Pflanzen treiben und blühen immer früher im Jahr. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie. Was uns die Kirschblüte über den Klimawandel erzählen kann.
Jedes Jahr auf's Neue kündigt sich der Frühling mit einer weiß-rosa Farbenpracht an. In Japan und in vielen anderen Ländern markiert die Kirschblüte den Frühlingsbeginn. Doch der wird immer früher gefeiert, denn durch die globale Erderwärmung blühen Sträucher und Bäume wie der Kirschbaum seit Mitte der 1980er immer eher.
Zu diesem Schluss kommt eine phänologische Studie, die im Fachmagazin "Nature" erschienen ist. Das Forschungsteam um den Schweizer Yann Vitasse warnt, dass die Kirschblüte ein Zeichen für die sich abzeichnende Klimakrise ist. Denn eine frühere Blüte könne auf wärmere Temperaturen im Frühjahr hinweisen.
Kirschblüte bis zu 30 Tage früher als vor 1950
Die Wissenschaftler*innen analysierten die fünf längsten bekannten Zeitreihen zum Frühlingsaustrieb von Bäumen. Der Blühbeginn des Kirschbaums im japanischen Kyoto lasse sich zum Beispiel in Tagebüchern und alten Chroniken bis zum Jahr 812 zurückverfolgen - das sei die längste phänologische Zeitreihe überhaupt, schreiben die Forschenden.
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Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts sei der Zeitpunkt von Blattaustrieb und Blüte noch recht stabil gewesen. Ab Mitte der 1980er Jahre verschob sich der Zeitpunkt nach vorne - parallel zur globalen Erderwärmung: In China begann der Frühlingsaustrieb im Schnitt sechs Tage früher, in der Schweiz um bis zu 30 Tage früher als im Zeitraum vor 1950.
Besonders beeindruckend: In Japan begann die Kirschblüte im Jahr 2021 so früh wie nie zuvor in den letzten 1.200 Jahren.
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Daten zeigen: Klimawandel beeinflusst Ökosysteme
Die Zeitreihen von Blüte und Laubabwurf seien nicht nur perfekte Indikatoren für die Wissenschaft, sondern auch ein leicht zu beobachtendes Phänomen für die breite Bevölkerung, sogar für Kinder.
Und damit ein konkreter Beleg dafür, dass der Klimawandel die Ökosysteme um uns herum sichtbar beeinflusst.
Dazu komme, dass sich die fünf analysierten Zeitreihen nicht einmal in den Regionen der Welt befinden, die von der globalen Erderwärmung am meisten betroffen sind, wie in Zentralasien. "Dort wird erwartet, dass die zeitliche Verschiebung von Lebenszyklus-Ereignissen noch extremer sein wird", stellt Vitasse fest.
In fast allen Kreisen und kreisfreien Städten lässt sich beobachten, dass es in den letzten 20 bis 30 Jahren wärmer war als früher:
Wetterdienst: "Stecken mitten im Klimawandel"
In Deutschland erhebt der Deutsche Wetterdienst (DWD) Daten über den Blühbeginn von Pflanzen. Durch den Kälteeinbruch Anfang April sei die Kirschblüte 2022 zum Stillstand gebracht worden, erklärt Anja Engels, die beim DWD den Bereich Phänologie betreut. "Die Kirschblüte ist deutschlandweit aktuell nur vier Tage im Vergleich zum langjährigen Mittel ab 1992 früher", stellt sie fest.
Im Hitzejahr 2018 sah das ganz anders aus, erinnert sich ihre Kollegin Bianca Plückhahn aus der Abteilung Agrarmeteorologie. Vor allem die Erntephasen traten da deutlich verfrüht ein: "Die Süßkirsche war zwölf Tage früher pflückreif und die Winterweizenernte erfolgte sogar 15 Tage früher als im Mittel", sagt Plückhahn. "Aufgrund langanhaltender Trockenheit kam es vielfach zu Notreife."
Grundsätzlich beginnen Pflanzen in Deutschland durch milde Winter früher zu wachsen - seit 1961 im Schnitt rund elf Tage früher. Und auch der Blühbeginn von Obstbäumen habe sich deutlich verfrüht, so Plückhahn - so blüht beispielsweise die Süßkirsche inzwischen im Schnitt rund neun Tage früher als im Zeitraum 1961 bis 1990. Eines zeigten die Daten ganz klar, sagt Plückhahn:
Grafiken- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.
von Moritz Zajonz