Wie der Amoklauf von Winnenden vor 15 Jahren alles änderte

    Gedenken nach 15 Jahren:Wie der Amoklauf von Winnenden alles änderte

    von Sven Class und Jona Gebhard
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    Der Amoklauf von Winnenden hat das ganze Land schockiert. 15 Jahre später ist vieles geschehen - an der Schule selbst, im Waffenrecht und bei der Polizei.

    Trauerfeier zum 15. Jahrestag des Amoklaufs in Winnenden an der Gedenkstätte "Gebrochener Ring"
    An der Gedenkstätte "Gebrochener Ring" in Winnenden fand eine Trauerfeier anlässlich des 15. Jahrestags des Amoklaufs statt.
    Quelle: dpa

    Am 11. März 2009 geht um 9:33 Uhr der erste Notruf bei der Polizei ein: Amoklauf an der Albertville-Realschule in Winnenden. Ein 17-Jähriger schießt an seiner ehemaligen Schule um sich, tötet dabei und auf der späteren Flucht 15 Menschen und sich selbst. 15 Jahre ist das her.

    Albertville-Realschule: Erinnern - und Zukunft gestalten

    Die Ereignisse von damals sind an der Schule bis heute präsent. In einem der Klassenzimmer, in dem damals Menschen starben, ist ein Gedenkraum eingerichtet: Kleine Pulte erinnern an die zwölf Opfer in der Schule und die drei getöteten Männer auf der Flucht des Täters.
    Das Zimmer: Umgebaut, wie das komplette Schulgebäude. Viel Licht, viel Grün - "die Farbe der Hoffnung", sagt Schulleiter Sven Kubick. Er kam ein Jahr nach der Tat an die Schule. Und so ist - trotz allem Geschehenen - längst auch wieder so etwas wie ein normaler Schulalltag eingekehrt.

    Wir sind nicht nur in der Erinnerung verharrt, sondern uns war es auch wichtig, den Schülerinnen und Schülern hier eine positive Zukunft zu ermöglichen.

    Sven Kubick, Schulleiter der Albertville-Realschule in Winnenden

    Weiße Rosen zum Gedenken an die Opfer von Winnenden vor 15 Jahren
    Winnenden gedenkt seiner Opfer des Amoklaufs vor 15 Jahren an der Albertville-Realschule. Die Ereignisse von damals sind bis heute präsent.11.03.2024 | 9:52 min

    Schule setzt nach Amoklauf auf Gewaltprävention

    Dabei legen sie den Fokus nicht nur auf das reine Vermitteln von Wissen, sondern auch auf das Miteinander, den gegenseitigen Respekt. Die Schule bietet viele AGs an - auch zur Gewaltprävention. Vieles leisten die vorhandenen Lehrerkräfte dabei ehrenamtlich in ihrer Freizeit, anders ließe sich das angesichts des akuten Lehrermangels nicht machen, sagt Schulleiter Kubick. Dabei seien gerade solche Angebote so wichtig: Die Lehrerkräfte lernen die Schüler dort besser kennen und sollen so früh Probleme erkennen.
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    Eine dieser AGs ist die ökumenische Schulgemeinschaft. Schüler organisieren soziale Projekte - und gestalten auch den Gedenkgottesdienst zum Jahrestag mit. Auch wenn die meisten Schüler von heute beim Amoklauf 2009 noch nicht auf der Welt waren:

    Im Unterricht kommt man schon sehr oft auf das Thema. Auch wenn wir nicht dabei waren, erweisen wir ihnen Respekt.

    Schülerin der Albertville-Realschule in Winnenden

    "Es ist wichtig, dass man einfach daran denkt, wie schlimm das für alle war. Auch viele Jahre danach noch."
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    Damaliger Polizeichef: "Amoklauf traf uns unerwartet, aber nicht unvorbereitet"

    "Der Amoklauf traf uns unerwartet, aber nicht unvorbereitet", sagt Ralf Michelfelder, damals Polizeichef im Rems-Murr-Kreis. Nach Amokläufen in Columbine 1999 und Erfurt 2002 hatte er veranlasst, dass alle Polizisten im Landkreis eine 40-stündige Amok-Schulung durchlaufen.
    Die ersten drei Beamten an der Schule konnten auch deshalb schnell handeln und den Täter aus dem Gebäude drängen. Sie haben so wohl noch Schlimmeres verhindert, dabei ihr eigenes Leben riskiert. Denn auch sie wurden im Schulgebäude beschossen, hatten außer einer schusssicheren Weste damals keinerlei Schutzausrüstung.
    Das hat sich inzwischen geändert: kugelsichere Helme, zusätzliche Schutzkleidung für Nacken, Hals, Bauch und Lenden sowie eine extra verstärkte Weste zum Schutz vor Schüssen zum Beispiel aus Maschinenpistolen: Das alles gehört inzwischen zur Standardausrüstung jedes Streifenwagens in Baden-Württemberg. Eine Folge des Winnender Amoklaufs.
    Auf dem Bild sind die eingesammelten Handys in einer Box zu sehen.
    An einer Realschule in Nordrhein-Westfalen werden die Handys der Schüler von den Lehrkräften vor Unterrichtsbeginn eingesammelt. Damit will man Videoaufnahmen von Gewalt auf dem Schulgelände verhindern.16.06.2023 | 1:47 min

    Amokkonzepte, Training für Polizei, verschärftes Waffenrecht

    An Schulen existieren mittlerweile Amokkonzepte, die Polizei hat Einsatzkonzepte verbessert, das Training von Polizisten ausgeweitet. Inzwischen liegen etwa in Baden-Württemberg außerdem Baupläne von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden in den Leitstellen der Polizeipräsidien vor, die Beamte im Einsatzfall auch direkt auf ihr Smartphone bekommen können.
    Und auch das Waffenrecht wurde seit 2009 mehrfach verschärft - wenn auch zu wenig aus Sicht mancher Angehöriger: Bereits wenige Monate nach dem Amoklauf hat der Bundesgesetzgeber unter anderem waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften deutlich verschärft, Kontrollbefugnisse erweitert. Der Täter von Winnenden hatte 2009 die Waffe seines Vaters genommen. Der hatte diese unverschlossen aufbewahrt.

    Winnenden: Gedenken am Jahrestag

    In Winnenden und weit darüber hinaus ist der 11. März nach wie vor ein Tag der tiefen Trauer. Heute um 9:33 Uhr läuten in der Stadt die Kirchgenglocken. Zu der Uhrzeit, als 2009 die ersten Notrufe wegen des Amoklaufs an der Albertville-Realschule bei der Polizei eingegangen sind. 15 Jahre ist das her.

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