Chronologie: 66 Jahre Atomenergie in Deutschland

    Chronologie:66 Jahre Atomenergie in Deutschland

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    1957 ging der erste deutsche Atomreaktor ans Netz. Seitdem ist die Geschichte der Atomkraft geprägt von Diskussionen, Widerstand und Kehrtwenden. Ein Rückblick auf 66 Jahre.

    1955 schafft die damalige Bundesregierung ein Ministerium für Atomfragen unter Leitung des späteren CSU-Chefs Franz Josef Strauß. 1957 wird als erster Atomreaktor in Deutschland der Forschungsreaktor der Technischen Universität München in Betrieb genommen. Zwei Jahre später wird das Atomgesetz verkündet, das die Rechtsgrundlage für den Bau und den Betrieb von Atomkraftwerken ist.

    Der erste Atomstrom im Netz

    1961 beginnt das Atomkraftwerk (AKW) Kahl in Bayern als erster deutscher Meiler mit der Einspeisung von Atomstrom in das öffentliche Netz. 1974 geht der weltweit erste 1200-Megawatt-Block im hessischen Biblis ans Netz. Parallel baut auch die DDR auf die Nutzung der Atomkraft, 1966 geht dort das erste AKW im brandenburgischen Rheinsberg in den Leistungsbetrieb.

    Beginn der Protestbewegung

    1975 kommt es zur ersten großen Protesten gegen den Bau eines Atomkraftwerkes im südbadischen Wyhl - mit Erfolg. Von Mitte der siebziger bis Mitte der achziger Jahre gibt es weitere Massenproteste vor allem in Brokdorf, Gorleben, Kalkar und gegen eine damals geplante Wiederaufarbeitungsanlage für Atommüll in Wackersdorf.

    Das Problem mit dem Atommüll

    1984 wird das Brennelement-Zwischenlager Gorleben für schwachradioaktive Abfälle in Betrieb genommen. Es soll die Zeit bis zum Bau eines in der Nähe geplanten Atommüll-Endlagers überbrücken.
    Wenige Jahre später wird das Projekt der Wiederaufarbeitung von Atommüll in Deutschland angesichts der Proteste aufgegeben. Deutscher Atommüll wird stattdessen zur Vorbereitung für die Endlagerung nach Frankreich und Großbritannien gebracht.

    Ausstieg in der früheren DDR

    1990 wird die ostdeutsche Atomindustrie nach der Wiedervereinigung wegen Sicherheitsbedenken abgewickelt. Die Reaktoren in Greifswald und Rheinsberg werden stillgelegt.

    Der Konflikt um Gorleben

    1995 rollen unter massivem Polizeiaufgebot die ersten Castor-Transporte mit aus Frankreich und später auch aus Großbritannien zurückgebrachtem Atommüll nach Gorleben. Wie in den folgenden Jahren werden die Transporte von heftigen Protesten begleitet.

    Der Ausstiegsbeschluss

    Nach ihrem Wahlsieg 1998 schreiben SPD und Grüne den Atomausstieg als Ziel im Koalitionsvertrag fest. 2002 wird dieser nach langen Verhandlungen gesetzlich festgeschrieben.
    Für die Atomkraftwerke wird eine Gesamtlaufzeit von rund 32 Jahren festgelegt, ausgedrückt in noch zu produzierenden Reststrommengen. Damit sollte das letzte AKW rechnerisch im Jahr 2022 abgeschaltet werden.

    Die Laufzeitverlängerung

    Nach dem Regierungswechsel 2009 verlängert die CDU/FDP-Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wieder die Laufzeiten für die noch verbliebenen 17 AKW um acht bis 14 Jahre. Grundsätzlich bleibt der Ausstiegsbeschluss aber bestehen.

    Neuer Ausstiegsbeschluss

    Die erneute Kehrtwende kommt nach der Reaktorkatastrophe 2011 im japanischen Fukushima. Acht ältere deutsche Atomkraftwerke werden sofort vom Netz genommen beziehungsweise bleiben abgeschaltet, für die übrigen neun Anlagen werden feste Daten für eine schrittweise Abschaltung bis Ende 2022 festgelegt.
    Das zerstörte Kernkraftwerk Fukushima von oben.
    Am 11. März 2021 jährt sich zum zehnten Mal die Tsunami- und Atomkatastrophe von Japan, die bis zu 20.000 Menschen das Leben und rund 160.000 Japaner ihre Heimat kostete.09.03.2021 | 43:28 min

    Endlager-Konsens

    Dies ebnet auch 2013 den Weg für einen parteiübergreifenden Konsens für einen neuen Anlauf zur Suche nach einem Endlager, wo hochradioaktiver Atommüll möglichst für eine Million Jahre sicher gelagert werden kann - ausgehend vom Prinzip einer "weißen Landkarte".
    Eigentlich sollte bis 2031 ein Standort gefunden und bis 2050 ein Endlager errichtet werden. Inzwischen ist dieser Zeitplan obsolet, neue Termine gibt es aber noch nicht. Gorleben steht als Standort jedoch nicht mehr zur Debatte.

    Kurz vor Schluss neue Debatte

    Die durch den russischen Überfall auf die Ukraine ausgelöste Energiekrise sorgt kurz vor der geplanten Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke noch einmal für neue Debatten, Forderungen nach einem Abrücken vom Atomausstieg werden laut.
    Festgelegt wird nach einem Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein zusätzlicher sogenannter Streckbetrieb für die drei AKW Emsland, Neckarwestheim und Isar 2. Am 15. April soll der Ausstieg auch dort endgültig vollzogen werden.
    Quelle: Benno König, AFP

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