Forschung aus Leipzig gegen Müll: Enzym, das Plastik frisst

    Leipziger forschen gegen Müll:Ein Enzym, das Plastik frisst

    von Mariska Lief
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    Der Name ist unspektakulär: PHL7. Christian Sonnendecker und sein Team der Uni Leipzig haben das Enzym entdeckt. Es könnte eine Lösung für das globale Plastikmüllproblem sein.

     Refiye Ellek (l.) und Antonia Lilly Schanze (r.) entsorgen Altpapier in einem Container.
    Ständig entsteht neuer Abfall. Mit smarten Ideen Müllberge verringern.07.12.2023 | 29:42 min
    Plastikverpackungen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch die Tatsache, dass sie nicht vollständig recycelt werden können, stellt ein ernsthaftes Problem für unsere Umwelt dar.

    Misch-Kunststoffe erschweren Recycling

    Die Verwendung von Misch-Kunststoffen in der Industrie erschwert den Recyclingprozess erheblich und führt dazu, dass Plastik entweder verbrannt oder als Mikroplastik in die Umwelt und die Weltmeere gespült wird. Angesichts der zunehmend knapper werdenden Erdölressourcen ist es dringend erforderlich, nachhaltige Alternativen zu finden.

    Nachrichten | Wirtschaft
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    Symbolbild für die Story zum Thema wie Müll recycelt wird. Auf dem Bild sind zwei Personen zu sehen, die an einer gelben Tonne stehen.
    Eine vielversprechende Lösung könnte in Bio-Kunststoffen liegen, die jedoch bisher aufgrund ihrer hohen Kosten noch nicht weit verbreitet sind. Diese Bio-Kunststoffe sind zwar kompostierbar, aber nicht recycelbar. Um das globale Plastikmüllproblem zu lösen, benötigen wir jedoch vollständig recycelbares Plastik und eine Kreislaufwirtschaft.

    Super-Enzym auf Friedhof in Leipzig gefunden

    Christian Sonnendecker extrahiert eine Probenlösung
    Christian Sonnendecker extrahiert eine Probenlösung.
    Quelle: Ilhan Coskun

    Christian Sonnendecker, Forscher an der Universität Leipzig, hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 eine Technologie zu entwickeln, die nicht recycelbares Plastik vollständig ersetzen kann. Mit Hilfe von Enzymen sollen Kunststoffe biologisch abbaubar und somit unendlich oft wiederverwendbar werden.
    So ein Enzym, das PHL7, hat der Biochemiker auf dem Komposthaufen des Leipziger Friedhofs gefunden. Denn organischer Abfall ist besonders warm und Hort für viele tolle Organismen. Damit ist er auf biologisches Gold gestoßen.

    Der Fund von PHL7 war wie ein Quantensprung.

    Dr. Christian Sonnendecker, Biochemiker an der Universität Leipzig

    PHL7 kann reines PET komplett zersetzen

    Enzym PHL7 zersetzt PET Plastik, löst sich in 24h auf
    Das Enzym PHL7 zersetzt im Labor PET-Plastik.
    Quelle: Ilhan Coskun

    Die Forschenden machten mit PHL7 eine erstaunliche Entdeckung. Mit Hilfe von biochemischen Prozessen lässt sich mit diesem Enzym reines PET in unter 24 Stunden komplett zersetzen. PET ist ein Kunststoff, aus dem zum Beispiel Getränkeflaschen oder Lebensmittelverpackungen hergestellt werden.
    Im Labor wird in einem Reagenzglas eine PET-Plastikschale in eine Enzymlösung getaucht. In den folgenden Stunden löst sie sich praktisch in Luft auf. Es bleibt optisch nur Flüssigkeit zurück.
    Durch weitere Prozesse kann das PET wieder in Granulatform zurückgeholt werden. Dann ist es als Kunststoff ohne Qualitätsverlust neu einsetzbar, ohne dass es neuen Erdöls bedarf.

    PHL7 ist ein Enzym, das von Forschern an der Universität Leipzig entdeckt wurde. Es hat die Fähigkeit, Kunststoffe, insbesondere PET (Polyethylenterephthalat) biologisch abzubauen. Dieses Enzym kann den Abbau von Kunststoffen beschleunigen und ermöglicht eine vollständige Rückführung in ihre ursprüngliche Form. Die Forschung an PHL7 ist Teil eines Projekts, das darauf abzielt, nachhaltige Alternativen für nicht recycelbare Kunststoffe zu entwickeln. Durch die Anwendung von PHL7 könnten Kunststoffe effizienter recycelt und das globale Plastikmüllproblem reduziert werden.

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    Projekt benötigt weitere Fördergelder

    Das Projekt wird nicht nur von der Universität Leipzig, sondern auch von einem europäischen Netzwerk unterstützt. Zudem läuft ein Antrag auf eine Million Euro Fördergeld beim Bund.
    Interessanterweise haben bereits große Unternehmen wie BASF und Volkswagen ihr Interesse bekundet, da sie zunehmend gezwungen sind, Recyclingauflagen zu erfüllen.

    Es ist eine Frage des Willens, der Akzeptanz und auch eventuell der Bereitschaft, mehr für den Kunststoff zu zahlen, wenn er dafür aber nachhaltig ist und keine Umweltschäden verursacht.

    Dr. Christian Sonnendecker

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    Suche nach weiteren Enzymen, um Plastik abzubauen

    Das Leipziger Institut steht mit diesem neuen Enzym an der Weltspitze der Forschung. Noch kann es nur PET zerlegen. Es wird jedoch daran gearbeitet, ob auch anderes Plastik mit Enzymen abgebaut werden kann. Das Ziel ist es, einen vollständigen Biokreislauf für Kunststoffe in der Industrie zu etablieren.
    Dadurch soll vermieden werden, dass neues, nicht recycelbares Plastik hergestellt und in Umlauf gebracht werden muss. Die Weiterentwicklung dieser revolutionären Enzyme könnte einen Wendepunkt in der Plastikindustrie darstellen und einen großen Beitrag zur Lösung des globalen Müllproblems leisten.
    Die Forscher sind zuversichtlich, dass sie die Technologie bis 2030 marktreif machen können. Die Vision von einem vollständig recycelbaren Plastik ist damit greifbarer denn je.
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