Atomausstieg: So schaltet man ein Kernkraftwerk ab

    FAQ

    Atomausstieg in Deutschland:So schaltet man ein Kernkraftwerk ab

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    Jetzt ist endgültig Schluss mit der nuklearen Stromerzeugung in Deutschland. Doch wie läuft eine AKW-Abschaltung eigentlich ab und was passiert mit den Anlagen?

    Brennelemente in einem Atomkraftwerk. Illustration
    Das Abschalten der Brennelemente dauert nur 15 Minuten, die Suche nach einem Endlager schon mehrere Jahrzehnte.
    Quelle: picture alliance / dpa

    Deutschland ist aus der Atomkraft ausgestiegen. Nachdem die Politik wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der daraus folgenden Energiekrise noch einmal einen Aufschub gewährt hatte, wurden nun auch die letzten drei aktiven Meiler Neckarwestheim 2, Isar 2 und Emsland vom Netz genommen. Aber wie funktioniert das? So wird ein AKW runtergefahren:

    Wie funktioniert ein Kernkraftwerk?

    Ein Kernkraftwerk produziert Strom aus Wärme. Bei der Spaltung der Atomkerne wird Energie freigesetzt. Die Hitze, die dabei entsteht, wird genutzt, um Wasser in Dampf umzuwandeln. Dieser Dampf treibt dann eine Turbine an, die wiederum einen Generator antreibt, der Strom produziert.
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    Was passiert bei der Abschaltung eines Meilers?

    Die Leistung des Reaktors wird nach Angaben des Kraftwerksbetreibers Energie Baden-Württemberg (EnBW) kontinuierlich abgesenkt. Dies geschehe durch das schrittweise Einfahren von sogenannten Steuerstäben in den Reaktorkernen - diese dienen der Regelung und Abschaltung eines Kernreaktors.
    Danach wird der Generator vom Stromnetz genommen und der Reaktor komplett abgeschaltet. "Das dauert etwa eine Viertelstunde", erläutert der Kraftwerksleiter des bayrischen Meilers Isar 2, Carsten Müller.
    Dann beginnt die eigentliche Arbeit: Die hochradioaktiven Brennelemente werden entfernt und in sogenannten Castoren in Zwischenlagern aufbewahrt. In Deutschland gibt es aktuell 16 Zwischenlager für hochradioaktive Abfälle.

    Nachrichten | Politik
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    Gibt es denn ein Endlager in Deutschland?

    Nein. Es wird weiterhin nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle gesucht. 2017 wurde ein neues Verfahren dafür gestartet, um die Öffentlichkeit miteinzubeziehen. Doch die Aufgabe ist nicht leicht - wer möchte schon Tür an Tür mit einem Lager für Atommüll wohnen?
    "Dies ist auch nicht der Anspruch des Verfahrens", sagt der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung (BASE), Wolfram König. Die Entscheidung solle von den Betroffenen aber zumindest toleriert werden können. Und egal wie man zur Atomkraft stehe oder gestanden hat:

    Der Abfall ist nun mal da. Jetzt ist es unsere Aufgabe, kommenden Generationen dieses Problem nicht zu hinterlassen.

    Wolfram König, Präsident des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung

    Immerhin für schwach- und mittelradioaktive Abfälle scheint ein Endlager gefunden zu sein: Das ehemalige Eisenerzbergwerk in Salzgitter, Schacht Konrad, ist dem BASE zufolge das erste nach Atomrecht genehmigte Endlager für diesen Zweck. Es soll 2027 in Betrieb gehen.

    Welche Mengen radioaktiver Abfälle gibt es in Deutschland?

