Am 27. Februar 1933 brennt in Berlin der Reichstag. In der Folge werden viele Menschen verhaftet und Grundrechte ausgesetzt. Wie konnte es dazu kommen und wer steckte dahinter?
Wissenschaftler stellen infrage, ob Marinus van der Lubbe wirklich allein am Reichstagsbrand schuld war.
Es ist Montag, kurz nach 21:00 Uhr. Ein Passant alarmiert den Polizisten Karl Buwert: Es gebe einen "Lichtschein" im Parlamentsgebäude. Der Polizist schaut selbst nach und meint, Menschen mit Fackeln im Haus zu erkennen. Gegen 21:15 Uhr rückt die Feuerwehr an; um 21:27 Uhr birst das Glasdach des Reichstags und Flammen lodern. Etwa zeitgleich fasst die Polizei im Gebäude einen jungen Mann als Brandstifter: den Niederländer Marinus van der Lubbe.
Es sind wenige Fakten aus den Ermittlungsakten zum Reichstagsbrand am 27. Februar 1933, worüber heute weitgehend Konsens herrscht. Klar ist, dass dieses Feuer - vier Wochen nach der Machtübernahme Adolf Hitlers - der werdenden NS-Diktatur in die Hände spielte.
Während des "Dritten Reiches" formt Adolf Hitler den "Volksgerichtshof" zum politischen Gericht mit der Aufgabe, alle Gegner des NS-Regimes auszuschalten.
Die Nazis finden schnell ihre Schuldigen
Kaum eine Stunde nach dem ersten Hinweis auf das Feuer sind der neue Reichskanzler Hitler, Propagandaminister Joseph Goebbels und Reichstagspräsident Hermann Göring vor Ort. Für sie stehen die Schuldigen fest. Göring nennt es den "Beginn des kommunistischen Aufstands" und auch Hitler sieht das so.
Tatsächlich hat der festgenommene van der Lubbe eine Vorgeschichte in der Jugendorganisation einer kommunistischen Partei. Nach Angaben der Ermittler bekennt er sich zur Tat und zu einem politischen Motiv: "Ich wollte den deutschen Arbeitern [...] ein Vorbild geben; sie sollten dazu angeregt werden, endlich ihre Rechte durchzudrücken", liest man im Vernehmungsprotokoll.
Es folgen Verhaftungen und Rechteeinschränkungen
Doch van der Lubbe beharrt auch darauf, allein gehandelt zu haben. Die Ermittler gehen indes davon aus, dass mehrere Täter beteiligt gewesen sein müssen - passend zur politischen These vom kommunistischen Komplott.
Kaum im Amt, lässt Reichskanzler Adolf Hitler seine Maske fallen und erstickt jede Opposition im Keim. In weniger als zwei Jahren macht er aus Deutschland eine Diktatur.
Schon in den Stunden nach dem Brand beginnt eine beispiellose Verhaftungswelle gegen Kommunisten und Sozialdemokraten. Am Tag darauf setzt Reichspräsident Paul von Hindenburg mit einer Notverordnung zum "Schutz von Volk und Staat" die Grundrechte weitgehend außer Kraft, darunter Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit - tiefe Einschnitte wenige Tage vor der angesetzten Reichstagswahl.
Brand ist bis heute ein Politikum
Für Martin Sabrow, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, ist der Reichstagsbrand auf dem Weg in die Diktatur somit "der entscheidende Umschlagpunkt, nach dem es kein Zurück zur Demokratie mehr gab".
Ihre These von der kommunistischen Verschwörung konnten die Nazis allerdings nie beweisen. Der mitangeklagte KPD-Fraktionschef Ernst Torgler sowie drei weitere Kommunisten wurden im Prozess Ende 1933 freigesprochen. Nur van der Lubbe wurde verurteilt.
"Der Aufsteiger" heißt die erste Folge der dreiteiligen ZDF-Dokumentation "Hitlers Macht" zum 90. Jahrestag der Regierungsübernahme am 30. Januar 1933.
Könnten die Nationalsozialisten selbst hinter dem Brandanschlag gesteckt haben?
Eine Frage, die Historiker bis heute beschäftigt. Gerade erst hat der Historiker Uwe Soukup dieser Theorie ein Buch gewidmet. Seine Kernpunkte: Van der Lubbe könne es nicht allein gewesen sein - dafür seien die Brandherde zu viele und die Zeit zu kurz gewesen; van der Lubbes Darstellung wie er gehandelt habe, sei zudem unglaubwürdig.
Andere Historiker widersprechen
Etliche Historiker stehen hingegen zur "Alleintäterthese". Eine Klärung scheint heute jedoch aussichtslos. Die damaligen Ermittlungen ließen entscheidende Fragen offen und einige Zeitzeugen verfolgten rechts wie links eine politische Agenda.
Van der Lubbe bleibt zudem rätselhaft. Nach anfänglichen Geständnissen entzieht er sich während der Ermittlungen der Mitarbeit, so die offiziellen Protokolle.
Wie konnte eine einst so unbedeutende Person eine solche Macht aufbauen und halten? Würde Hitler im 21. Jahrhundert den selben rasanten Aufstieg erleben?
Im Prozess sitzt der 24-Jährige dann tief dann gebeugt auf der Anklagebank. Er wirkt kaum ansprechbar und debil, wie unter Drogen. Schon wenige Tage nach seinem Todesurteil wird er am 10. Januar 1934 hingerichtet. Die Paul-Bennhof-Gesellschaft zu Leipzig lässt jetzt, 90 Jahre später, seine sterblichen Überreste darauf prüfen, ob er vergiftet wurde.
- Der deutsche Abgrund: Demokratie ohne Demokraten
Die "Landvolkbewegung" protestiert Ende der 1920er-Jahre gegen den sozialen Abstieg. Aus dem Protest wird eine radikale Bewegung, deren Wut Hitler und die NSDAP für sich nutzen.