Ende der Atomkraft: Der Rückbau in Neckarwestheim startet

    Ende der Atomkraft:Wie der Rückbau im AKW Neckarwestheim abläuft

    Houben Luisa
    von Luisa Houben
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    Im April gingen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz. Auch im AKW in Neckarwestheim hat der Rückbau begonnen. Könnte man den Reaktor trotzdem nochmal hochfahren?

    Das Atomkraftwerk Neckarwestheim
    Das vom Energieversorger EnBW betriebene Atomkraftwerk Neckarwestheim
    Quelle: Bernd Weißbrod/dpa

    Mitte April ging "Neckarwestheim II", eins der drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland, vom Netz. Jetzt beginnt ein gigantisches Projekt: der Rückbau. Wie läuft dieser ab?

    Was hat sich im Reaktorgebäude schon verändert?

    Block II in Neckarwestheim ging 1989 als Netz und produzierte mehr als 375 Milliarden Kilowattstunden Strom - bis zum 15. April 2023. An diesem Tag wurde der Reaktor runtergefahren. Kernspaltung findet seitdem nicht mehr statt. Im Reaktorgebäude aber hat sich bisher nichts verändert, es wird weiter gearbeitet. Nur im Maschinenhaus ist es ruhig geworden.

    Wie gefährlich ist es noch?

    Im Reaktorgebäude von Block II lagern in einem großen Becken die letzten Brennstäbe - in 18 Metern Tiefe, bei rund 30 Grad Wassertemperatur. Vor Kurzem sind sie aus dem Reaktordruckbehälter in das Lagerbecken überführt worden. Das Wasser schützt vor ihren hoch radioaktiven Strahlen und kühlt. Drei bis vier Jahre wird es dauern, bis die Brennstäbe verpackt und in ein Zwischenlager gebracht werden können.
    Sven Nagels vom Fachverband für Strahlenschutz erklärt: "Ein abgeschaltetes Kernkraftwerk ist ein kleines bisschen sicherer, weil die Kettenreaktion unterbrochen ist und nicht mehr stattfindet, aber solange der Kernbrennstoff noch vor Ort ist, kann man die Sicherungsmaßnahmen nicht runterfahren."
    Das AKW Neckarwestheim, darüber eine orange-weiße Schrift "Abgeschaltet und dann?"
    Am 15. April 2023 wurden die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen. In Neckarwestheim hat der Rückbau des Atomkraftwerks begonnen, ein langwieriger Prozess.07.06.2023 | 6:55 min

    Wie lange dauert der Rückbau?

    Die Vorbereitungen für den Rückbau hätten schon Jahre vor dem Antrag auf Rückbau begonnen, erklärt Jörg Michels, Leiter der Kernkraftsparte beim Betreiber EnBW. Darauf folgte ein mehrjähriger Genehmigungsprozess. Der nun begonnene Abbau des Blocks werde zehn bis 15 Jahre dauern.

    Wie viel kostet der Rückbau?

    Die EnBW rechnet damit, dass der Abbau ihrer fünf Atomkraftwerke rund 9 Milliarden Euro kosten wird. Ein Rückbau sei ebenso aufwendig wie der Bau einer Anlage.

    Wie viel Müll wird es geben?

    Ein erster Schritt im Abbau-Prozess sei die Dekontamination der Systeme, erklärt Michels. Leitungen und Flächen sollen gereinigt werden, um eine minimale Radioaktivität zu erreichen. Dafür werde zum Beispiel eine Säure, die Partikel löse, durch die Kreisläufe geschickt.
    Insgesamt werden laut EnBW beim Rückbau von Neckarwestheim II 800.000 Tonnen Bauschutt und Müll anfallen. Viele Materialien werde man wiederverwenden können. Ein Prozent aber, also 8.000 Tonnen, werden radioaktive Abfälle sein.
    Dieser wird voraussichtlich auf dem Gelände des Akw zwischengelagert werden. Die Bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung betreibt dort eine Lagerstätte: ein in den Hang gebauter Tunnel, in dem die gelben Castor-Behälter so lange bleiben werden, bis ein Endlager gefunden ist.
    Atomkraftwerk
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    Könnte man den Reaktor doch nochmal hochfahren?

    Im Gegensatz zum Reaktorgebäude ist es im Maschinenhaus schon ruhig geworden. Einzelne Teile wurden bereits abmontiert, Turbine und Generator sollen folgen. Die Maschinen seien noch voll funktionstüchtig, erklärt Jörg Michels.
    Doch eine Wiederinbetriebnahme schließt er aus. Mit der Inanspruchnahme der Stilllegungs- und Abbaugenehmigung für diesen Block habe sich die Betriebsgenehmigung verändert.

    Ohne diese Genehmigung ist ein Weiterbetrieb unmöglich.

    Jörg Michels, Leiter Kernkraftsparte EnBW


    Rein technisch wäre eine Wiederinbetriebnahme aber möglich, sagt Sven Nagels vom Fachverband für Strahlenschutz. "Wenn man die Anlage einfach so lassen würde: Das Wasser bleibt drin, man dekontaminiert nicht, man trifft keine weiteren Maßnahmen für den Rückbau, lässt es wie gehabt, könnte man natürlich Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen."
    Doch für die EnBW steht fest: "Das Thema ist durch. Wenn man eine Diskussion über den Weiterbetrieb der Kernenergie hätte führen wollen, dann hätte man die in den letzten Jahren führen müssen", betont Michels.

    Nachrichten | Politik
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