    Unterschieden wird zwischen hoch-, mittel- und schwachradioaktiven Abfällen. Bei hochradioaktiven Abfällen handelt es sich meist um verbrauchte Brennelemente aus Atomkraftwerken oder Forschungsreaktoren. Diese machen nach Angaben des BASE zwar nur fünf Prozent des gesamten Volumens der radioaktiven Abfälle aus, bringen aber 99 Prozent der Aktivität mit sich.
    Doch auch die Entsorgung von schwach- und mittelradioaktiven Abfällen - zum Beispiel kontaminierte Teile aus dem Rückbau der Atomkraftwerke wie Teile des Generators - stellt die Verantwortlichen vor Herausforderungen. Nach Schätzungen des BASE gibt es in Deutschland etwa 620.000 Kubikmeter davon.
    Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) zufolge sollen davon rund 300.000 Kubikmeter in das Endlager Schacht Konrad eingelagert werden.

    Dieses Volumen entspricht ungefähr dem Inhalt von 100 olympischen Schwimmbecken.

    Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

    Es bräuchte also einen großen, abgesicherten Lagerraum. Die Abfälle für Schacht Konrad verteilten sich auf über 30 Zwischenlager im ganzen Land. Für die restlichen Kubikmeter der schwach- und mittelradioaktiven Abfälle müssen noch Möglichkeiten zur Endlagerung gefunden werden.
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    Können die Abfälle nicht einfach in den Zwischenlagern bleiben?

    Nur Endlager in tiefen geologischen Schichten gelten als dauerhaft sichere Lösung. "Beton, Stacheldraht und Wachmannschaften" könnten dies nicht ersetzen, sagt BASE-Präsident König. Tiefliegende Gesteine böten eine natürliche Barriere, die vor Strahlung schützt.

    Was passiert nach der Abschaltung mit dem Gelände eines AKW?

    Atomkraftgegner fordern immer wieder "blühenden Wiesen", die nach dem Abbau eines Kernkraftwerks das Land wieder in seinen natürlichen Zustand zurückbringen sollen. Doch das ist nicht so leicht. Denn das Gebäude kann nicht einfach abgerissen werden, solange sich radioaktive Elemente darin befinden.
    Wurden die Brennelemente entfernt, sind die Aktivitätsmengen jedoch nur noch gering - beispielsweise, wenn der Reaktordruckbehälter selbst radioaktiv geworden ist.
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    Wie geht der Rückbau eines AKW vonstatten?

    Das BASE rechnet mit rund 15 Jahren für den Abbau eines Meilers, bis er aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen werden kann und zwei weitere Jahre für den Rückbau der Gebäude. Jedes Bauelement - Gemäuer wie Reaktorteile, Kabel wie Schrauben - müssen einzeln abgebaut und ebenso einzeln auf Radioaktivität überprüft werden.
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    Quelle: dpa

    Denn nur so kann entschieden werden, ob ein Element in ein Endlager für radioaktive Abfälle muss oder in eine Sondermülldeponie, oder ob es, als Bauschutt eingestuft, sogar wiederverwendet werden kann.
    Nach der Planung des Betreibers RWE wird die Anlage Emsland beispielsweise im Jahr 2037 nachweislich frei von jeder Radioaktivität sein. Der Rückbau aller 36 in Deutschland betriebenen konventionellen Kernreaktoren soll bis etwa 2040 erfolgt sein.

    Wer bezahlt den Atomausstieg?

    Der Atomausstieg wird kostspielig - so viel steht fest. Eine Kommission hat die Gesamtkosten unter anderem für Stilllegung und Rückbau der Meiler sowie die Transporte und die Lagerung der Abfälle auf 48,8 Milliarden Euro geschätzt.
    Daraufhin wurde ein Fonds eingerichtet, in den die Betreiber der Atomkraftwerke einzahlen mussten. Aus diesem Betrag soll die Zwischen- und Endlagerung bezahlt werden. Die Energieversorger sind auch für die Kosten von Stilllegung und Rückbau der Meiler verantwortlich. RWE zufolge schwanken die Kosten für den Nachbetrieb und Rückbau eines Kernkraftwerks je nach Größe, Alter und Betriebsstunden der Anlagen zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro.
    Quelle: ZDF und Stella Venohr, dpa

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