Lichtverschmutzung: Straßenleuchte gegen Insektensterben

    Gefährliche Lichtverschmutzung:Neue Straßenleuchte gegen das Insektensterben

    von Felix Franz
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    Straßenbeleuchtung richtet in der Natur großen Schaden an. Gemeinsam mit Industrie und Wissenschaft kämpft Sibylle Schroer gegen den drohenden Kollaps der Insektenwelt.

    Sternenhimmel über Lochow im Sternpark Westhavelland
    Sternenhimmel über Lochow im Sternpark Westhavelland.
    Quelle: ZDF/Frederik Klose-Gerlich

    Im den hellen Lichtschein der Straßenlampe summt und brummt es. Keine guten Nachrichten für Sibylle Schroer. Sie ist aus Berlin nach Brandenburg gereist, um die Insektenpopulation in Gülpe, einem kleinen Ort mit roten Backsteinhäusern, zu untersuchen. Dort ziehen Straßenlaternen Libellen, Fliegen und Falter von der Havel direkt in die Kleinstadt, wo sie meist verkommen. Das Problem:

    Sie werden vom Licht wie von einem Staubsauger aus ihrer natürlichen Umgebung gezogen.

    Sibylle Schroer, Leibniz-Institut für Gewässerökologie

    Schroer arbeitet am Leibniz-Institut für Gewässerökologie (IGB) und hat gemeinsam mit dem NABU (Naturschutzbund) das Projekt "Tatort Straßenbeleuchtung" zum Schutz von Insekten ins Leben gerufen.
    Sibylle Schroer
    Sibylle Schroer will herkömmlicher Straßenbeleuchtung den Kampf ansagen, um Insekten zu schützen.
    Quelle: Felix Franz

    Insektensterben durch Pestizide, versiegelte Böden und Lichtverschmutzung

    In den vergangenen 30 Jahren haben wir in Teilen Deutschlands drei Viertel aller Insekten verloren - durch Pestizide, versiegelte Böden und Lichtverschmutzung.




    Allein an deutschen Straßenlaternen sterben Schätzungen zufolge in einer Nacht über eine Milliarde Insekten. Das ist nicht nur für die Tiere selbst problematisch. Denn Insekten sind wichtige Bestäuber und spielen eine bedeutende Rolle im Nahrungsnetz.

    Die Vorstellung, keine Insekten mehr zu haben, ist apokalyptisch. Das würde bedeuten, dass die Funktionen, die wir für unser Leben benötigen, nicht mehr erfüllt werden können.

    Sibylle Schroer, Projekt "Tatort Straßenbeleuchtung"

    Ihr großes Ziel ist deshalb eine Revolution bei der Straßenbeleuchtung. Gemeinsam mit der TU Berlin und dem Leuchtenhersteller Selux arbeitet die promovierte Ökologin seit zwei Jahren an einer neuartigen Leuchte, die Insektenleben retten soll. Sie ist dimmbar, kann also je nach Bedarf heller oder dunkler gestellt werden und spart damit sogar Energie. Zudem sind um die Leuchtquelle Metallplatten angebracht, dadurch strahlt das Licht ausschließlich auf den Boden.
    Hummel an einer Blüte
    Insekten und Spinnen sind noch stärker gefährdet als bisher vermutet.31.10.2019 | 2:11 min

    Lichstrahlen herkömmlicher Beleuchtung gefährden Insekten

    Bei herkömmlichen Straßenlampen streuen die Lichtstrahlen auch zur Seite und nach oben, dadurch ziehen sie auch Insekten aus weiter Entfernung an. Gemeinsam mit dem Leuchtenhersteller aus Brandenburg hat Sibylle Schroer einen Prototypen entwickelt - erst aus Papier und schließlich aus Stahl.




    Gerade für die Firma war die Zusammenarbeit mit einem Umdenken verbunden. Über Jahre sei das Credo immer mehr Licht gewesen, erklärt Vertriebsleiter Olaf Rieling.

    Die große Herausforderung war letztlich, etwas auf die Beine zu stellen, was beiden, Mensch und Natur, gerecht wird.

    Olaf Rieling, Vertriebsleiter Selux

    Knackpunkt: Sicherheit im Straßenverkehr

    Ein möglicher Knackpunkt ist die Sicherheit im Straßenverkehr. Deshalb wird an der TU Berlin die Helligkeit der Leuchte und die Lichtstreuung untersucht. Danach muss der Praxistest zeigen, ob Fußgänger oder Katzen, die bei Dunkelheit schnell über die Straße wollen, zu spät wahrgenommen werden.
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    In Massen schwirren sie um künstliche Lichtquellen. Eigentlich sollten sie sich fortpflanzen, Nahrung suchen und Blüten bestäuben. Das hat Folgen für die Tiere und die Pflanzen.25.08.2021 | 6:08 min
    Schroer ist optimistisch: "Wir müssen jetzt noch testen, ob diese Gefahr wirklich besteht oder ob das eintritt, was ich vorhersage: Dass wir die Umgebung viel besser wahrnehmen können, weil wir nicht mehr so geblendet werden."
    In den kommenden zwei Jahren werden die neuen Leuchten in mehreren Probekommunen installiert. Ist die Leuchte genauso sicher wie herkömmliche Modelle, könnte Sibylle Schroer ihrem Ziel, Insektenleben zu retten, einen großen Schritt näher kommen.

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