Annemarie Renger: Erste Frau im zweithöchsten Staatsamt

    Annemarie Renger:Erste Frau im zweithöchsten Staatsamt

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    Vor 50 Jahren wird Annemarie Renger zur ersten Frau an der Spitze des Bundestages. Sie ist vieles: Vorreiterin, treue Sozialdemokratin und prägendes Gesicht der Bonner Republik.

    Annemarie Renger (SPD) im Bundestag, sie wird als erste Frau Präsidentin des Deutschen Bundestages, Archivbild
    Annemarie Renger (SPD) wurde 1972 als erste Frau Präsidentin des Deutschen Bundestages.
    Quelle: pa/dpa-Bildfunk

    Als Annemarie Renger (SPD) vor 50 Jahren zur Präsidentin des Deutschen Bundestages wurde, durften Frauen nicht ohne Zustimmung ihres Ehemanns arbeiten und waren gesetzlich zur Haushaltsführung verpflichtet. Rund sechs Prozent der Abgeordneten im Bundestag waren weiblich; noch nie hatte es in den höchsten staatlichen Ämtern eine Frau gegeben.
    Für das Amt der Bundestagspräsidentin schlug Renger sich in der SPD-Fraktion selbst vor. "Glauben Sie, man hätte mich sonst genommen?", sagte sie später einmal dazu. Nach ihrer Wahl am 13. Dezember 1972 war sie nicht nur die erste Frau an der Spitze eines frei gewählten Parlaments, sondern auch die erste SPD-Spitze des Bundestages.

    Renger muss sich in Männerdomäne durchsetzen

    Vier Jahre lang hatte sie das Amt inne und musste beweisen, dass sie, die sozialdemokratische Parteisekretärin, dem Amt gewachsen war. Mit präsidialem Stil erreichte sie Anerkennung quer durch unterschiedlichste Bevölkerungsgruppen - auch beim politischen Gegner. Selbst resümierte sie:

    Ich habe erreicht, was ich wollte. Es ist bewiesen, dass eine Frau das kann.

    Renger begleitete die deutsche Politik jahrzehntelang. 1953 wurde sie zum ersten Mal in den Bundestag gewählt, bis 1990 war sie Abgeordnete. 

    Sozialdemokratie bestimmte Rengers Leben

    1919 in Leipzig geboren und in Berlin aufgewachsen, entstammte Renger einer durch und durch sozialdemokratischen Familie. Im Nationalsozialismus musste sie die weiterführende Schule wegen der politischen Einstellung ihrer Eltern verlassen und verlor im Krieg drei Brüder und ihren Ehemann.
    Verwitwet und mit einem Kind begann sie, 1945 für Kurt Schumacher zu arbeiten, als dessen Vertraute sie bis zu seinem Tod 1952 galt. 1965 heiratete sie erneut.
    Auch dieser Gatte starb nach nur wenigen gemeinsamen Jahren. 1998 verstarb ihr Sohn.
    Zeit ihres Lebens war Renger eine konservative und überzeugte Vertreterin der sozialdemokratischen Idee und mehr als ein halbes Jahrhundert lang SPD-Mitglied. In zahlreichen Partei- und Fraktionsämtern brachte sie sich ein, mehrfach als erste Frau an der jeweiligen Stelle.

    Frauen in hohen Staatsämtern weiter rar

    Nicht jede Position ihrer Partei teilte sie. 1979 trat sie bei der Bundespräsidentenwahl an, obwohl eine SPD-Niederlage aufgrund der Mehrheitsverhältnisse absehbar war. Keines der anderen Gesichter der Partei hatte aussichtslos kandidieren wollen.
    Selbstsicher, elegant, resolut, durchsetzungsstark, charmant, stark, lebensfroh, unbeugsam - so wurde sie gewürdigt nach ihrem Tod am 3. März 2008.
    Renger folgten als Bundestagspräsidentinnen Rita Süssmuth (CDU, 1988-1998) und Bärbel Bas (SPD), die seit 2021 dem Bundestag vorsteht. 1990 war Sabine Bergmann-Pohl (CDU) für ein halbes Jahr Präsidentin der frei gewählten Volkskammer der DDR. Mit Angela Merkel (CDU) wurde 2005 zum ersten Mal eine Frau Bundeskanzlerin. Ein nicht-männliches Staatsoberhaupt der Bundesrepublik gab es bisher nicht.
    Quelle: KNA
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