Food Innovation Camp - wenn Start-Ups Essen neu denken

    Food Innovation Camp:Start-ups: Essen neu denken

    von Patrick Andreas
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    Fast 100 Start-ups stellten in Hamburg ihre Innovationen in der Lebensmittelbranche vor. Der Trend ist klar: Die Zukunft gehört zunehmend vor allem pflanzlichen Produkten.

    Mitarbeiter von "Neuburger Fleischlos GmbH" (siehe Text) im Gespräch über ihr Produkt "Fungi Pad"
    Eine Innovation: Kräutersaitlinge als Ersatz für Fleisch-Pads.
    Quelle: Mathias Jäger/Hamburg Startups

    "Vegan", "natürlich" und "nachhaltig" - kaum ein Unternehmen kommt auf dem diesjährigen "Food Innovation Camp" in Hamburg ohne diese drei Schlagwörter aus. Insgesamt 92 Start-ups aus ganz Europa haben ihre Ideen für die Zukunft der Lebensmittelbranche in der Hansestadt rund 2.000 Besuchern präsentiert.
    Dieses Jahr konnten die Veranstalter außerdem ein Jubiläum feiern: Seit fünf Jahren lockt die Messe nun bereits mit den neuesten Essenstrends. Vor allem junge, neugegründete Unternehmen betrachten die Messe, an der neben Lebensmittelherstellern auch Investoren, Landwirte und Vertreter aus dem Einzelhandel teilnehmen, als wichtige Vernetzungsmöglichkeit.

    Ziel der Start-ups: Verträge mit großen Einzelhandelsketten

    Zum Beispiel hat sich das vom Italiener Piero Brunetti 2021 gegründete Start-up "Mondarella" dem Käse verschrieben - in veganer Variante. Um Sorten wie Mozzarella, Camembert oder auch Parmesan herzustellen, verwendet das Unternehmen statt herkömmlicher Milch Mandelgrieß.
    Mann hält Käse in den Händen
    Ganze 25 Kilogramm Käse essen die Deutschen pro Kopf im Jahr. Doch mit der Klimabilanz des herzhaften Milchprodukts sieht es schlecht aus.04.04.2024 | 29:46 min
    Die Verbraucherinitiative Foodwatch begrüßt, dass die Messe einen starkes Augenmerk auf vegane Produkte legt.

    Dreiviertel aller Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft entfallen auf die Tierhaltung. Ohne eine massive Reduktion der Nutztierhaltung können wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Die Zukunft der Ernährung muss und wird bedeuten: weniger Fleisch und mehr pflanzliche Produkte.

    Andreas Winkler, Pressesprecher Foodwatch

    Mittlerweile kann das fünfzehnköpfige Team aus Berlin auf Veranstaltungen wie dem "Food Innovation Camp" bereits mit Verträgen mit großen Einzelhandelsketten bei Investoren aufwarten.
    Solche Deals mit deutschen Marktführern im Einzelhandel, wie sie sich "Mondarella" bereits ergattern konnte, sind das, worauf die in Hamburg auftretenden Unternehmen hinarbeiten.

    Vegane Lebensmitteln aus "Abfallprodukten"

    Das 2022 gegründete Start-up "Grainmade" aus der Schweiz verwendet primär ein Lebensmittel, welches für viele Unternehmer eher als Abfallprodukt gilt.
    Aus Treber, den Rückständen von Malz beim Bierbrauen, stellt das Start-up in Zusammenarbeit mit einer lokalen Brauerei Flocken her, die "vollgepackt sind mit Proteinen und Ballaststoffen", betont Vorstandsmitglied Ilka-Maria Richrath auf der Messe. Die Flocken würden dann zum Beispiel als Hackfleischersatz dienen.
    Montage: Um Professor Harald Lesch herum schweben Lebensmittel und eine Qualle
    Wir essen zu viel Fleisch, Milchprodukte und Fisch. Die Folgen: riesige Landflächen zur Futtermittelproduktion, hohe Emissionen, zuviel Dünger und Pflanzenschutzmittel, Artensterben. Was sind die Alternativen?08.02.2022 | 28:50 min
    Neben den erst kürzlich gegründeten Start-ups waren in Hamburg auch Unternehmen mit einer langen Historie dabei - und die nun die Weichen für die Zukunft stellen wollen.

