beenden zu können.
In rund der Hälfte der US-Bundesstaaten gelten seitdem weitgehende Einschränkungen bis hin zu Abtreibungsverboten - oder sie dürften bald in Kraft treten. In den USA gibt es nun einen Flickenteppich an Regelungen - und die Furcht, dass bald sogar Frauen im Gefängnis landen könnten.
Was ist bisher in den Bundesstaaten passiert?
Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Deshalb ist die aktuelle Entscheidung des Supreme Court so einschneidend. Abtreibungen waren vor dem neuen Urteil im ganzen Land mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt. Dies stellte unter anderem ein wegweisendes Urteil des Gerichts von 1973 sicher. Das ist nun gekippt worden.
In etlichen Bundesstaaten traten nach dem Urteil sofort strenge Gesetze in Kraft. In südlichen Staaten wie Arkansas oder Alabama sind Abtreibungen nun auch bei Fällen von Inzest oder Vergewaltigung verboten. Ausnahmen gibt es oft nur bei medizinischen Notfällen.
Selbst Kinder könnten somit gezwungen werden, ein Kind auszutragen. "Jedes einzelne Leben ist kostbar", entgegnete die republikanische Gouverneurin des Bundesstaats South Dakota, Kristi Noem, auf die Frage, ob ein minderjähriges Vergewaltigungsopfer das Kind bekommen müsse.
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Werden die Gesetze in den Bundesstaaten vor Gericht angefochten?
In einigen Bundesstaaten herrschte nach dem Urteil Verwirrung, was gilt. Frauenrechtsorganisationen gehen vor Gericht gegen die Regelungen vor - es steht ein langer Weg durch die Instanzen in den betroffenen Staaten bevor. Einige Gerichte haben Verbote und Beschränkungen blockiert.
Sanger forscht seit langem zu dem Thema. Die erzkonservative Mehrheit der Richter am Supreme Court hatte in ihrer Entscheidung argumentiert, das Urteil von 1973 habe den Streit über Abtreibung nicht befriedet, sondern angeheizt. Sanger hält dagegen, dass nun das Durcheinander in den Staaten zu großen Problemen führen werde. Sie sieht noch eine weitere Gefahr: dass Frauen für Abtreibungen bestraft werden könnten.
Was heißt das?
Aktuell werden nach den Gesetzen der Bundesstaaten in der Regel Ärztinnen und Ärzte belangt, die eine Abtreibung durchführen. Ihnen drohen oft lange Gefängnisstrafen. Viele Abtreibungsgegner sind aber der Meinung, dass das Leben mit der Empfängnis beginne und dass Abtreibung Mord sei.
Welche Folgen hätte das?
Grundsätzlich gilt in den USA, dass das Recht, zwischen den Bundesstaaten zu reisen, geschützt ist. Frauen können also theoretisch in einen Bundesstaat reisen, in dem Abtreibung legal ist - wie in Kalifornien oder in New York.
Sollten Bundesstaaten aber Frauen kriminalisieren, die abgetrieben haben, könnte die Justiz diese bei ihrer Rückkehr rechtlich zu belangen versuchen. Ähnlich sieht es aus bei der Abtreibungspille per Post, die unter der aktuellen demokratischen Regierung verschickt werden darf.
Einige warnen, das nächste Ziel der Abtreibungsgegner könnte die Antibabypille sein. Sanger befürchtet, dass auch Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, ins Visier von Ermittlern geraten könnten.
Dabei könnte auch das Verhalten von Frauen im Netz von Bedeutung sein.
Können digitale Spuren im Internet für Frauen zur Gefahr werden?
Die Google-Suche nach einer Abtreibungsklinik, die Textnachricht an die Schwester, Ortungsdienste oder Apps, mit denen Frauen Daten zu ihrem Menstruationszyklus verwalten: All das könnten Ermittler nutzen, wenn sie einer Frau eine Abtreibung nachweisen wollen.
Das sagte Conti-Cook gegenüber der "New York Times".
Wie geht es jetzt weiter?
Die Demokraten hoffen auf Rückenwind für eine ausreichende Mehrheit bei den Kongresswahlen im Herbst, um ein landesweites Gesetz zu verabschieden, welches das Recht auf Abtreibung schützt. Umfragen lassen aber eher einen Stimmgewinn für die Republikaner erwarten.
Auch diese könnten dann versuchen, ein Gesetz zu verabschieden - nur eben eines, das Abtreibungen landesweit einschränkt oder verbietet. Präsident Biden würde so ein Gesetz sicherlich nicht unterzeichnen. Allerdings könnten die Karten unter einem möglichen republikanischen Präsidenten nach der Wahl 2024 neu gemischt werden.