Wenn die KI komplette Zeitschriften erstellt

    Automatisierter Journalismus:Wenn die KI komplette Zeitschriften erstellt

    von Jan Henrich
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    Eine Zeitschrift des Burda-Verlags mit Kochrezepten wurde von einer KI erstellt. Darauf hingewiesen werden die Leser nicht, der Verlag spricht von einem Experiment.

    Das Cover einer (von einer KI-generierten) Kochzeitschrift vom Burda-Verlag
    Diese Zeitschrift vom Burda-Verlag wurde teilweise von einer KI erstellt.
    Quelle: Jan Henrich/ZDF (Cover "99 Pasta-Rezepte" – BurdaVerlag Publishing)

    99 Pasta-Rezepte finden Leserinnen und Leser in einem aktuellen Extraheft des Freizeitagazins "Lisa - Kochen und Backen" vom Burda-Verlag. Besonders anspruchsvoll sind die meisten davon nicht. Die Aufmachung der Zeitschrift ist zwar ansprechend, aber insgesamt schlicht gehalten. Jedes Rezept präsentiert sich mit einem schönen Foto und einem Begleittext samt Zutatenliste und einer Anleitung. Gelegentlich ist noch ein zusätzlicher "Tipp" platziert.
    Auf den ersten Blick wirkt die Zeitschrift normal. Doch wie der Verlag auf ZDF-Anfrage bestätigt, sind sowohl Texte als auch Fotos "in größerem Umfang" von einer künstlichen Intelligenz erstellt.

    Journalismus mit Midjourney und ChatGPT

    Die beiden KI-Systeme Midjourney (Fotos) und ChatGPT (Texte) sollen laut Medienberichten die Inhalte erzeugt haben. Keines der beiden Programme ist speziell für Kochrezepte trainiert. Bei den Texten sollen die Mitarbeiter des Verlags etwas nachgeholfen haben.
    Doch gerade die Fotos sind so detailgetreu, dass auf den ersten Blick ein Unterschied zu realen Fotos kaum erkennbar ist. Auch in sich verschlungene Spagetti sind fehlerfrei dargestellt. Nur in einzelnen Details finden sich Unstimmigkeiten - beispielsweise ein seltsam platzierter Henkel an einer Pfanne oder eine unnatürlich geformte Garnele.
    Abbildung aus einem Kochbuch vom Burda-Verlag
    Quelle: Jan Henrich/ZDF (Abbildung aus "99 Pasta-Rezepte" – BurdaVerlag Publishing)

    Burda-Verlag spricht von einem Experiment

    Einen Hinweis auf den Einsatz der KI-Systeme gibt es im Heft nicht. Die Leserinnen und Leser werden im Unklaren gelassen, wer die Inhalte erstellt hat. Der Verlag selbst spricht von einem Test. Man wollte "analysieren, inwieweit KI-Tools die Arbeitsabläufe bei der Erstellung von Print- wie Digitalprodukten sinnvoll unterstützen können", heißt es in einer Antwort an das ZDF.
    Das Experiment habe allerdings gezeigt, dass die Kreativität der Redakteurinnen und Redakteure und ihre Qualitätskontrolle weiterhin unerlässlich seien. Nun will man bei Burda diskutieren und weiter testen, wie sich KI als Werkzeug im redaktionellen Alltag einsetzen lässt.

    KI im Journalismus nichts Neues

    Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Journalismus ist nichts Neues. Bei der Stuttgarter Zeitung hatte man bereits vor einigen Jahren damit angefangen, Polizeimeldungen von einem KI-System automatisch auszuwerten und in einer sogenannten Crimemap zusammenzufassen.
    Bei einigen Verlagen finden die Systeme auch für Wetterberichte Verwendung. Aus Temperaturdaten und Regenwahrscheinlichkeit erstellt die Software automatisch passende Vorhersage-Texte für ein jeweiliges Gebiet.
    Auch in der Sportberichterstattung hält KI-Technologie immer mehr Einzug, nicht nur bei Livetickern und Spielzusammenfassungen. Die israelische Firma WSC Sports versorgt Sportplattformen mittlerweile mit einer Software, die aus Live-Übertragungen automatisch maßgeschneiderte Kurzvideos von den Highlights eines Spiels erstellen kann.
    OpenAI-CEO Sam Altman sitzt vor einem Mikrofon und spricht.
    Um den Missbrauch von Künstlicher Intelligenz zu verhindern, hat sich auch der Entwickler des selbstlernenden Textprogramms ChatGPT für eine staatliche Regulierung ausgesprochen.17.05.2023 | 0:22 min

    Viele Fragen offen bei Journalismus mit Künstlicher Intelligenz

    Doch eine vollständig von einer KI erstelltes Magazin, das ohne Hinweis darauf im Handel zu kaufen ist, ist neu. Und der Vorgang wirft Fragen auf.
    Aus Sicht von Medienrechtsexperte Prof. Stephan Ory lassen sich journalistische Sorgfaltspflichten beim Einsatz von künstlicher Intelligenz kaum einhalten. Zu oft seien die Texte der automatisierten Systeme reine Fiktion. Auch mit Blick auf Urheberrechte gebe es noch ungeklärte Aspekte. Beispielsweise die Frage, ob überhaupt eine Urheberschaft an KI-Inhalten entstehen kann oder welche Rechte diejenigen haben, die die Datengrundlage erstellt haben, mit der eine KI trainiert wird.
    In einem Positionspapier hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) vor einigen Wochen klare Regeln für den "Kollegen KI" gefordert. So brauche es unter anderem eine Kennzeichnungspflicht für journalistische Inhalte, die mithilfe künstlicher Intelligenz ganz oder teilweise erstellt werden.
    Von Jan Henrich, ZDF-Redaktion Recht und Justiz

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    :Was man zum KI-Hype wissen muss

    Eine App, die schöner macht, und ein Chatbot, der ziemlich realistische Texte schreibt - darum geht es im aktuellen Hype um Künstliche Intelligenz. Aber was steckt dahinter?
    von Carolin Wolf
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