    Auch Traditionsbetriebe setzen auf Veganes bei Fisch und Fleisch

    Die österreichische "Neuburger Fleischlos GmbH" kultiviert als Tochterfirma einer Fleischerei in vierter Generation in insgesamt 38 Hallen Kräuterseitlinge, um aus diesen Fleischersatzprodukte herzustellen. "Mit unserem Produkt wollen wir den aktuellen Entwicklungen in der Fleischindustrie entgegenwirken", so Mitarbeiter Aladin Hochmeier.
    Eine ähnliche Geschichte hat die Marke "Vegan Zeastar" des niederländischen Fischhändlers "Sterk Seafood" zu erzählen: Das Familienunternehmen wird bereits in der sechsten Generation geführt und bietet mittlerweile komplett vegane Versionen von Lachs, Garnelen oder Thunfisch an. Erfinder Laurens Sterk sagt zu ZDFheute:

    Aufgrund der Überfischung der Meere wollten wir umdenken.

    Laurens Sterk, Food-Erfinder

    Laurens Sterk von "Sterk Seafood" informiert über die Marke "Vegan Zeastar"
    Vegane "Meeresfrüchte": Fisch aus Tapiokastärke und aus Glukose aus Algen.
    Quelle: Stefan Groeveld

    Künast fordert mehr Druck auf Politik für umweltfreundliche Ernährung

    Doch nicht nur Sterk und Hochmeier geht es bei ihren Produkten um mehr als nur den reinen Geschmack. Es geht um den Zusammenhang zwischen den aktuellen Ernährungsgewohnheiten des Menschen, dem Klimawandel und der schwindenden Artenvielfalt - das deutlich zu machen sei ebenfalls Ziel der Messe, erläutert Gründerin Sina Gritzuhn im Vorhinein.

    Die Trendwende hin zu gesundem und hauptsächlich pflanzlichem Essen ist elementar wichtig für unseren Planeten, das Klima, aber auch für uns als Gesellschaft und das Wohlbefinden jedes Einzelnen.

    Sina Gritzuhn, Gründerin "Food Innovation Camp"

    Diese Auffassung teilen neben der Initiatorin auch zahlreiche eingeladene Gäste: Die Bundestagsabgeordnete und Grünen-Politikerin Renate Künast forderte mehr Druck auf die Politik, wenn es um die Förderung gesunder und umweltfreundlicher Ernährung ginge. "Es muss weiterhin Feuer unterm Stuhl gemacht werden", betonte die ehemalige Bundesministerin für Landwirtschaft und Ernährung.

    Tipp: Augen auf beim Produktkauf

    Foodwatch-Sprecher Winkler sieht im Umdenken bei der Ernährung nicht nur Vorteile für das Klima:

    Zu viel Fleisch schadet auch der Gesundheit. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung rät, maximal 600 Gramm Fleisch pro Woche zu verzehren - die meisten Deutschen essen deutlich mehr.

    Andreas Winkler, Pressesprecher Foodwatch

    Aber Obacht, betont Winkler: "Auch wenn zu viel Fleisch definitiv ungesund ist, bedeutet das im Umkehrschluss nicht, dass eine vegane oder vegetarische Ernährungsweise automatisch gesund ist." Hochverarbeitete vegane oder vegetarische Produkte dürfe man nicht einfach als gesünder´ansehen. Sein Tipp: VerbraucherInnen sollten sich über die Nährwerte informieren, "am besten mit der Nutriscore-Ampel".

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