Attila Hildmann: Warum eine Auslieferung lange dauern könnte

Es ist eine brisante Wendung rund um den aus Deutschland geflohenen Rechtsextremen Attila Hildmann. Hobbyermittler haben gemeinsam mit Journalisten des "Stern" seinen Aufenthaltsort in der Türkei ausfindig gemacht: Er befindet sich demnach in der Stadt Kartepe, eineinhalb Stunden südlich von Istanbul. Die deutsche Justiz könnte seiner nun habhaft werden, denn es liegt ein internationaler Haftbefehl vor. Doch Expert*innen halten das - zumindest in nächster Zeit - für unwahrscheinlich.

Rückblick: Der ehemalige Koch und Unternehmer war in der Corona-Pandemie zu einer zentralen Figur des radikalisierten Protests geworden. Mit seinen antisemitischen Verschwörungserzählungen erreichte er im Messenger Telegram über 100.000 Abonnenten, trat auch auf Demos auf. Extremismusforscher Josef Holnburger nennt ihn einen der damals "reichweitenstärksten Schlagwortgeber".

Hildmann behauptet im Reichsbürger-Duktus etwa, dass Deutschland kein souveräner Staat sei und von Juden kontrolliert werde. Die deutschen Behörden erließen schließlich einen Haftbefehl - viel zu spät, wie einige kritisierten.

Hildmann entkam der deutschen Justiz, indem ihm ein Maulwurf half: Eine Mitarbeiterin der Berliner Staatsanwaltschaft warnte ihn vor dem anstehenden Haftbefehl, woraufhin Hildmann in die Türkei floh - und dort weiter machte. Zwar wurden seine Telegram-Kanäle teils gesperrt, auch musste er sich für seine Lebensmittel und Kochbücher andere Vertriebskanäle suchen. Doch insgesamt hetzte Hildmann weiter.

Eine entscheidende Frage war immer die seiner Staatsangehörigkeit. Hildmann behauptet, neben der deutschen auch die türkische zu besitzen. Doch das ist offenbar eine Schutzbehauptung. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte dem "Stern" gegenüber kürzlich zugegeben: "Nach hiesiger Kenntnis besitzt der Beschuldigte nur die deutsche Staatsangehörigkeit."

Rechtlich verändert das Vieles, wie die Rechtsanwältin Anna Oehmichen ZDFheute erklärt: "Die Türkei liefert eigene Staatsangehörige nicht aus. Falls Hildmann die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, kann er nicht ausgeliefert werden." Besitzt er nur die deutsche, kann er auf Grundlage des Auslieferungsabkommens des Europarats, das die Türkei unterzeichnet hat, ausgeliefert werden, wenn keine Auslieferungshindernisse bestehen, so Oehmichen. Sprich: Hildmann könnte durch türkische Behörden festgenommen und nach Deutschland überstellt werden.

Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft bestätigt ZDFheute, dass gegen Hildmann ein internationaler Haftbefehl läuft, im Polizeisprech "Red Notice" genannt. Andere Länder sind damit aufgefordert, Hildmann vorläufig festzunehmen und gegebenenfalls auszuliefern. Laut Berliner Zeitung sind das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Justiz und das Auswärtige Amt auch an die türkischen Behörden bezüglich einer Auslieferung herangetreten.

Das weitere Vorgehen wäre bei solchen Fällen:

Gegen Hildmann wurde in Deutschland unter anderem wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung ermittelt. Ob dies auch die Vorwürfe im Haftbefehl sind, ist nicht klar. Der türkische Jura-Professor Adem Sözüer von der Uni Istanbul erklärt ZDFheute aber: "In der Türkei sind Volksverhetzung, Beleidigung und Bedrohung ebenfalls Straftaten."

Sözüer glaubt dennoch nicht, dass Hildmann ausgeliefert wird.

Die Türkei sei dauerhaft verstimmt, weil Deutschland PKK-Mitglieder nicht ausliefert. "Dementsprechend könnte sich die türkische Regierung auch bei Hildmann quer stellen und sagen: Deutschland liefert keine Terroristen aus - also warum sollten wir Hildmann ausliefern?", so Sözüer.

Es gibt noch weitere Gründe, die eine Auslieferung erschweren oder zumindest verzögern könnten, so der Polizeirechtler Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei: "Attila Hildmann könnte sich als politisch Verfolgter bezeichnen, das müssten die türkischen Stellen dann wiederum prüfen." Auch Thiel meint: "Die Auslieferung einer so prominenten Person wird vermutlich vor allem auf politischer Ebene entschieden. Und da zeigt sich die Türkei vielfach nicht kooperativ."

Einer, der Hildmann mit aufgespürt hat, ist Alexander Brehm. Er hat sich mit anderen zu den "Hildbusters" zusammengeschlossen, einer Art Hobbydetektivgruppe, die schon lange hinter ihm her recherchiert und eine Strafe für Hildmanns Hetze fordert. Brehm hat Hildmann auch in der Türkei konfrontiert. ZDFheute schreibt er: "Für mich hat Hildmann wahnhafte Züge. Er wirkt manchmal wie ein 'Hassprediger', der seine verbliebenen Fans versucht zu radikalisieren." Den deutschen Behörden wirft Brehm Untätigkeit vor:

In einem Video von Mittwoch, das er live aufzeichnete, sieht man Hildmann in dem Haus, in dem Brehm ihn angetroffen hatte. Umgezogen ist er demnach nicht - noch nicht?