Personalmangel : Rentner und Roboter als Kellner

    Personalmangel :Rentner und Roboter als Kellner

    von Christian Wilk
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    Ein Stück Kuchen, eine Tasse Kaffee - das dauert in manchem Restaurant länger, weil Personal fehlt. Deshalb umwerben Wirte inzwischen sogar Rentner und setzen auf Roboter.

    Thumbnail Am Puls mit Sarah Tacke
    Kellner, Erzieher, Handwerker: Der Personalmangel macht vor keiner Branche halt. ZDF-Moderatorin Sarah Tacke sucht nach Gründen und nach Lösungen für das deutsche Job-Desaster.01.05.2023 | 53:30 min
    An diesem Vormittag ist in der Küche besonders viel zu tun: Am Abend steigt im thüringischen Burghof Kyffhäuser der große Abschlussball einer Tanzschule. Für die Mitarbeiter in der Küche bedeutet das: Stress. 150 Essen müssen raus - und zwar möglichst gleichzeitig.
    Für Restaurant-Chefin Catrin Auerbach sind solche Tage eine Mischung aus Routine und Anspannung. Drei ausgebildete Köche hat sie, eigentlich zu wenige für die vielen Gäste. Aber sie findet kein Personal. "Wenn dann auch noch unter der Woche Feiertage sind, wird es elendig schwer, jedem seine zwei freien Tage zu geben."

    16.000 Euro für einen Roboter-Kellner

    Der Engpass beim Personal hat bei vielen Restaurants schon dazu geführt, dass die Öffnungszeiten massiv reduziert werden mussten. Catrin Auerbach bewältigt Feiertage und Sommer-Wochenenden nur dank Rentnern, die sie als Aushilfen engagiert. "Das sind meine Joker", sagt sie.
    Auch Angebote für einen Roboter hat sie sich bereits eingeholt. Inzwischen gibt es automatische Bedien-Helfer in ersten Restaurants. "Das ist ne Attraktion", sagt Auerbach, "aber 16.000 Euro sind auch ein krasser Preis".

    Folgen der Corona-Pandemie

    Die Not in den Gaststätten ist groß. Insgesamt bietet das Gastgewerbe in Deutschland mehr als eine Million sozialversicherungspflichtige Jobs. Rund 50.000 offene Stellen gibt es nach Schätzungen in der Gastronomie deutschlandweit. Das Problem entstand vor allem durch die Folgen der Corona-Pandemie. Als Restaurants schließen mussten, wurden viele Verträge gekündigt.
    Die Pandemie ging, aber viele Mitarbeiter kamen nicht mehr zurück. So wie René Biebricher. 20 Jahre lang hat er gekellnert, zuletzt als Barchef in einem Hamburger Hotel.

    In der Gastro werden Überstunden verlangt, manchmal auch spontan. Dann heißt es: Kannst du bitte vier Stunden dranhängen?

    René Biebricher, ehemaliger Gastronomie-Mitarbeiter

    Auf die Dauer mache das schlapp und krank. Drei Bandscheibenvorfälle und eine zerbrochene Beziehung lautet seine persönliche Bilanz.

    Entgelte sind ausschlaggebend bei Gewinnung von Personal

    Heute arbeitet Biebricher in einem Versandhandel für Wein, betreut Kunden, kann mit seiner Expertise punkten. Monatlich kommt er so auf rund 2.000 Euro netto. "Das Gehalt hat sich gefühlt verdoppelt", sagt er, "und die Arbeitszeiten sind normal."
    Eine Erkenntnis, die offenbar viele davon lange abgehalten haben, in die Restaurants zurückzukehren. "Dreh- und Angelpunkt bei der Personalgewinnung seien nun einmal die Entgelte, die vielfach nur knapp über dem Mindestlohn liegen", resümiert der Vorsitzende der Gastro-Gewerkschaft NGG, Guido Zeitler.

    Viele Beschäftigte sehen längerfristig keine Perspektive

    Eine Mitgliederbefragung der Gewerkschaft, an der sich kürzlich vorwiegend langjährige Beschäftigte der Branche beteiligt hätten, habe ergeben, dass etwa ein Drittel von ihnen längerfristig keine Perspektive in ihrem Beruf sehe.
    Junge Menschen ohne eigene Familie kämen vielleicht mit Arbeitszeiten von teils zehn Stunden und mehr bis in die späten Abendstunden und mit Schichtdiensten zurecht. Doch spätestens, wenn die Beschäftigten Kinder haben, werde es schwierig.

    Künftig wohl noch größere Personalengpässe

    Langfristig dürfte die Branche deshalb auf noch größere Personalengpässe zusteuern, glaubt Zeitler - gepaart mit kürzeren Öffnungszeiten und mehr Schließtagen.

    Die Branche braucht einen echten Neustart.

    Guido Zeitler, Vorsitzender Gastro-Gewerkschaft NGG

    Burghof-Inhaberin Catrin Auerbach muss mit denen, die noch da sind, den Laden schmeißen. Irgendwie. Das bedeutet aber auch: mehr Arbeit für alle.
    Deshalb führt sie erstmalig in diesem Jahr eine Woche Betriebsferien ein - mitten im Sommer. "Irgendwann ist die Haut so dünn, bis es untereinander kracht, weil keiner mehr die Kraft hat. Dann brauchen wir einfach eine Pause."

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