Audi-Prozess: Wie sich Stadler mit einem "Deal" retten will

    Geplanter Deal im Audi-Prozess:Wie sich Stadler aus der Affäre ziehen will

    Christoph Schneider
    von Christoph Schneider
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    Im Diesel-Prozess hat Ex-Audi-Chef Rupert Stadler ein umfassendes Geständnis angekündigt. Vorher gab es einen "Deal" mit dem Gericht. Was ist ein "Deal" und wie kommt es dazu?

    Audi-Chef Rupert Stadler vor dem Gericht in München
    Audi-Chef Rupert Stadler vor dem Gericht in München
    Quelle: Reuters/Lukas Barth

    Jetzt also doch. Dass der frühere Audi-Chef Rupert Stadler im Dieselskandal ein Geständnis ablegen will, hat er sich lange überlegt. Die beiden Mitangeklagten im Prozess haben bereits umfassende Angaben gemacht, Fehler eingestanden. In zwei Wochen will auch Stadler umfassend aussagen vor dem Landgericht München. Mit einem gemachten "Deal".

    Was ist ein "Deal"?

    "Deal" - das ist die offizielle "Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten" - der ist in der deutschen Strafprozessordnung in Paragraf 257c geregelt. Eine Verfahrensweise, bei der sich das Gericht mit den anderen Beteiligten - der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung - u.a. über das Ergebnis des Prozesses einigt, vor allem über das maximal zu erwartende Strafmaß für den Fall, dass der Angeklagte ein Geständnis ablegt.
     Rupert Stadler, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des deutschen Automobilherstellers Audi, nimmt an seinem Prozess vor dem Landgericht teil.
    Der frühere Audi-Chef Rupert Stadler hat im Dieselskandal-Prozess ein umfassendes Geständnis angekündigt. Dafür will das Gericht seine Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzen.03.05.2023 | 2:32 min
    Auch der Nebenkläger gehört zu den Verfahrensbeteiligten und wird mit einbezogen, könnte aber am Ende einen "Deal" nicht verhindern, wenn sich die anderen Seiten einig sind.

    Gibt es Regeln für einen "Deal"?

    Bis 2009 gab es keine genaue Regelung, doch dann beschloss der Bundestag das Gesetz zur Regelung der Verständigung in Strafverfahren, das im August 2009 in Kraft trat.
    Davor hatte das Bundesverfassungsgericht 1987 festgestellt, dass eine Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung über den Stand und die Aussichten der Verhandlung grundsätzlich nicht zu beanstanden sei.

    Vorteile eines Deals

    Vorteile dieser Absprachen sind,
    • dass die Dauer der Hauptverhandlung erheblich verkürzt werden kann; dadurch kommt es zu einer spürbaren Entlastung der Justiz. Gerade bei komplexen und komplizierten Fällen wird eine eigentlich erforderliche umfangreiche Beweisaufnahme abgekürzt und dadurch eine deutlich verfahrensbeschleunigende Wirkung erreicht.
    • Der Angeklagte kommt schneller zu einem Urteil, hat außerdem eine gewisse Sicherheit über den Ausgang des Prozesses und erfährt noch eine Strafmilderung, da er ja ein Geständnis ablegt.
    • Und aus Justizsicht können nach einem Geständnis auch Schuldsprüche ergehen, wo vielleicht sonst Freisprüche aus Mangel an Beweisen stehen würden.
    Abgase aus dem Auspuff eines Dieselfahrzeugs.
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    Die Nachteile eines "Deals"

    Auf der anderen Seite wird kritisiert,
    • dass der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht mehr gelten würde. Denn die Absprachen erfolgen nicht im Rahmen der Hauptverhandlung, sondern in einem Nebenzimmer ohne Öffentlichkeit.
    • Und: Der Angeklagte wird als Verhandlungspartner für das Gericht akzeptiert, was nicht dem Ideal richterlichen Handelns entspricht. Was ist aber dann, wenn getroffene Absprachen nicht eingehalten werden - wird so nicht das Vertrauen des Angeklagten zerstört?
    • Auch der Ermittlungsgrundsatz wird nicht eingehalten. Denn es besteht die Gefahr, dass das Gericht einem Geständnis Glauben schenkt, so eine längere Beweisaufnahme abkürzt, obwohl an der Schuld des Angeklagten noch Zweifel bestehen.

    Was heißt das für den Fall Stadler?

    Im Fall von Rupert Stadler liegen nach mehr als 160 Prozesstagen, einem über zwei Jahre dauernden Strafprozess, sicher viele Beweise und Indizien auf dem Tisch. Schon vor Ostern hat die zuständige Wirtschaftsstrafkammer des Landgericht München mit seinem Vorsitzenden Richter Stefan Weickert deutlich gemacht, was die Kammer bislang für erwiesen ansieht und was nicht und hat über mögliche Rechtsgespräche informiert.
    Der "Deal" mit dem Landgericht München sieht vor, dass Stadler statt einer Freiheitsstrafe eine Bewährungsstrafe von 18 bis höchstens 24 Monaten bekommt und eine Geldstrafe von 1,1 Millionen Euro, wenn er ein "vollumfängliches Geständnis" ablegt. Die Staatsanwaltschaft hatte für Stadler ursprünglich zwei Millionen Euro Geldstrafe verlangt.
    Wäre der Prozess ohne Absprachen mit dem normalen Beweisaufnahmeprogramm weitergegangen, dann, auch das machte die Kammer deutlich, wären Verhandlungstermine bis in die zweite Jahreshälfte reserviert worden - Ende offen. In zwei Wochen zeigt sich, ob sich der Ex-Audi-Boss umfassend einlässt. Sollte er das nicht tun, dann wird das Verfahren weitergehen.
    Christoph Schneider ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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