Benelux: Prominente im Visier von Banden

    Bandenkriminalität :Benelux: Promis im Visier von Banden

    von Paul Schubert
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    Die Kronprinzessin der Niederlande sollte entführt werden, ebenso der belgische Justizminister. Kriminelle Banden nehmen Prominente ins Visier. Nur warum - das ist noch unklar.

    Niederländische Kronprinzessin Amalia
    Nach mutmaßlichen Entführungsplänen: Die niederländische Kronprinzessin Amalia zieht wegen Sicherheitsbedenken aus WG aus.
    Quelle: dpa

    Der Start ins Studium bedeutet für viele junge Menschen einen neuen Lebensabschnitt. So auch für Amalia, die Kronprinzessin des niederländischen Königshauses. Anfang September zog die 18-Jährige in eine WG nach Amsterdam, um ihr dreijähriges Bachelor-Studium aufzunehmen.

    Pläne der Drogenmafia aufgedeckt

    Doch ihr neues Leben fand bereits nach wenigen Wochen ein Ende: Denn ihr Name tauchte laut der niederländischen Tageszeitung "De Telegraaf" in der überwachten Kommunikation des organisierten Verbrechens auf. Es gab offenbar Entführungspläne der niederländischen Drogenmafia. Aus der WG in Amsterdam ging es postwendend zurück nach Den Haag, in den Palast der Eltern - in den Hörsaal nur noch mit Personenschutz.
    Doch es ist nicht der einzige prominente Fall einer geplanten Entführung, der in diesen Spätsommertagen öffentlich wird. Im benachbarten Belgien, in Kortrijk, meldet am Abend des 23. Septembers eine Nachbarin des belgischen Justizministers Vincent Van Quickenborne ein verlassenes Auto mit niederländischem Kennzeichen. Darin: eine Kalaschnikow, zwei Handfeuerwaffen, Kabelbinder und zwei Flaschen Benzin.
    Die festgestellten Spuren führen die Beamten zu vier Niederländern, die daraufhin in der Nähe von Den Haag festgenommen werden. Sowohl die belgische als auch die niederländische Staatsanwaltschaft sind überzeugt, dass die Drogenmafia den Justizminister entführen wollte.
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    "Normalerweise wollen Drogenhändler nicht auffallen"

    Die beiden jüngsten prominenten Beispiele zeigen vor allem eines: Die über Ländergrenzen hinweg agierenden Banden scheinen die Eskalationsspirale weiterzudrehen und keinen Halt mehr vor wichtigen politischen Entscheidungsträgern oder Mitgliedern der Königsfamilie zu machen.
    Doch auf die Frage des ZDF, wieso die kriminellen Banden vermehrt Personen der Öffentlichkeit ins Visier nehmen, hat auch die Kriminologin Letizia Paoli keine genaue Antwort: "Ich verstehe selbst nicht, warum sie das tun."

    Normalerweise wollen Drogenhändler nicht auffallen und es liegt sicher nicht in ihrem Interesse, Verbrechen gegen Prominente zu begehen.

    Letizia Paoli, Kriminologin

    "Außerdem stellen weder der belgische Justizminister van Quickenborne noch Kronprinzessin Amalia eine unmittelbare Bedrohung für die Kriminellen dar", so Paoli.
    Nicht unmittelbar, aber zumindest mittelbar dürfte van Quickenborne ein Dorn im Auge des organisierten Verbrechens sein. Erst zuletzt hatte der 49-Jährige zwei Verträge mit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet, um nach Dubai fliehende Drogenbosse besser aufspüren zu können. Auch gründete der Justizminister 2021 die niederländisch-belgische Polizei-Taskforce "Fortius", welche die Häfen in Antwerpen und Rotterdam besser überwachen soll. Sie gelten als Knotenpunkte des profitablen Kokainschmuggels.

    Mit Entführungen Freilassungen erpressen?

    Im Fall der Kronprinzessin Amalia ist ebenfalls nicht ganz klar, was genau mit einer möglichen Entführung erreicht werden soll. Der niederländische Kriminalexperte Emile Kolthoff behauptet: "Es ist unwahrscheinlich, dass sie Geld wollen. Davon haben sie genug. Aber vielleicht wollen sie die Freilassung von Bandenmitgliedern oder des Anführers Ridouan Taghi erpressen, die im Gefängnis sitzen."
    Möglich sei auch, dass die Kriminellen mit einer Entführung eine Angst- und Schreckenskulisse aufbauen wollen, um ihre Stärke zu demonstrieren, so Kolthoff. Denn das Kalkül der kriminellen Banden, welches hinter dieser Art von Bedrohungen stecke, sei auch immer, dass man nie wüsste, wann die Gefahr vorbei sei. Und aus diesem Grund wird Kronprinzessin Amalia wohl bis auf Weiteres kein unbeschwertes Studierendenleben führen können.

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