Bootsunglück vor Italien: Mehr als 60 Tote gefunden

    Süditalien:Nach Bootsunglück: Mehr als 60 Tote

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    Die Suche nach Opfern des Bootsunglücks vor Italiens Küste geht weiter. Mehr als 60 Tote wurden mittlerweile geborgen - darunter viele Kinder.

    Einen Tag nach dem Schiffsunglück vor der süditalienischen Küste ist die Zahl der toten Migranten auf 62 gestiegen. Am Montagmorgen wurden drei weitere Leichen entdeckt, wie Feuerwehr-Kommandant Roberto Fasano im TV-Sender RaiNews24 sagte.
    Nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa wurden die leblosen Körper zum Teil einige Kilometer vom Unglücksort Steccato di Cutro entfernt im Wasser und am Strand gefunden.

    Feuerwehr: Tote mit Schürfwunden übersät

    Überlebenden zufolge waren etwa 170 Menschen an Bord des 20 Meter langen Holzschiffs, das vergangene Woche vom türkischen Izmir aus in Richtung Italien aufgebrochen war. Wie die italienische Küstenwache mitteilte, überlebten mindestens 80 Insassen des Bootes, das am frühen Sonntagmorgen vor Kalabrien gegen ein Riff prallte und auseinanderbrach.
    Feuerwehrkommandant Roberto Fasano sagte, er glaube nicht, dass es jetzt noch Überlebende gebe, das Meer sei einfach zu wild. Aber man dürfe die Hoffnung nicht aufgeben.
    Feuerwehrmann Giuseppe Larosa sagte, die ersten Retter seien besonders wegen der vielen Kinderleichen erschüttert gewesen.

    Es war eine schaurige Szene: Leichen über den Strand verstreut, so viele Leichen, so viele Kinder.

    Giuseppe Larosa, Feuerwehrmann

    Die Toten seien mit Schürfwunden übersät gewesen, als ob sie sich irgendwo am Schiff festgekrallt hätten, um zu überleben. Er habe sich auf Rettungsversuche konzentriert, doch auch der Zustand der Überlebenden habe ihn erschreckt.

    Was mich getroffen hat, war ihr Schweigen. Schrecken in ihren Augen, aber sprachlos, stumm.

    Giuseppe Larosa, Feuerwehrmann

    Suche fortgesetzt - Hilfe für die Überlebenden

    Trotz schwieriger Witterungsbedingungen wollen die Helfer weiter nach Opfern und Überlebenden suchen. Zwei Schiffe der Küstenwache und ein Hubschrauber suchten das Meer vor Steccato di Cutro nach den immer noch Dutzenden Vermissten ab. Bei starkem Wind trieben Schiffstrümmer, Benzintanks, Nahrungsmittelbehälter und Schuhe im Wasser.
    Mitarbeiter des Roten Kreuzes und der Organisation Ärzte ohne Grenzen kümmerten sich um die Überlebenden.

    Jedes Jahr versuchen Tausende Migranten auf oft wenig seetauglichen Booten über das Mittelmeer nach Italien und damit nach Europa zu gelangen. Sie brechen vor allem aus Libyen oder Tunesien auf, aber auch aus Griechenland oder der Türkei. Nach einem Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben seit Beginn der Erfassungen im Jahr 2014 mehr als 25.000 Menschen beim Versuch, auf der Mittelmeerroute nach Europa zu kommen.

    Nach Angaben des italienischen Innenministeriums sind in diesem Jahr bis einschließlich Donnerstag schon 13.067 Migranten auf dem Seeweg ins Land gekommen, weit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (5.273).

    Quelle: dpa

    Polizei bestätigt Festnahme

    Wie ein Polizeivertreter am Montag auf Anfrage bestätigte, wurde ein Mann festgenommen, bei dem es sich um den Schlepper handeln soll.
    UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich erschüttert vom "nächsten furchbaren Schiffbruch im Mittelmeer", wie er zum Auftakt der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf am Montag sagte. Er ermahnte die internationale Gemeinschaft zu mehr Anstrengungen.

    Wir brauchen sichere, geregelte und legale Routen für Migranten und Flüchtlinge. Solange kriminelle Banden die Migrantenrouten kontrollieren, werden Menschen weiterhin verschwinden.

    UN-Generalsekretär António Guterres

    Meloni will Kooperation von Herkunftsländern

    Während Hilfsorganisation legale Wege der Einreise und auch mehr staatliche Seenotrettung fordern, versucht die rechte italienische Regierung, die Zahl der Migranten möglichst zu verringern. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni zeigte sich am Sonntag entsetzt über das Unglück. "Es ist kriminell, ein kaum 20 Meter langes Boot mit gut und gern 200 Personen an Bord bei schlechten Wettervorhersagen aufs Meer zu schicken", schrieb sie.
    Ihre Regierung bemühe sich zu verhindern, dass solche Boote überhaupt ablegten. Sie fordere dabei ein Maximum an Kooperationsbereitschaft der Ausgangs- und Herkunftsländer.

    Ein Dekret der italienischen Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, das mit der Verabschiedung durch den Senat vergangene Woche Gesetz wurde, erschwert die Arbeit ziviler Seenotretter erheblich.
    • So müssen sie nun schon nach der ersten Rettungsaktion einen italienischen Hafen ansteuern, anstatt womöglich mehrere Rettungen durchzuführen.
    • Zudem werden ihnen oft Häfen zugewiesen, die weit vom Einsatzgebiet im zentralen Mittelmeer entfernt liegen, womit sie tagelang unterwegs sind.
    Allerdings kommt nur ein kleiner Teil der Migranten mit Rettungsschiffen wie der "Ocean Viking" oder der "Geo Barents" nach Italien. Der Großteil erreicht das italienische Festland und die Inseln ohne fremde Hilfe.

    Quelle: dpa

    Quelle: dpa, epd, Reuters, AP, AFP

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